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Der praktische FallMitunternehmerschaft und sachliche Gewerbesteuerpflicht für eine juristische Sekunde
| Der BFH hatte sich jüngst mit der Frage zu beschäftigen, ob eine Personengesellschaft, die mit dem Ziel gegründet wurde, ein Wirtschaftsgut zu übernehmen und dieses durch Verkauf der Mitunternehmeranteile weiter zu übertragen, einen Gewerbebetrieb unterhält. Der folgende praktische Fall stellt diese aktuelle Entscheidung des BFH hinsichtlich der sachlichen Gewerbesteuerpflicht von Personengesellschaften dar. |.
1. Sachverhalt
Zum Vermögen der X-AG gehörte ein aus notleidenden und leistungsgestörten Darlehen bestehendes Kreditportfolio, welches veräußert werden sollte. Da die in dem Portfolio enthaltenen Darlehen nicht gekündigt worden beziehungsweise unkündbar waren, sollte die Veräußerung mittelbar erfolgen. Zu diesem Zweck gründete die X-AG im Dezember 2005 die X-KG. Alleinige Kommanditistin der X-KG war die AG. Komplementärin und Geschäftsführerin war die am Vermögen der KG nicht beteiligte X-GmbH, deren Anteile wiederum die X-AG zu 100 % hielt.
Im März 2006 schlossen die X-AG und die X-KG einen Ausgliederungsvertrag. Danach wurde das Kreditportfolio im Wege der Ausgliederung zur Aufnahme nach § 123 Abs. 3 Nr. 1 UmwG gegen Erhöhung der Kommanditeinlage der X-AG auf die X-KG übertragen. Daran anschließend veräußerte die X-AG sowohl ihren Kommanditanteil als auch die Geschäftsanteile an der X-GmbH. Dies erfolgte unter der aufschiebenden Bedingung der Eintragung der Ausgliederung im Handelsregister. Am Tag der Eintragung erfolgte darüber hinaus der Austritt der X-GmbH aus der X-KG. Dies hatte zur Folge, dass das Vermögen der X-KG im Wege der Anwachsung auf die Erwerberin überging.
Nach Abgabe einer Gewerbesteuererklärung für das Streitjahr wurde der Gewerbesteuermessbetrag unter dem Vorbehalt der Nachprüfung für die Erwerberin (als Rechtsnachfolgerin der X-KG) erklärungsgemäß auf 0 EUR festgesetzt. Nach einer Außenprüfung ging das Finanzamt von einem bisher nicht erfassten Veräußerungsgewinn aus der Veräußerung des Kommanditanteils aus. Einspruch und Klage der Erwerberin hatten keinen Erfolg.
2. Die Entscheidung des BFH vom 15.6.23, IV R 30/19
Der BFH kam zu dem Ergebnis, dass das Urteil der Vorinstanz aufzuheben sei, weil das FG bei seiner Entscheidung zur sachlichen Gewerbesteuerpflicht der X-KG unzutreffende Rechtsgrundsätze zugrunde gelegt hat, indem es nicht maßgeblich auf die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit der X-KG abgestellt hat, sondern im Wesentlichen auf die Absicht der an ihr beteiligten Gesellschafter.
2.1 Rechtlicher Rahmen
Bei natürlichen Personen und Personengesellschaften unterwirft das Gesetz die konkret ausgeübte werbende Tätigkeit der Gewerbesteuer. Deshalb beginnt die sachliche Gewerbesteuerpflicht erst, wenn alle tatbestandlichen Voraussetzungen eines (originären oder fiktiven) Gewerbebetriebs erfüllt sind und der Gewerbebetrieb in Gang gesetzt worden ist (z. B. BFH 1.9.22, IV R 13/20, BFHE 277, 423, Rz. 22).
Gewinnerzielungsabsicht und Teilnahme am wirtschaftlichen Verkehr entscheidend |
Beachten Sie | Maßgebend für den Beginn eines Gewerbebetriebs i. S. v. § 2 Abs. 1 GewStG ist der Beginn der werbenden Tätigkeit. Entscheidend ist, wann die Voraussetzungen für die erforderliche Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr tatsächlich erfüllt sind. Davon abzugrenzen sind bloße Vorbereitungshandlungen, die gewerbesteuerrechtlich noch unbeachtlich sind. Der Zeitpunkt des Beginns der werbenden Tätigkeit ist unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls zu ermitteln und kann für die verschiedenen Betriebsarten unterschiedlich zu bestimmen sein.
Was als werbende Tätigkeit in diesem Sinne anzusehen ist, richtet sich nach der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit; der Gesellschaftszweck laut Gesellschaftsvertrag hat hierbei nur Indizwirkung (z. B. BFH 13.10.16, IV R 21/13, BStBl II 17, 475, Rz. 39 ff.).
Auch die Tätigkeit einer i. S. d. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG gewerblich geprägten, vermögensverwaltenden Personengesellschaft führt zu einem stehenden Gewerbebetrieb i. S. d. § 2 Abs. 1 S. 1 GewStG, obwohl diese Gesellschaft keine originär gewerblichen Einkünfte erzielt. Denn auch hierbei handelt es sich um ein gewerbliches Unternehmen i. S. d. EStG (§ 2 Abs. 1 S. 2 GewStG), weil die Tätigkeit der Personengesellschaft infolge der steuerlichen Fiktion des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG als Gewerbebetrieb gilt.
Beachten Sie | Da die Tätigkeit einer gewerblich geprägten, vermögensverwaltenden Personengesellschaft nicht die Aufnahme einer originär gewerblichen Tätigkeit voraussetzt, hängt der Beginn der Gewerbesteuerpflicht bei einer solchen Personengesellschaft indes nicht davon ab, dass diese die in § 15 Abs. 2 EStG aufgeführten Tatbestandsmerkmale verwirklicht. Vielmehr ist hier für den Beginn des Gewerbebetriebs (nur) auf den Beginn der werbenden Tätigkeit abzustellen, sodass die (sachliche) Gewerbesteuerpflicht mit der Aufnahme ihrer vermögensverwaltenden Tätigkeit beginnt.
Was als werbende Tätigkeit anzusehen ist, richtet sich auch hier nach dem von der Gesellschaft verfolgten Gegenstand ihrer Tätigkeit. Dabei kann gleichfalls – als Indiz – auf den im Gesellschaftsvertrag beschriebenen Gegenstand des Unternehmens zurückgegriffen werden. Letztlich maßgeblich ist auch bei der gewerblich geprägten Personengesellschaft aber die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit.
Ist eine Personengesellschaft allerdings zu dem Zweck gegründet worden, eine originär gewerbliche Tätigkeit zu entfalten und erfüllt diese Gesellschaft im Übrigen die Merkmale des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG, so beginnt der Gewerbebetrieb nicht allein wegen der in der Vorbereitungsphase üblicherweise anfallenden vermögensverwaltenden Tätigkeiten bereits mit deren Aufnahme (BFH 4.5.17, IV R 2/14, BStBl II 17, 1138, Rz. 40).
2.2 Anwendung auf den Urteilssachverhalt
Ausgehend von diesen Grundsätzen gilt für den Beginn der Gewerbesteuerpflicht der X-KG, dass Unternehmensgegenstand einer Personengesellschaft nicht die Veräußerung ihrer Anteile durch ihre Gesellschafter sein kann. Die X-KG hat ein Kreditportfolio erworben und – wenn auch nur für eine juristische Sekunde – gehalten. Da keine Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass sie mit dem Kreditportfolio selbst am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr im Bereich der Kreditvergabe und Kreditverwaltung teilnehmen wollte, handelt es sich bei der Tätigkeit der X-KG – Erwerb und Halten eines Kreditportfolios – um eine vermögensverwaltende Tätigkeit.
Der Annahme eines Gewerbebetriebs und damit einhergehend einer sachlichen Gewerbesteuerpflicht der X-KG nach § 2 Abs. 1 GewStG steht nach Ansicht des entscheidenden Senats nicht entgegen, dass die X-KG ihre werbende Tätigkeit nur in einer juristischen Sekunde ausgeübt hat. Vielmehr könne eine Personengesellschaft sowohl Mitunternehmerschaft sein als auch als gewerblich geprägte Personengesellschaft einen Gewerbebetrieb unterhalten, wenn sie nur für eine juristische Sekunde Inhaberin von zu verwaltendem Vermögen wird, bevor sie durch Ausscheiden ihres vorletzten Gesellschafters und Anwachsung des Vermögens bei dem verbleibenden Gesellschafter liquidationslos beendet wird. Dies war vorliegend der Fall.
Eine Mitunternehmerschaft kann im Einzelfall auch gegeben sein, wenn sie nur für eine juristische Sekunde besteht. Für die Frage, ob jemand Mitunternehmerinitiative ausüben kann und Mitunternehmerrisiko trägt, reiche die abstrakte, strukturelle Möglichkeit; auf die konkrete Möglichkeit, innerhalb der Zeit der Beteiligung als Gesellschafter einer Mitunternehmerschaft Mitunternehmerrisiko zu tragen und Mitunternehmerinitiative ausüben zu können, komme es nicht an – so der BFH.
Beachten Sie | Kann der einzelne Gesellschafter danach nur innerhalb einer juristischen Sekunde Mitunternehmer sein, muss es auch möglich sein, dass eine Mitunternehmerschaft nur für eine solche juristische Sekunde besteht. Denn wie der Streitfall zeigt, können sich selbst in einer juristischen Sekunde für eine Mitunternehmerschaft bedeutende Geschäftsvorfälle ereignen (Erwerb eines Wirtschaftsguts, Veräußerung der Anteile an der Mitunternehmerschaft, Vollbeendigung der Mitunternehmerschaft).
Des Weiteren kann eine gewerblich geprägte Personengesellschaft einen Gewerbebetrieb auch dann unterhalten, wenn sie nur für eine juristische Sekunde Inhaberin von zu verwaltendem Vermögen wird. Aus § 2 GewStG lässt sich nicht entnehmen, dass ein Gewerbebetrieb voraussetzt, dass die gewerbliche Tätigkeit über eine bestimmte (Mindest-)Zeit ausgeübt wird. Ebenso wenig ergibt sich aus § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG, dass die mit Einkünfteerzielungsabsicht unternommene Tätigkeit eine bestimmte Mindestzeit umfassen muss, um als fiktiver Gewerbebetrieb im Sinne dieser Vorschrift zu gelten.
Beachten Sie | Im Streitfall hat der BFH die Sache an das FG zurückverwiesen, da dieses bislang keine Feststellungen zur Höhe eines etwa gegebenen Veräußerungsgewinns getroffen hat. Zudem hat es die Frage offengelassen, ob der X-KG möglicherweise eine Regressforderung gegen die X-AG auf Freistellung von der Gewerbesteuer zusteht und ob und ggf. welche Folgen sich daraus für die Höhe des im angegriffenen Gewerbesteuermessbescheid festgesetzten Gewerbesteuermessbetrags ergeben.
3. Fazit
Mit dem Urteil entwickelt der BFH seine bisherige Rechtsprechung zum Beginn der sachlichen Gewerbesteuerpflicht von gewerblich geprägten Personengesellschaften fort. Er kommt dabei zu dem Ergebnis, dass sowohl eine Mitunternehmerschaft als auch die sachliche Gewerbesteuerpflicht für nur eine juristische Sekunde begründet werden können.
Zudem stellt der BFH nochmals klar, dass für den Beginn eines Gewerbebetriebes i. S. d. GewStG auf den Beginn der werbenden Tätigkeit abzustellen ist. Maßgebender Zeitpunkt hierfür sei bei gewerblich geprägten Personengesellschaften die Aufnahme der vermögensverwaltenden Tätigkeit, wenn die Personengesellschaft nicht gegründet wurde, um eine originär gewerbliche Tätigkeit zu entfalten. Zudem ist hervorzuheben, dass für den BFH diesbezüglich die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit der Gesellschaft entscheidend ist, während dem Gesellschaftszweck laut Gesellschaftsvertrag lediglich indizielle Wirkung zukommt (vgl. hierzu auch Hahn, StuB 23, 890).
Die Herleitung der Begründung des IV. Senats, wonach die abstrakte, strukturelle Möglichkeit, Mitunternehmerinitiative auszuüben und Mitunternehmerrisiko zu tragen, für die Bejahung der Mitunternehmerstellung eines Gesellschafters ausreicht, vermag zu überzeugen. Aus diesem Umstand leitet der BFH folgerichtig ab, dass auch eine Mitunternehmerschaft nur für eine juristische Sekunde bestehen kann und weist darauf hin, dass sich selbst in einer juristischen Sekunde für eine Mitunternehmerschaft bedeutende Geschäftsvorfälle ereignen können. Ferner ergebe sich eine „Mindestbestehenszeit“ für einen Gewerbebetrieb weder aus dem EStG noch aus dem GewStG. Die Entscheidung des BFH wirkt sich auf den Urteilsfall in der Form aus, dass auf Ebene der Personengesellschaft der Veräußerungsgewinn gem. § 7 S. 2 Nr. 2 GewStG der Gewerbesteuer zu unterwerfen ist, soweit dieser nicht auf eine natürliche Person als unmittelbar beteiligter Mitunternehmer entfällt.
Zum Autor | Gerrit Uphues ist in der Finanzverwaltung NRW tätig. Der Aufsatz wurde nicht in dienstlicher Eigenschaft verfasst.
AUSGABE: GStB 3/2024, S. 78 · ID: 49794649