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Planung ZahnersatzAbläufe rund um den HKP optimieren (Teil 3): Präparieren, Eingliedern und Rechnung stellen

Abo-Inhalt17.08.20236427 Min. LesedauerVon Caroline-Kristina Havers, Fachwirtin für zahnärztliches Praxismanagement sowie Marketing im Sozial- und Gesundheitswesen, Dortmund

| Ein Standardproblem in Zahnarztpraxen ist, dass regelmäßig Heil- und Kostenpläne (HKPs) geschrieben werden, der Patient den Zahnersatz aber nicht anfertigen lässt. Es gibt jedoch Wege, hier die Erfolgsquote zu erhöhen. Wie Sie den Patienten bei seiner Zahnersatzbehandlung unterstützen und Abläufe optimieren können, wurde bereits in den ersten beiden Teilen dieser Beitragsserie erläutert. In diesem abschließenden dritten Teil geht es um die Begleitung des Patienten beim Präparationstermin, die Rechnungsstellung, die Nachsorge sowie um ggf. berechnungsfähiges Ausfallhonorar, wenn der Patient nicht zum vereinbarten Termin erscheint. |

Ausfallhonorar bei Nichterscheinen des Patienten

Sollte ein Patient einen fest vereinbarten Termin versäumen oder zu kurzfristig absagen, können Sie unter bestimmten Voraussetzungen Ausfallhonorar (Schadenersatz) berechnen. Die Rechtsgrundlage bildet § 615 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Dieser regelt den sogenannten „Annahmeverzug“ (des Patienten). Demnach müssen folgende Mindestvoraussetzungen für ein Ausfallhonorar erfüllt sein:

Mindestvoraussetzungen für ein Ausfallhonorar

  • 1. Die Zahnarztpraxis muss mit sogenannten Terminvorläufen arbeiten, das heißt, es muss ein fester Termin vereinbart worden sein, für den eine bestimmte Behandlung vorgesehen ist.
  • 2. Dieser fest vereinbarte Termin muss ausschließlich dem zu behandelnden Patienten vorbehalten sein, worüber dieser ausdrücklich informiert sein muss.
  • 3. Der Patient muss ausdrücklich darüber in Kenntnis gesetzt werden, dass bei Nichteinhaltung bzw. bei nicht rechtzeitiger Absage des Termins die fest zugesagte Behandlung in Rechnung gestellt wird – es sei denn, dass sein Nichterscheinen unverschuldet ist. Unverschuldetes Nichterscheinen ist dann anzunehmen, wenn der Patient objektiv gehindert war, den Termin rechtzeitig abzusagen.
  • 4. Der Zahnarzt konnte den Termin bei Nichterscheinen des Patienten oder einer Absage nicht mehr anderweitig vergeben.

Der dem Zahnarzt bei Vorliegen der Voraussetzungen entstandene Schaden – das Ausfallhonorar – ist konkret zu berechnen. Hierfür haben die Gerichte unterschiedliche Anforderungen aufgestellt. Die konkrete Schadensberechnung ist regelmäßig durch die Vorlage entsprechender betriebswirtschaftlicher Aufzeichnungen zu belegen und muss ggf. nachvollziehbar erläutert werden (Quelle: Landeszahnärztekammer Brandenburg).

Ein aktuelles Urteil dazu hat das Amtsgericht Bielefeld gefällt. Das Gericht verurteilte einen Patienten, der erst am Tag der vereinbarten umfangreichen zahnärztlichen Behandlung den Termin absagte, zur Zahlung eines Ausfallhonorars in Höhe von 375 Euro. Der Zahnarzt hatte 195 Minuten für den Termin reserviert, entgangenes Honorar erhielt er für 80 Minuten (AG Bielefeld, Urteil vom 10.02.2017, Az. 411 C 3/17; Details unter Abruf-Nr. 45137962). Auch diese Entscheidung zeigt: Ob und in welcher Höhe Ausfallhonorar ggf. in Rechnung gestellt werden kann, ist immer einzelfallabhängig.

Der Präparationstermin

Nachfolgend gehen wir aber davon aus, dass über ein Ausfallhonorar gar nicht nachgedacht werden muss, weil der Patient – auch dank Erinnerung – pünktlich zu seinem Termin erscheint und an alles gedacht hat. Die unterschriebene Mehrkostenvereinbarung hat er mitgebracht. Außerdem bittet er noch einmal um Kopien für seine Zusatzversicherung. Er hat sich, wie beantragt, für eine Vollkeramikkrone entschieden und hat dazu noch einige Fragen. Der genehmigte E-HKP wurde der Zahnarztpraxis von der Krankenkasse auf digitalem Wege zugesandt.

Praxistipp | Damit die geplante Behandlungszeit für den Termin eingehalten werden kann, sollte z. B. die Praxismanagerin (iww.de/s4836) dem Patienten noch einmal anbieten, alle organisatorischen Fragen nach der Behandlung mit ihr zu klären. Bestätigen Sie in dem Gespräch nach der Präparationssitzung auch den Folgetermin. Das erhöht die Sicherheit, dass der Patient auch tatsächlich zum vereinbarten Termin erscheint und sich nicht vertut.

Als Information für den Patienten nach der Behandlung können Sie ihm zusätzlich zur mündlichen Aufklärung ein Merkblatt aushändigen.

Musterschreiben / Merkblatt zum Verhalten nach Eingliederung der Provisorien

Sehr geehrte Patientin, sehr geehrter Patient,

heute wurden bei Ihnen in einer aufwendigen Sitzung ein oder mehrere Zähne zur Aufnahme von Kronen oder Brückenankern betäubt, beschliffen (präpariert) und mit Provisorien versorgt. Bitte warten Sie nach der Behandlung mit dem Essen, bis die Betäubung vollständig abgeklungen ist. Kauen Sie bitte vorsichtig und schonen Sie die behandelte Seite. Beachten Sie dabei, dass sehr heiße oder kalte Getränke und Speisen den beschliffenen Zahn reizen und Empfindlichkeiten auslösen können, ebenso sehr süße oder saure Kost. Das Provisorium schützt den Zahn weitestgehend vor äußeren Einflüssen. Bitte vermeiden Sie das Essen von harten und klebrigen Speisen, da diese zum Ablösen oder Zerbrechen des Provisoriums führen können.

Bitte setzen Sie sich mit uns in Verbindung, wenn Sie Fragen zum weiteren Behandlungsverlauf haben.

Bitte melden Sie sich umgehend bei uns,

  • wenn das Provisorium beschädigt ist/wird, sich ablösen oder verloren gehen sollte (auf keinen Fall sollten die Zähne über längere Zeit ohne die Bedeckung durch die provisorische Krone sein!);
  • wenn Sie nach mehr als zwei Tagen noch Beschwerden haben und diese sich möglicherweise verstärken. Am Tag der Behandlung und ggf. auch am Folgetag können leichte Beschwerden am Zahn oder Zahnfleisch durchaus vorkommen – danach sollten sich diese aber verflüchtigen. Bei Bedarf können Sie eine Schmerztablette einnehmen und eine Spüllösung (z. B. Chlorhexamed oder Meridol) verwenden.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr Praxisteam

Auch einen aktuellen Anamnesebogen hat der Patient mitgebracht. Darauf ist u. a. vermerkt, dass er seit kurzer Zeit Marcumar einnehmen muss. Die Praxismanagerin teilt dem Zahnarzt diese Änderung in der Anamnese umgehend mit, sodass dieser darauf vorbereitet ist, wenn während der Präparation stärkere Blutungen auftreten sollten.

Praxistipp | Es gibt keine vorgeschriebene Regelung darüber, wie häufig die Anamnese aktualisiert werden muss. Empfohlen wird ein jährliches Intervall. Vor einer aufwendigen Behandlung oder nach einer längeren Krankheit des Patienten ist es jedoch ratsam, den Anamnesebogen zu aktualisieren. Dieser kann im Nachhinein auch helfen, Begründungen bei der Faktorsteigerung zu untermauern und zu rechtfertigen. Im Fall des Marcumar-Patienten könnte diese z. B. lauten: „Erheblicher zeitlicher Mehraufwand, da die Abdrucknahme wegen starker Blutungsneigung bedingt durch Marcumar mehrfach wiederholt werden musste“ oder „Erhöhter Zeitaufwand und Schwierigkeitsgrad wegen eingeschränkter Sicht aufgrund von starker Blutung an der Präparationsgrenze (Marcumar).“

Erfassen Sie am besten alle voraussehbaren Überschreitungen des 2,3-fachen Satzes bereits im HKP, damit der Patient darüber informiert ist. Bitte beachten Sie, dass Begründungen zur Steigerung der Faktorhöhe mehr sein müssen als reine Situationsbeschreibungen. Unzureichende Begründungen sind häufig Ursache von Erstattungsschwierigkeiten.

Eingliederung und Rechnungsstellung

Die Eingliederung der Vollkeramikkrone verläuft bei dem Patienten unproblematisch. Nach der Behandlung erinnert er die Praxismanagerin noch einmal daran, dass er Kopien für seine Zusatzversicherung wünscht. Sie versichert ihm, dass er alle notwendigen Unterlagen zugesandt bekommt, sobald der HKP abgerechnet worden ist.

Legen Sie dem Patienten zusammen mit den Kopien für seine Erstattungsstelle einen kurzen Informationsbrief bei, in dem Sie kurz die weitere Vorgehensweise erläutern. Kopien in überschaubarem Umfang sollten Sie m. E. als Serviceleistung erbringen und dem Patienten nicht in Rechnung stellen. Aber in Ihrem Anschreiben dürfen Sie den kostenlosen Service gemäß dem Motto „Tue Gutes und sprich darüber“ ruhig erwähnen.

Formulierungsbeispiel für einen Informationsbrief zu den Kopien

Sehr geehrte Patientin, sehr geehrter Patient

heute senden wir Ihnen die Kopien zu, die Sie für Ihre Zusatzversicherung, Beihilfe, Privatversicherung etc. benötigen. Ihre Gesamtrechnung wird Ihnen separat zugeschickt. Leiten Sie diese bitte zusammen mit den Kopien an Ihre Erstattungsstelle weiter. Diese Kopien erhalten Sie als kostenfreie Serviceleistung unserer Praxis.*

Für Rückfragen stehen wir Ihnen gern zur Verfügung.

Ihr Praxisteam

---------------

* Wir bitten um Ihr Verständnis, dass wir unseren Patienten Kopien größeren Umfangs in Rechnung stellen müssen (20 Cent pro Kopie). Das Anfertigen und Versenden von Kopien ist eine Privatleistung, die gemäß § 612 BGB (Vergütung) und gemäß § 670 BGB (Ersatz von Aufwendungen) in Rechnung gestellt werden kann.

Praxistipp | Bitte achten Sie bei der Rechnungsstellung darauf, dass der Eigenanteil Ihre geschätzten Kosten nicht übersteigt. Sollte das in Ausnahmefällen dennoch passieren, z. B. weil der Goldpreis enorm gestiegen ist, teilen Sie dem Patienten das rechtzeitig mit. Agieren ist in diesem Fall besser, als auf den Unmut des Patienten reagieren zu müssen.

Falls es vom Labor noch nicht Standard sein sollte, bitten Sie dieses darum, Sie umgehend zu informieren, sobald sich abzeichnet, dass die Kosten voraussichtlich das gewöhnliche und abgesprochene Maß übersteigen werden.

Umgang mit Patientenwünschen in der Nachsorge

14 Tage nach Eingliederung der Vollkeramikkrone erscheint der Patient mit einem Brief seiner Zahnzusatzversicherung in der Praxis. Die Zusatzversicherung hat ihm keine vollen 100 Prozent erstattet, da sein Tarif dies nicht vorsieht. Der Patient wünscht sich, dass die Rechnung so umgeschrieben wird, dass er volle Erstattung erhält. Die Praxismanagerin erklärt ihm höflich, dass dies nicht rechtens ist.

Praxistipp | Auch wenn der Patient noch so drängelt, stellen Sie bitte nur die Leistungen in Rechnung, die erbracht und dokumentiert wurden. Teilen Sie dem Patienten freundlich mit, dass Sie rechtlich an bestimmte Vorgaben gebunden sind und die Rechnung nicht nach Gutdünken umschreiben können. Die Abrechnung nicht erbrachter Leistungen ist unzulässig und kann rechtlich erhebliche Konsequenzen nach sich ziehen.

In der größeren Zahl der Fälle fordert der Patient aber keine „Mauscheleien“, sondern stört sich an einzelnen Abrechnungspositionen – insbesondere solchen mit erhöhtem Steigerungsfaktor und insbesondere dann, wenn die Versicherung die Leistung nicht voll erstatten will. Sprechen Sie mit dem Patienten über die Rechnung und erklären Sie ihm ggf. die Faktorsteigerung. In Einzelfällen kann es sinnvoll sein, ihm z. B. Ratenzahlung anzubieten.

Fazit | Je höher die Rechnungssumme ist, die der Patient zu zahlen hat, desto aufwendiger kann die Unterstützung und Betreuung des Patienten sein. Ist es Ihnen jedoch einmal gelungen, einen Patienten durch eine Behandlung zu begleiten, die für ihn zu Beginn noch mit Zweifeln verbunden war, wird das sein Vertrauen in Ihre Praxis steigern und die zukünftigen Abläufe erleichtern.

Weiterführende Hinweise
  • Beitrag „Abläufe rund um den HKP optimieren (Teil 1): GKV-Patienten unterstützen und behalten!“ in PA 07/2023, Seite 15
  • Beitrag „Abläufe rund um den HKP optimieren (Teil 2): HKP bei Privatpatienten und Terminvergabe“ in PA 08/2023, Seite 15
  • Das Musterschreiben „Merkblatt zum Verhalten nach Eingliederung der Provisorien“ finden Sie zum Herunterladen und ggf. Anpassen auf individuelle Gegebenheiten unter iww.de/pa bei Downloads > Musterformulierungen und -schreiben.

AUSGABE: PA 9/2023, S. 12 · ID: 49533553

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