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ImmobilienPrivate Veräußerungsgeschäfte: Begriff „eigene Wohnzwecke“ präzise definiert

Abo-Inhalt15.03.20248 Min. LesedauerVon Dipl.-Finw. Karl-Heinz Günther, Übach-Palenberg

| Die Veräußerung einer zum Privatvermögen gehörenden Immobilie innerhalb der zehnjährigen Veräußerungsfrist des § 23 EStG kann schnell zur „Steuerfalle“ werden. Eine Besteuerung kann jedoch vermieden werden, wenn das Objekt im Zeitraum zwischen Anschaffung/Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken oder im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde. Der Begriff der „eigenen Wohnzwecke“ hat sich in den letzten Jahren als besonders streitanfällig erwiesen und zu zahlreichen höchstrichterlichen Entscheidungen geführt, die man in der Praxis unbedingt beachtet sollte, um unliebsame Überraschungen zu vermeiden. |

1. Begriff „eigene Wohnzwecke“

Aktuell hat der BFH den Begriff der eigenen Wohnzwecke i. S. v. § 23 EStG in Abgrenzung zu anderen einkommensteuerlichen Regelungen präzise definiert und beschrieben.

1.1 Zum Bewohnen geeignet

Der Ausdruck „Nutzung zu eigenen Wohnzwecken“ i. S. d. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 EStG setzt zunächst voraus, dass eine Immobilie zum Bewohnen geeignet ist und vom Steuerpflichtigen auch bewohnt wird. Eine die Steuerbarkeit des Veräußerungsgewinns ausschließende Nutzung zu eigenen Wohnzwecken i. S. d. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 EStG liegt daher auch dann vor, wenn der Steuerpflichtige ein Grundstück, das mit einem „Gartenhaus“ bebaut ist, welches nach seiner Beschaffenheit dazu bestimmt und geeignet ist, Menschen auf Dauer Aufenthalt und Unterkunft zu gewähren, baurechtswidrig dauerhaft bewohnt (BFH 26.10.21, IX R 5/21, BStBl II 22, 403).

Beachten Sie | Die Abtrennung eines Grundstücksteils (Garten) vom selbst genutzten Wohnhaus und die nachfolgende Veräußerung des unbebauten Grundstücksteils innerhalb der Zehnjahresfrist führt zu einem nach § 23 EStG steuerpflichtigen Vorgang und fällt nicht unter den Befreiungstatbestand „eigene Wohnzwecke“ (BFH 26.9.23, IX R 14/22). Denn eine Ausnahme von der Besteuerung ist nur dann gesetzlich vorgesehen, wenn die Immobilie vom Steuerpflichtigen selbst bewohnt wird. Mangels eines auf dem Grundstück befindlichen Gebäudes können unbebaute Grundstücke jedoch nicht bewohnt werden, sodass der Befreiungstatbestand nicht greift.

Im Streitfall war der einheitliche Nutzungs- und Funktionszusammenhang zwischen dem zu eigenen Wohnzwecken genutzten Gebäude und dem dazugehörenden Grundstück entfallen, soweit von dem bisher ungeteilten Wohngrundstück ein (unbebauter) Teil abgetrennt wurde. Für das neu entstandene unbebaute Grundstück bewirkte die Teilung in Bezug auf die Annahme eines einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhangs eine Zäsur. Auf die frühere Nutzung der ungeteilten Grundstücksfläche kommt es insoweit nicht mehr an.

1.2 Selbstnutzung durch den Steuerpflichtigen

Der Steuerpflichtige muss das Gebäude zumindest auch selbst nutzen; unschädlich ist, wenn er es gemeinsam mit seinen Familienangehörigen oder einem Dritten bewohnt (BFH 3.9.19, IX R 8/18, BStBl II 20, 122). Entsprechend liegt eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken auch vor, wenn der Steuerpflichtige das Wirtschaftsgut einem Kind, für das er Anspruch auf Kindergeld oder einen Freibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG hat, unentgeltlich zu Wohnzwecken überlassen hat (BMF 5.10.00, IV C 3 – S 2256 – 263/00, BStBl I 00, 1383 Rz. 23), nicht jedoch, wenn das Kind nicht mehr nach § 32 EStG berücksichtigungsfähig ist (BFH 24.5.22, IX R 28/21, BFH/NV 23, 20).

Dagegen nutzt ein in Scheidung befindlicher Ehegatte das in seinem Miteigentum stehende Immobilienobjekt nicht mehr zu eigenen Wohnzwecken, wenn er ausgezogen ist und nur noch sein geschiedener Ehegatte und das gemeinsame Kind auch nach der Rechtskraft des Scheidungsurteils weiterhin dort wohnen. Denn überlässt der Steuerpflichtige die Wohnung nicht ausschließlich einem einkommensteuerlich zu berücksichtigenden Kind (oder mehreren einkommensteuerlich zu berücksichtigenden Kindern) unentgeltlich zur Nutzung, sondern zugleich einem Dritten (z. B. der Kindesmutter bzw. dem Kindesvater), liegt keine begünstigte Nutzung des Steuerpflichtigen zu eigenen Wohnzwecken vor (BFH 14.2.23, IX R 11/21).

Merke | Mit Urteil vom 14.11.23 (IX R 13/23) hat der BFH abgrenzend klargestellt, dass bei unentgeltlicher Überlassung an andere, ggf. unterhaltsberechtigte Angehörige keine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken i. S. d. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 EStG vorliegt. Im Streitfall wurde eine der Schwiegermutter zu Wohnzwecken überlassene Wohnung innerhalb der Zehnjahresfrist veräußert. Der BFH entschied, dass die gesetzlich vorgesehene Befreiung von einer Besteuerung nach § 23 EStG bei einer Selbstnutzung der Immobilie nur dann greift, wenn die Immobilie vom Steuerpflichtigen selbst oder einem unterhaltsberechtigten volljährigen Kind bewohnt wird, nicht jedoch bei einer Überlassung an die (Schwieger-)Mutter.

Denn lediglich die Nutzung der Wohnung durch ein Kind ist dem Eigentümer als eigene zuzurechnen, weil es ihm obliegt, für die Unterbringung des Kindes zu sorgen. Dagegen kann der Begriff „eigene Wohnzwecke“ nicht i. S. v. § 4 S. 2 EigZulG ausgelegt werden, wonach eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken auch vorliegt, soweit eine Wohnung unentgeltlich an einen Angehörigen i. S. d. § 15 AO zu Wohnzwecken überlassen wird. Denn Zweck der gesetzlichen Freistellungsregelung des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 EStG ist nicht der Erwerb von Wohnungseigentum durch möglichst viele Bürger und damit die Förderung der Vermögensbildung, sondern die Vermeidung der Besteuerung eines Veräußerungsgewinns bei Aufgabe eines Wohnsitzes und eine damit einhergehende Behinderung der beruflichen Mobilität.

Beachten Sie | Ein Gebäude wird auch dann zu eigenen Wohnzwecken genutzt, wenn es der Steuerpflichtige nur zeitweilig bewohnt, sofern es ihm in der übrigen Zeit als Wohnung zur Verfügung steht. Unter § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 EStG können deshalb auch Zweitwohnungen, nicht zur Vermietung bestimmte Ferienwohnungen und Wohnungen, die im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung genutzt werden, fallen (BFH 27.6.17, IX R37/16, BStBl II 17, 1192).

Für eine Eigennutzung ist die unentgeltliche Überlassung von Teilen der Wohnung unschädlich, sofern die dem Steuerpflichtigen zu eigenen Wohnzwecken verbleibenden Räume noch den Wohnungsbegriff erfüllen und ihm die Führung eines selbstständigen Haushalts ermöglichen. Eine steuerunschädliche Mitbenutzung durch nahe Angehörige aufgrund eines diesen vorbehaltenen lebenslangen dinglichen Wohnrechts zu eigenen Wohnzwecken liegt jedoch dann nicht mehr vor, wenn sich deren Nutzung auf eine eigenständige Wohnung i. S. d. BewG bezieht (BFH 3.9.19, IX R 8/18, BStBl II 20, 122).

Dagegen hat der BFH in folgenden Fällen eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken verneint,

  • wenn die Wohnung dem Steuerpflichtigen nicht als Wohnung zur Verfügung steht, sondern von einem Dritten zu Wohnzwecken genutzt wird und der Steuerpflichtige sich dort nur gelegentlich besuchsweise aufhält (BFH 29.5.18, IX B 106/17. BFH/NV 18, 951),
  • wenn der Steuerpflichtige die einem Angehörigen unentgeltlich überlassene Wohnung zeitweilig für wenige Nächte im Jahr als Zufluchtsmöglichkeit (mit-)nutzt, um einer wegen der Alkoholerkrankung des Ehepartners in der gemeinsamen Ehewohnung unerträglich gewordenen Situation zu entfliehen (BFH 21.5.19, IX R 6/18, BFH/NV 19, 1227),
  • bei tageweiser Vermietung von Räumen (z. B. an Messebesucher), denn es besteht keine räumliche oder zeitliche Bagatellgrenze für eine unschädliche Nutzungsüberlassung an Dritte. Bei Ermittlung des steuerpflichtigen Gewinnanteils ist als Aufteilungsmaßstab das Verhältnis der Wohnflächen zueinander maßgebend (BFH 19.7.22, IX R 20/21, BStBl II 23, 234).

2. Keine Besteuerung bei ausschließlicher Nutzung zu eigenen Wohnzwecken während des Besitzzeitraums

Nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 1. Alternative EStG sind Grundstücke von der Besteuerung ausgenommen, die im Zeitraum zwischen Anschaffung oder Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken genutzt werden.

Ein Leerstand vor Beginn der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken ist unschädlich, wenn er mit der beabsichtigten Nutzung des Grundstücks zu eigenen Wohnzwecken in Zusammenhang steht. Dies gilt auch für einen Leerstand zwischen Beendigung der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken und Veräußerung des Gebäudes, wenn der Steuerpflichtige die Veräußerungsabsicht nachweist (BMF 5.10.00, IV C 3 – S 2256-263/00, BStBl I 00, 1383 Rz. 25).

Bei Veräußerung eines nur teilweise zu eigenen Wohnzwecken und teilweise zu anderen Zwecken genutzten Gebäudes ist der Grund und Boden, der nach dem Verhältnis der Nutzflächen des Gebäudes auf den zu eigenen Wohnzwecken genutzten Gebäudeteil entfällt, nicht in den Veräußerungsgewinn miteinzubeziehen (BMF 5.10.00, IV C 3 – S 2256-263/00, BStBl I 00, 1383, Rz. 19).

3. Sonderfall „Nutzung zu eigenen Wohnzwecken im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren“

Eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken „im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren“ (§ 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 2. Alternative EStG) ist gegeben, wenn das Gebäude in einem zusammenhängenden Zeitraum genutzt wird, der sich über drei Kalenderjahre erstreckt, ohne sie – mit Ausnahme des mittleren Kalenderjahres – voll auszufüllen (BFH 27.6.17, IX R 37/16, BStBl II 17, 1192). Eine kurzzeitige Vermietung der Immobilie im Veräußerungsjahr ist unschädlich, wenn der Steuerpflichtige das Objekt – zusammenhängend – im Veräußerungsjahr zumindest an einem Tag, im Vorjahr durchgehend sowie im zweiten Jahr vor der Veräußerung zumindest einen Tag lang zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat (BFH 3.9.19, IX R 10/19, BStBl II 20, 310; BFH-Beschluss 3.8.22, IX B 16/22, BFH/NV 22, 1179 sowie BFH-Beschluss 3.8.22, IX R 17/22, BFH/NV 22, 1179).

Beachten Sie | Die Finanzverwaltung folgt dieser Rechtsprechung (BMF 17.6.20, IV C 1 – S 2256/08/10006 :006, BStBl I 20, 576), indem sie darauf hinweist, dass es genügt, wenn der Steuerpflichtige das Wirtschaftsgut im Jahr der Veräußerung zumindest am 1. Januar, im Vorjahr der Veräußerung durchgehend sowie im zweiten Jahr vor der Veräußerung mindestens am 31. Dezember zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat.

4. Häusliches Arbeitszimmer

Wird eine zu eigenen Wohnzwecken genutzte Eigentumswohnung innerhalb der zehnjährigen Haltefrist veräußert, ist der Veräußerungsgewinn auch insoweit gemäß § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 EStG von der Besteuerung ausgenommen, als er auf ein zur Erzielung von Überschusseinkünften genutztes häusliches Arbeitszimmer entfällt (BFH 1.3.21, IX R 27/19, BStBl II 21, 680).

Der BFH begründet seine Entscheidung damit, dass ein Gebäude auch dann zu eigenen Wohnzwecken i. S. d. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 EStG genutzt wird, wenn es der Steuerpflichtige nur zeitweilig bewohnt, sofern es ihm in der übrigen Zeit als Wohnung zur Verfügung steht. Entsprechend liegt eine „Nutzung zu eigenen Wohnzwecken“ i. S. d. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 EStG auch hinsichtlich eines in der – im Übrigen selbst bewohnten – Eigentumswohnung befindlichen häuslichen Arbeitszimmers vor. Weder der Wortlaut des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 EStG noch die Gesetzesbegründung und der Gesetzeszweck bieten einen Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber ein häusliches Arbeitszimmer von der Begünstigung ausnehmen wollte.

Beachten Sie | Auf den Umfang der Nutzung des Arbeitszimmers zu eigenen Wohnzwecken kommt es in diesem Zusammenhang nicht an, denn § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 EStG enthält in Bezug auf dieses Merkmal keine Bagatellgrenze. Dementsprechend genügt bereits eine geringe Nutzung zu eigenen Wohnzwecken, um (typisierend) davon auszugehen, dass ein häusliches Arbeitszimmer stets auch zu eigenen Wohnzwecken im Sinne der Norm genutzt wird.

AUSGABE: GStB 4/2024, S. 129 · ID: 49911751

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