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BeraterhaftungKlageabweisung trotz erheblicher Pflichtverletzung
| Verlangt der Mandant Schadenersatz wegen ergangener Schätzungsbescheide, muss er konkret darlegen, welche Gewinne oder Verluste abweichend von den geschätzten Besteuerungsgrundlagen tatsächlich entstanden sind (OLG Karlsruhe 6.9.23, 7 U 162/22). |
Sachverhalt und Entscheidungsgründe
Trotz mehrerer Aufforderungen des FA legte der beklagte Steuerberater während einer Betriebsprüfung keine Unterlagen seiner Mandantin vor. Die anschließend ergangenen Schätzungsbescheide wurden rechtskräftig und führten zu erheblichen Steuernachforderungen. Das OLG hob das Urteil des LG, das den Berufsangehörigen zu Schadenersatz verurteilt hatte, auf.
Zwar bejahte der Senat, ebenso wie die Vorinstanz, eine erhebliche Pflichtverletzung des Beraters: Er hätte bei pflichtschuldigem Handeln die Mandantin auf die Gefahr von Hinzuschätzungen hinweisen müssen. Auch wenn die vorhandenen Unterlagen objektiv lückenhaft und unvollständig und somit nicht ordnungsgemäß waren, hätte er diese zudem nicht eigenmächtig zurückhalten oder zu ihrer Nichtvorlage raten dürfen. Das Gericht bezweifelt jedoch, dass als Folge dieser Vertragsverletzung der geltend gemachte Schaden nachweisbar entstanden ist. Bei der Schadensberechnung sind alle Folgen haftungsbegründender Umstände einzubeziehen. Nötig ist ein Gesamtvermögensvergleich, der durch eine Gegenüberstellung der hypothetischen und der tatsächlichen Vermögenslage vorgenommen wird. Ein Geschädigter soll dabei grundsätzlich nicht mehr erhalten als dasjenige, was er nach der materiellen Rechtslage hätte objektiv verlangen können. Der Verlust einer tatsächlichen oder rechtlichen Position, auf die er keinen Anspruch hat, ist grundsätzlich kein erstattungsfähiger Nachteil (BGH 9.11.17, IX ZR 270/16). Darlegungs- und beweisbelastet ist nach allgemeinen Grundsätzen stets der Anspruchsteller.
In der Sache konnte auch eine vom Gericht eingeschaltete Sachverständige wegen der allein von der Mandantin zu verantwortenden desolaten Buchhaltung und der völlig unzureichenden Belegsituation indes nicht feststellen, ob und in welcher Höhe Vermögensnachteile eingetreten sind, die auf Versäumnisse des Beklagten zurückzuführen wären. Da es der Klägerin schon mangels nachvollziehbarer Unterlagen nicht möglich war, den „richtigen“ steuerlich relevanten Gewinn zu beziffern, hat sie ihrer Beweispflicht nicht genügt. Die Klage war daher abzuweisen.
Relevanz für die Praxis
Da der Berufsangehörige nicht mit der Kontrolle der vorkontierten Belege beauftragt war, sondern diese lediglich verarbeiten sollte, sah das OLG auch keine ihn treffende Pflicht, die ihm gegenüber so dokumentierten Einnahmen infrage zu stellen oder die Mandantin überhaupt auf die Anforderungen der GoB hinzuweisen.
AUSGABE: KP 8/2024, S. 150 · ID: 49935653