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EinkommensteuerAltersfreizeit: Rückstellung, wenn es auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit ankommt!
. 242848
| In der Handels- und Steuerbilanz sind Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden (§ 249 Abs. 1 S. 1 HGB, § 5 Abs. 1 S. 1 EStG). Der BFH (5.6.24, IV R 22/22, Abruf-Nr. 242848) hat die Voraussetzungen – und dabei insbesondere das Kriterium „Erfüllungsrückstand“ – in einem Fall von tarifrechtlich zugesagter Altersfreizeit durchgeprüft. |
Inhaltsverzeichnis
1. Sachverhalt
Ein Arbeitgeber (OHG) war an einen Manteltarifvertrag gebunden. Danach stand den Arbeitnehmern zusätzliche bezahlte Freizeit von zwei Arbeitstagen je vollem Jahr ihrer Betriebszugehörigkeit zu, soweit sie dem Betrieb mindestens zehn Jahre ununterbrochen zugehörig waren und das 60. Lebensjahr vollendet hatten. Vor diesem Hintergrund passivierte die OHG in der Steuerbilanz zum 31.12.16 eine Rückstellung für Altersfreizeit i. H. von 337.900 EUR.
Diese Rückstellung erkannte das FA aber nicht an. Insbesondere liege kein Erfüllungsrückstand seitens der OHG gegenüber den Arbeitnehmern vor, da diese keine Mehrleistungen erbracht hätten, wie beispielsweise in der Ansparphase im Rahmen einer Altersteilzeitvereinbarung.
Die hiergegen gerichtete Klage war vor dem FG Köln erfolgreich – und auch der BFH erkannte die Rückstellung an.
2. Entscheidung
2.1 Allgemeine Voraussetzungen für die Bildung einer Rückstellung
Nach R 5.7 Abs. 2 EStR ist eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten nur zu bilden, wenn
- es sich um eine Verbindlichkeit gegenüber einem anderen oder eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung handelt,
- die Verpflichtung vor dem Bilanzstichtag wirtschaftlich verursacht ist und
- mit einer Inanspruchnahme aus einer nach ihrer Entstehung oder Höhe ungewissen Verbindlichkeit ernsthaft zu rechnen ist und
- die Aufwendungen in künftigen Wirtschaftsjahren nicht zu Anschaffungs- oder Herstellungskosten für ein Wirtschaftsgut führen.
Ansprüche und Verbindlichkeiten aus einem schwebenden Geschäft dürfen in der Bilanz grundsätzlich nicht berücksichtigt werden, weil während des Schwebezustands die (widerlegbare) Vermutung besteht, dass sich die wechselseitigen Rechte und Pflichten aus dem Vertrag wertmäßig ausgleichen. Ein Bilanzausweis ist nur geboten, wenn und soweit das Gleichgewicht solcher Vertragsbeziehungen durch Vorleistungen oder Erfüllungsrückstände eines Vertragspartners gestört ist (BFH 23.6.97, GrS 2/93, unter B.I.3. m. w. N.; BFH 14.4.22, IV R 32/19, Rz. 27).
Beachten Sie | Diese Bilanzierungsgrundsätze gelten nicht nur für gegenseitige Verträge, die auf einen einmaligen Leistungsaustausch gerichtet sind, sondern auch für Dauerschuldverhältnisse (vgl. z. B. BFH 26.7.23, IV R 22/20, Rz. 36) und damit auch für Arbeitsverhältnisse.
Bei dem gesetzlich nicht definierten Begriff des Erfüllungsrückstands muss sich der Verpflichtete mit seinen Leistungen gegenüber dem Vertragspartner im Rückstand befinden, also weniger geleistet haben, als er nach dem Vertrag für die bis dahin vom Vertragspartner erbrachte Leistung insgesamt zu leisten hätte (u. a. BFH 5.4.06, I R 43/05, unter II.3.).
Ein Erfüllungsrückstand setzt voraus, dass mit der nach dem Vertrag geschuldeten zukünftigen Leistung nicht nur an Vergangenes angeknüpft, sondern Vergangenes abgegolten wird. Besteht ein Erfüllungsrückstand und ist dessen Höhe sicher, ist dem durch Ausweis einer Verbindlichkeit Rechnung zu tragen. Ist die noch zu erfüllende Leistung der Höhe nach ungewiss, ist eine Rückstellung zu bilden (BFH 25.5.16, I R 17/15, Rz. 17).
2.2 Voraussetzungen für die Bildung einer Rückstellung für Altersfreizeit
Unter Berücksichtigung der vorgenannten Grundsätze erkannte der BFH die Rückstellung der OHG an. Entgegen der Ansicht des FA ist die wirtschaftliche Verursachung der zurückgestellten (ungewissen) Verbindlichkeit in der Zeit vor dem Bilanzstichtag (31.12.16) gegeben.
Maßgeblich war, dass es für die künftige Verbindlichkeit auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit ankam. Damit war die spätere Leistung des Arbeitgebers durch die in der Vergangenheit erbrachten Dienste verursacht und führte beim Arbeitgeber zu einem entsprechenden Erfüllungsrückstand.
Das FA hingegen hatte die Auffassung vertreten, dass die wesentliche wirtschaftliche Verursachung erst mit Vollendung des 60. Lebensjahres und damit in der Zukunft eintreten würde. Dieses Argument untermauerte das FA damit, dass bei Vollendung des 60. Lebensjahres gar nicht sicher sei, ob das Unternehmen überhaupt noch bestehen würde. Dem konterte der BFH mit dem Prinzip der Unternehmensfortführung: Demnach sind alle Verpflichtungen zu berücksichtigen, die bei der zum maßgebenden Stichtag anzunehmenden unveränderten Fortführung des Betriebs mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erfüllen sein werden.
AUSGABE: MBP 12/2024, S. 202 · ID: 50195753