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SonderausgabenVersorgungsvertrag: Fehlender Rechtsbindungswille gefährdet Anerkennung
Abruf-Nr. 242698
| Das FG Münster (7.12.22, 6 K 2026/20 E, Rev. BFH X R 6/24, Abruf-Nr. 242698) hat entschieden, dass ein Versorgungsvertrag (§ 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG) wegen eines fehlenden Rechtsbindungswillens nicht anzuerkennen ist, wenn der Übernehmer die vereinbarten Baraltenteilsleistungen zuerst im Einvernehmen und dann trotz Forderung des Übergebenden nicht zahlt. Erfolgt später (durch ein Urteil eines Zivilgerichts) ein vertragsgemäßes Verhalten, scheidet eine Berücksichtigung der Barleistungen als Sonderausgaben dennoch aus. |
1. Voraussetzungen für die steuerliche Anerkennung
Wird ein Betrieb gegen Versorgungsleistungen auf nahe Angehörige übertragen, kann der Betriebsübernehmer die Versorgungsleistungen nach § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG als Sonderausgaben abziehen, die der Empfänger korrespondierend nach § 22 Nr. 1a EStG versteuern muss. Allerdings ist die steuerliche Anerkennung eines solchen Vermögensübergabevertrags an bestimmte Voraussetzungen geknüpft.
Die steuerrechtliche Anerkennung des Übertragungsvertrags setzt voraus, dass die gegenseitigen Rechte und Pflichten klar und eindeutig sowie rechtswirksam vereinbart und ernsthaft gewollt sind und die Leistungen wie vereinbart tatsächlich erbracht werden. Als wesentlicher Inhalt des Übertragungsvertrags müssen nach dem Schreiben des BMF (11.3.10, IV C 3 - S 2221/09/10004, Rz. 59) vereinbart sein: Der Umfang des übertragenen Vermögens, die Höhe der Versorgungsleistungen und die Art und Weise der Zahlung.
Zudem sind diese Aspekte unbedingt zu beachten:
- Die Vereinbarungen müssen zu Beginn des Rechtsverhältnisses und bei Änderung des Verhältnisses für die Zukunft klar und eindeutig getroffen werden (BFH 19.1.05, X R 23/04).
- Ob und in welchem Umfang die Parteien des Versorgungsvertrags ihren Vertragspflichten nachkommen wollen, steht ihnen nicht frei; die Leistungen müssen wie vereinbart erbracht werden (BFH 19.1.05, X R 23/04). Allerdings liegt es in der Rechtsnatur des Versorgungsvertrags, dass die Vertragspartner z. B. auf geänderte Bedarfslagen angemessen reagieren (BFH 15.7.92, X R 165/90).Leistungen müssen wie vereinbart erbracht werden
- Lassen sich Abweichungen von den vertraglichen Vereinbarungen feststellen, ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung zu prüfen, ob es den Parteien am erforderlichen Rechtsbindungswillen fehlt und ob sie ihren vertraglichen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen wollen.
- Beachten Sie | Dies ist der Fall, wenn der Vollzug der Vereinbarung durch willkürliche Aussetzung und anschließende Wiederaufnahme der Zahlungen, darüber hinaus aber auch durch Schwankungen in der Höhe des Zahlbetrags, die nicht durch Änderungen der Verhältnisse gerechtfertigt sind, gekennzeichnet ist (BFH 3.3.04, X R 14/01; BFH 19.1.05, X R 23/04).
- Hat sich der Vermögensübernehmer nach dem Vermögensübergabevertrag zu mehreren Versorgungsleistungen verpflichtet, die zum Mindestbestand von Versorgungsverträgen gehören sowie als typusprägend anzusehen und als jeweils gleichgewichtig zu beurteilen sind, muss der Rechtsbindungswille hinsichtlich aller geschuldeten Versorgungsleistungen gegeben sein (BFH 19.1.05, X R 23/04).Mehrere Versorgungsleistungen
2. Aussetzung der Zahlung von vereinbarten Barleistungen
Im Streitfall hatte die Vermögensübernehmerin die vertraglich vereinbarten Baraltenteilszahlungen in den Jahren 2004 bis 2010 nicht geleistet. Damit hatten die Vertragsparteien die vertraglich getroffene Regelung mehrere Jahre nicht beachtet und somit eine Hauptpflicht des Vertrags nicht wie vereinbart durchgeführt.
Das FG Münster (7.12.22, 6 K 2026/20 E) kam daher zu folgendem Schluss: Der fehlende Rechtsbindungswille führt dazu, dass auch die im Streitjahr und in den Vorjahren erbrachten übrigen Leistungen des Übertragungsvertrags (Gewährung des Wohnrechts sowie Übernahme von Energiekosten) nicht als Sonderausgaben abzugsfähig sind.
3. Keine „Heilung“ durch Rückkehr zum vertragsmäßigen Verhalten
Im Streitfall wurden die Baraltenteilsleistungen nach einer gerichtlichen Auseinandersetzung im Streitjahr 2017 wieder erbracht. Gleichwohl stellen die Zahlungen auch nach Rückkehr zum vertragsgemäßen Verhalten keine Sonderausgaben dar. Dabei verweist das FG Münster auf eine Entscheidung des BFH (15.9.10, X R 13/09). Hiernach zeigt das vertragswidrige Verhalten während eines längeren Zeitraums (im Streitfall des BFH lediglich 17 Monate) den fehlenden Rechtsbindungswillen der Parteien und lässt den Übergabevertrag als Ganzes daher nicht unberührt. Erfüllt der Übernehmer in späteren Jahren die vereinbarten Versorgungsleistungen vertragsgemäß, sind auch diese Aufwendungen nicht als Sonderausgaben abziehbar.
Praxistipp | Gegen das FG-Urteil ist die Revision anhängig (BFH X R 6/24). Vor dem Hintergrund der bisher ergangenen BFH-Rechtsprechung dürften die Erfolgsaussichten jedoch eher gering sein. Steuerpflichtige, die einen Vermögensübergabevertrag i. S. des § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG abschließen wollen, sollten sich daher an die vorstehend aufgeführten Anerkennungskriterien halten, um den Sonderausgabenabzug der Versorgungsleistungen im Jahr des Vertragsabschlusses und in der Folgezeit nicht zu gefährden. |
AUSGABE: MBP 9/2024, S. 150 · ID: 50088549