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Umsatzsteuer Liebhaberei im Umsatzsteuerrecht?
| Der Beitrag beschäftigt sich mit der Problematik von dauerdefizitären Tätigkeiten und ihren Auswirkungen im Umsatzsteuerrecht. Denn während die Problematik der „Liebhaberei“ im Einkommensteuerrecht klar umrissen ist und die Rechtsprechung in diesem Bereich wenig Fragen offenlässt, liegen die Auswirkungen im Bereich der Umsatzsteuer nicht ganz so klar auf der Hand. |
Inhaltsverzeichnis
Dauerdefizitäre Tätigkeiten im Umsatzsteuerrecht
Der Begriff der „Liebhaberei“ ist fest mit dem Einkommensteuerrecht verbunden und beschreibt steuerliche Aktivitäten, denen die Absicht fehlt, positive Einkünfte zu erzielen. Da Einkunfts- bzw. Gewinnerzielungsabsicht für sämtliche Einkunftsarten des Einkommensteuerrechts verbindliche Voraussetzung ist (vgl. BFH 25.6.84, GrS 4/82, BStBl II 84, 751), liegt bei einer Tätigkeit, die in der Gesamtschau nur verlustreich ist, damit keine einkommensteuerbare Tätigkeit vor.
Im Umsatzsteuerrecht geht es hingegen um Unternehmer, die eine gewerbliche oder berufliche – also wirtschaftliche – Tätigkeit selbstständig ausüben. Gewerblich oder beruflich ist dabei jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt (§ 2 Abs. 1 S. 3 UStG). Nachhaltig ist eine Tätigkeit, die auf Dauer zur Erzielung von Entgelten angelegt sein muss (Abschn. 2.3 Abs. 5 S. 1 UStAE); eine bloß gelegentliche Tätigkeitsausübung ist davon abzugrenzen. Doch können dauerdefizitäre Tätigkeiten zum Verlust der Unternehmereigenschaft führen mit der Folge, dass ein Vorsteuerabzug nicht mehr möglich ist?
Höchstrichterliche Rechtsprechung des EuGH und BFH
Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH setzt eine wirtschaftliche Tätigkeit eine entgeltliche Leistungserbringung voraus (vgl. EuGH 12.5.16, C-520/14, DStRE 16, 798). Zusätzlich müssen nachhaltige Einnahmen erzielt werden und es muss sichergestellt sein, dass zumindest die entstandenen Betriebskosten durch die Ausgleichszahlungen gedeckt sind (EuGH 15.4.21, C-846/19, EQ, DStRE 21, 618).
In der Gesamtschau zeigt sich aber, dass der EuGH eine wirtschaftliche Tätigkeit und damit die Unternehmereigenschaft nur in absoluten Ausnahmefällen verneint (EuGH 30.3.23, C-612/21, Gmina O, DStRE 23, 876; C-616/21, Gmina L, MwStR 23, 464) und eine Vielzahl von Aspekten im Einzelfall von Bedeutung sein können (ausführlich dazu Küffner/Zugmaier, DStR 23, 2703 [2706]).
Der BFH hat bei nicht kostendeckenden Entgelten den Begriff der „Asymmetrie“ geprägt:
BFH 22.6.22, XI R 35/19, DStR 22, 2309 |
„Asymmetrie“ bei nicht kostendeckenden Entgelten ... |
Bei dauerdefizitären Tätigkeiten ist einzelfallbezogen im Rahmen einer Gesamtschau zu prüfen, ob noch von einer wirtschaftlichen Tätigkeit ausgegangen werden kann oder die Unternehmereigenschaft – wegen fehlender wirtschaftlicher Tätigkeit – nicht besteht, sodass kein Vorsteuerabzug möglich ist. Nach Ansicht des EuGH (26.9.96, C-230/94, Enkler, DStR 96, 1686) reicht es für die Annahme einer wirtschaftlichen Tätigkeit nicht aus, dass eine Dienstleistung gegen Entgelt erbracht wird. Weitere Anhaltspunkte sind zu prüfen.
Empfehlungen für die Praxis
Im Einzelfall sind nach höchstrichterlicher Rechtsprechung im Rahmen einer Gesamtschau für das Vorliegen einer wirtschaftlichen Tätigkeit beispielhaft folgende Aspekte von Bedeutung:
- Leistung und entgeltliche Gegenleistung erfolgen aufgrund eines wirksamen Rechtsverhältnisses (EuGH 12.5.16, C-520/14, DStRE 16, 798)Aspekte, die für eine wirtschaftliche Tätigkeit sprechen
- Keine „Asymmetrie“ zwischen der Höhe des Entgelts und den Ausgaben (BFH 22.6.22, XI R 35/19, DStR 22, 2309; 15.12.16, V R 44/15, DStR 17, 656)
- Fremdvergleich hält stand (EuGH 26.9.96, C-230/94, Enkler, DStR 96, 1686 Rn. 28; BFH 22.6.22, XI R 35/19, DStR 22, 2309)
- Relevante Zahl an Kunden und Einnahmen (EuGH 26.9.96, C-230/94, Enkler, DStR 96, 1686 Rn. 29)
- Einsatz von eigenem Personal (EuGH 30.3.23, C-616/21, Gmina L)
- Kostendeckung und Gewinnspanne (EuGH 30.3.23, C-616/21, Gmina L, MwStR 23, 464)
Liegt im Einzelfall eine wirtschaftliche Tätigkeit und damit die umsatzsteuerliche Unternehmereigenschaft vor, ist das Vorsteuerabzugsrecht gerettet.
Also doch „Liebhaberei“ in der Umsatzsteuer |
AUSGABE: GStB 9/2024, S. 327 · ID: 50075452