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KapitalgesellschaftenNachträgliche Anschaffungskosten bei stehen gelassenen Gesellschafterdarlehen

Abo-Inhalt01.03.202414 Min. LesedauerVon StB/vBP Prof. Dr. Hans Ott, Köln

| Bei einem zu mindestens 10 % an einer GmbH beteiligten Gesellschafter ist der Ausfall einer wertlosen Regressforderung aus einer stehen gelassenen Bürgschaft zu 100 % als Verlust bei den Einkünften nach § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 i. V. m. Abs. 4 EStG zu berücksichtigen. Dies hatte der BFH erst jüngst mit Urteil vom 20.6.23 (IX R 2/22, GStB 23, 407 ff.) klargestellt. Im Anschluss daran hat der BFH nun bei einem antragsbedingt bereits rückwirkend anzuwendenden § 17 Abs. 2a EStG die bisher strittige Frage zur Höhe der nachträglichen Anschaffungskosten nach § 17 Abs. 2a S. 3 Nr. 2 EStG bei einem in der Krise stehen gelassenen Gesellschafterdarlehen geklärt (BFH 18.7.23, IX R 21/21). Auch diese Entscheidung dürfte in der Praxis für mehr Rechtssicherheit sorgen. |

1. In der Krise stehen gelassene Gesellschafterdarlehen

Nach dem BFH-Urteil vom 18.7.23 ist ein in der Krise stehen gelassenes und später insolvenzbedingt ausgefallenes Gesellschafterdarlehen gemäß § 17 Abs. 2a S. 3 Nr. 2 EStG mit dem Teilwert zum Zeitpunkt des Eintritts der Krise zu bewerten. Beträgt der Teilwert beim Kriseneintritt 0 EUR, kann der Darlehensverlust im Rahmen des § 17 EStG nicht als nachträgliche Anschaffungskosten der Beteiligung berücksichtigt werden. In einem solchen Fall kann der Darlehensausfall jedoch bei den Einkünften aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 2 EStG berücksichtigt werden. Dies setzt allerdings voraus, dass die Darlehensforderung nach dem 31.12.08 erworben worden ist.

Mit Urteil vom 11.7.17 (IX R 36/15) hatte der BFH seine Rechtsprechung zur Berücksichtigung nachträglicher Anschaffungskosten bei ausgefallenen Finanzierungshilfen des Gesellschafters im Rahmen des § 17 EStG geändert. Laut BFH sind die zuvor geltenden Grundsätze aus Gründen des Vertrauensschutzes weiter anzuwenden, wenn der Gesellschafter eine eigenkapitalersetzende Finanzierungshilfe bis zum 27.9.17 geleistet hat oder wenn eine Finanzierungshilfe bis zu diesem Tag eigenkapitalersetzend geworden ist (vgl. BMF 5.4.19, IV C 6 – S 2244/17/10001, BStBl I 19, 257). Die Frage, ob auf den Vertrauensschutz verzichtet werden kann, wenn eine Berücksichtigung ausgefallener Finanzierungshilfen nach § 20 Abs. 2 EStG vor dem zeitlichen Anwendungsbereich des § 17 Abs. 2a EStG für den Steuerpflichtigen günstiger ist, hat inzwischen das FG Düsseldorf (19.1.23, 14 K 1638/20 E, Rev. BFH: IX R 12/23) bejaht.

Wenig später hat der BFH (24.10.17, VIII R 13/15, BStBl II 20, 831) entschieden, dass Forderungsverluste auch bei den Einkünften aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7, S. 2 und Abs. 4 EStG – vorbehaltlich des nach § 20 Abs. 8 EStG vorrangig anzuwendenden § 17 EStG – berücksichtigt werden können. Der Gesetzgeber hat mit der Einfügung des § 17 Abs. 2a EStG sowie den Änderungen in den §§ 20 Abs. 6 und 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b EStG auf die Rechtsprechung reagiert. Die Finanzverwaltung hat sich hierzu mit BMF-Schreiben vom 7.6.22 (IV C 6 – S 2244/20/10001 :001, BStBl I 22, 897) umfassend geäußert.

2. Das BFH-Urteil vom 18.7.23

Dem BFH-Urteil vom 18.7.23 lag folgender Sachverhalt zugrunde: A, der an der X-GmbH i. S. v. § 17 EStG beteiligt war, hatte dieser im Jahr 1997 ein Darlehen von 500.000 DM gewährt. Im Jahr 2004 wurde der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der X-GmbH gestellt. Zu diesem Zeitpunkt war die Darlehensforderung unstreitig wertlos. A hatte im Streitjahr 09 unter rückwirkender Anwendung des § 17 Abs. 2a i. V. m. 52 Abs. 25a S. 2 EStG beantragt, den Ausfall des stehen gelassenen Darlehens als nachträgliche Anschaffungskosten im Rahmen des insolvenzbedingten Verlusts seiner Beteiligung zu berücksichtigen. Das Finanzamt lehnte dies ab.

Das angerufene FG Berlin-Brandenburg hat die Berücksichtigung des Darlehensverlusts als nachträgliche Anschaffungskosten mit Urteil vom 4.6.21 (5 K 5188/19, EFG 22, 160) mit der Begründung abgelehnt, der Ausfall des stehen gelassenen Darlehens könne nur mit 0 EUR berücksichtigt werden. Weil eine ausdrückliche Regelung zur Höhe der nachträglichen Anschaffungskosten in § 17 Abs. 2a S. 3 Nr. 2 EStG fehlt, seien die Rechtsprechungsgrundsätze des BFH zur Berücksichtigung ausgefallener Finanzierungshilfen des Gesellschafters einer Kapitalgesellschaft im Rahmen des § 17 EStG vor Geltung des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) weiter anzuwenden.

Der BFH hat die Revision gegen das Urteil als unbegründet zurückgewiesen. Er hat bestätigt, dass der Ausfall eines in der Krise stehen gelassenen Darlehens nur in Höhe des Teilwerts der Darlehensforderung zum Zeitpunkt des Kriseneintritts zu nachträglichen Anschaffungskosten i. S. d. § 17 Abs. 2a S. 3 Nr. 2 EStG und der spätere Ausfall nicht zu einem relevanten Darlehensverlust i. S. v. § 17 Abs. 2a S. 3 Nr. 2 EStG führt. Gleichzeitig hat der BFH damit die im Schrifttum vertretene Ansicht abgelehnt, wonach auch nach der Einfügung des § 17 Abs. 2a EStG bei einem in der Krise stehen gelassenen Gesellschafterdarlehen – ebenso wie bei von vornherein gesellschaftsrechtlich veranlassten Krisendarlehen – der Nennwert der ausgefallenen Forderung als nachträgliche Anschaffungskosten i. S. d. § 17 Abs. 2a EStG zu berücksichtigen ist (vgl. z. B. Levedag in: Schmidt, EStG, § 17 Rz. 189 m. w. N.).

3. Höhe der nachträglichen Anschaffungskosten

Zur Höhe der nachträglichen Anschaffungskosten trifft § 17 Abs. 2a S. 3 EStG bedauerlicherweise keine Aussage. Wie sich jedoch aus den Gesetzesmaterialien ergibt, wollte der Gesetzgeber nach Ansicht des BFH im Urteil vom 18.7.23 jedoch an die vor der Änderung der Rechtsprechung (mit dem o. a. Urteil vom 11.7.17) geltenden Grundsätze anknüpfen. Zu diesem Zweck soll mit § 17 Abs. 2a S. 3 Nr. 2 EStG sichergestellt werden, dass aus gesellschaftsrechtlicher Veranlassung gewährte oder in der Krise stehen gelassene Darlehen als nachträgliche Anschaffungskosten weiterhin steuermindernd berücksichtigt werden können und sich auch deren Höhe nach dem Begriff der Anschaffungskosten in § 17 Abs. 2 EStG a. F. richtet (vgl. dazu BMF 7.6.22, IV C 6 – S 2244/20/10001 :001, BStBl I 22, 897). Der erforderliche Veranlassungszusammenhang zwischen der Beteiligung und den gesellschafterbezogenen Aufwendungen sei in der gesellschaftsrechtlichen Veranlassung nach § 17 Abs. 2a S. 3 Nr. 2 und S. 4 EStG festgeschrieben und bestehe nur in Höhe des Teilwerts des Darlehens bei Eintritt in die Krise. Die gesellschaftsrechtliche Veranlassung tritt nämlich erst ein, wenn ein fremder Dritter das Darlehen bei Eintritt in die Krise zurückgefordert hätte (vgl. BFH 4.11.97, VIII R 18/94, BStBl II 99, 344).

Merke | Für eine Beibehaltung der bisherigen Bewertungsgrundsätze spricht auch, dass die erforderliche gesellschaftsrechtliche Veranlassung nach § 17 Abs. 2a S. 4 EStG auf den Moment des Eintritts in die Krise abstellt und regelmäßig vorliegt, wenn ein fremder Dritter das Darlehen bei sonst gleichen Umständen zurückgefordert oder nicht gewährt hätte. Diese Differenzierung kommt auch durch die Verwendung des Wortes „soweit“ in § 17 Abs. 2a S. 3 Nr. 2 EStG zum Ausdruck. Denn nach Ansicht des BFH wäre es widersprüchlich, für die gesellschaftsrechtliche Veranlassung als Tatbestandsmerkmal auf den Moment des Kriseneintritts, auf der Rechtsfolgenseite für die Bewertung jedoch auf den Zeitpunkt der Darlehensgewährung durch die Berücksichtigung des Nennbetrags abzustellen (vgl. auch Levedag, GmbHR 24, 41).

Mit dem Urteil vom 18.7.23 hat der BFH insoweit Klarheit geschaffen. Oftmals wird der Teilwert der Darlehensforderung – wie im Urteilsfall – allerdings 0 EUR betragen, sodass eine tatsächliche Berücksichtigung nach § 17 Abs. 2a EStG entfällt. Der BFH hat sich damit nicht der Sichtweise angeschlossen, womit das Darlehen im Zeitpunkt der Krise mit der noch offenen Rückzahlungsforderung in eine gesellschaftsrechtliche Verstrickung zur Beteiligung eintritt und ein Darlehensverlust mit dem Ausfallbetrag nach § 17 Abs. 2a S. 3 Nr. 2 EStG zu berücksichtigen ist (vgl. dazu Levedag, GmbHR 21, 14). Schließlich hat sich der BFH auch nicht mit § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO auseinandergesetzt. Danach werden – mit Ausnahme eines mit 10 % oder weniger beteiligten nicht geschäftsführenden Gesellschafters (§ 39 Abs. 5 InsO) – Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz der GmbH stets nur nachrangig berücksichtigt, sodass von einer gesellschaftsrechtlichen Veranlassung bereits bei der Darlehenshingabe ausgegangen werden könnte.

4. Berücksichtigung bei den Einkünften aus Kapitalvermögen

Aufgrund der festgestellten nachträglichen Anschaffungskosten von 0 EUR kam im Urteilsfall die Anwendung von § 17 Abs. 2a EStG nicht in Betracht. Im Anschluss an das Urteil vom 20.6.23 hat der BFH daher geprüft, ob eine Berücksichtigung des Darlehensverlusts nach § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 i. V. m. Abs. 2 S. 2 EStG möglich ist. Soweit nämlich der Ausfall einer Finanzierungshilfe nicht von § 17 Abs. 2a EStG erfasst wird, steht der Anwendung des § 20 Abs. 2 EStG auch die Regelung in § 20 Abs. 8 EStG nicht entgegen, wonach § 17 EStG vorrangig vor § 20 EStG anzuwenden ist. Die Anwendung des § 20 Abs. 2 EStG verlangt jedoch eine zweistufige Vorgehensweise:

  • Im ersten Schritt ist die grundsätzliche Anwendung von § 20 Abs. 2 EStG zu prüfen. Denn nur bei einem stehen gelassenen Gesellschafterdarlehen, das nach dem 31.12.08 – also nach Einführung der Abgeltungsteuer – erworben worden ist, kann der Ausfallverlust bei den Einkünften aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 i. V. m. Abs. 2 S. 2 EStG berücksichtigt werden, soweit § 17 EStG nicht vorrangig zur Anwendung kommt (vgl. BFH 14.1.20, IX R 9/18, BStBl II 20, 490). Beim Erwerb der Darlehensforderung vor dem 1.1.09 ist dagegen eine Berücksichtigung nach § 20 Abs. 2 EStG ausgeschlossen.
  • Beachten Sie | Bei einer als Kontokorrent ausgestalteten Darlehensvereinbarung erfolgt laut FG Berlin-Brandenburg der Erwerb der Darlehensforderung nicht bereits bei Abschluss des Darlehensvertrags, sondern erst mit der tatsächlichen Auszahlung der Darlehenssumme (vgl. FG Berlin-Brandenburg 12.6.23, 7 K 7115/21, Rev. BFH: VIII R 25/23, EFG 23, 1682).
  • Im zweiten Schritt ist zu prüfen, ob der Ausfallverlust bei einem zu mindestens 10 % an der darlehensnehmenden GmbH beteiligten Gesellschafter nach § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b EStG aus dem gesonderten Abgeltungsteuertarif ausgeschlossen ist und dem Normaltarif nach § 32a EStG unterliegt. Ist dies der Fall, kann der Ausfallverlust nach § 32d Abs. 2 S. 2 EStG mit anderen positiven Einkünften verrechnet werden.

Spätestens ab dem VZ 2024 fällt nach der Änderung des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b EStG der unter § 20 Abs. 2 EStG fallende Ausfallverlust dagegen – auch bei einem zu mindestens 10 % an der Kapitalgesellschaft beteiligten Gesellschafter – unter die Verlustverrechnungsbeschränkung gem. § 20 Abs. 6 S. 6 EStG. Danach können solche Verluste jährlich nur i. H. v. 20.000 EUR mit positiven Einkünften aus Kapitalvermögen ausgeglichen werden. Nicht verrechnete Verluste werden vorgetragen und dürfen je Folgejahr nur bis zur Höhe von 20.000 EUR verrechnet werden. In vielen Fällen läuft damit die Verlustverrechnung leer bzw. wird über sehr lange Zeiträume gestreckt.

Die geänderte und zugleich verschärfte Fassung des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b EStG verlangt nunmehr ein Korrespondenzverhältnis. Danach müssen den Kapitalerträgen beim Empfänger korrespondierende Betriebsausgaben zugrunde liegen, die inländische Einkünfte der Kapitalgesellschaft mindern (vgl. nur Levedag, GmbHR 24, 41, 44). Nach § 52 Abs. 33b S. 1 EStG ist die geänderte Fassung des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b EStG spätestens ab dem VZ 2024 anzuwenden. Nach dem o. a. BMF-Schreiben vom 7.6.22 wendet die Finanzverwaltung die geänderte Fassung auf Darlehensverluste des Gesellschafters an, da den betreffenden Einkünften des Gesellschafters keine Betriebsausgaben gegenüberstehen (vgl. dazu auch BMF 19.5.22, IV C 1 – S 2252/19/10003 :009, Rn. 135). Dies führt zu gravierenden Nachteilen, sofern Darlehensverluste nicht vorrangig nach § 20 Abs. 8 EStG als nachträgliche Anschaffungskosten i. S. d. § 17 Abs. 2a S. 3 Nr. 2 EStG zu berücksichtigen sind.

Zu der geänderten Fassung des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b EStG wird im Schrifttum zum Teil die Ansicht vertreten, die Vorschrift lasse eine Auslegung in dem Sinne zu, dass Veräußerungs- oder Ausfallverluste eines Gesellschafters gem. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 EStG auch weiterhin aus der Abgeltungsteuer ausgeschlossen sind. Dies hätte zur Folge, dass diese Verluste bei einem zu mindestens 10 % beteiligten Gesellschafter weiterhin nicht unter § 20 Abs. 6 EStG fallen (vgl. z. B. Förster, DStR 23, 1041, 1047). Dass der BFH dieser Ansicht folgen wird, ist aber eher unwahrscheinlich.

Beachten Sie | In der jüngeren Rechtsprechung des BFH wird lediglich darauf hingewiesen, dass die Änderung des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b EStG keine Rückwirkung entfaltet und Gestaltungen entgegenwirken soll, bei denen Verluste i. S. d. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 EStG aus der Veräußerung von Kapitalforderungen an die Gesellschaft erzeugt werden, die in voller Höhe mit tariflichen Einkünften verrechnet werden können (vgl. BFH 30.11.22, VIII R 15/19, BStBl II 23, 632; 30.11.22, VIII R 27/19, BStBl II 23, 330).

5. Berücksichtigung ausgefallener Gesellschafterdarlehen

Unter Berücksichtigung des vorstehenden Urteils vom 18.7.23 können ausgefallene Gesellschafterdarlehen grundsätzlich nach § 17 Abs. 2a S. 3 Nr. 2 EStG als nachträgliche Anschaffungskosten der Beteiligung berücksichtigt werden. Voraussetzung ist, dass ein Realisationstatbestand i. S. d. § 17 Abs. 1, 4 oder 5 EStG nach dem 31.7.19 verwirklicht oder nach § 52 Abs. 25a S. 2 EStG die rückwirkende Anwendung von § 17 Abs. 2a S. 1 bis 4 EStG auch für Veräußerungen bis zum 31.7.19 einschließlich beantragt wird. Für die Bestimmung der nachträglichen Anschaffungskosten, zu der § 17 Abs. 2a EStG keine Regelung enthält, lassen sich nach dem o. a. BMF-Schreiben vom 7.6.22 folgende Fallgruppen unterscheiden:

Übersicht / Nachträgliche Anschaffungskosten (§ 17 Abs. 2a S. 3 Nr. 2 EStG)

Fallgruppe
Sachverhalt
Höhe der nachträglichen Anschaffungskosten
1
Hingabe des Darlehens in der Krise
Nennwert (Rn. 11)
2
Krisenbestimmtes Darlehen
Nennwert (Rn. 12)
3
Finanzplandarlehen
Nennwert (Rn. 14 und 15)
4
In der Krise stehengelassenes Darlehen
Nur der im Zeitpunkt des Eintritts der Krise noch werthaltige Teil der Forderung (Rn. 16 bis 18). Der nicht mehr werthaltige Teil der Forderung ist nur im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen unter den dortigen Voraussetzungen zu berücksichtigen.

Während in den Fallgruppen 1 bis 3 stets nachträgliche Anschaffungskosten i. S. d. § 17 Abs. 2a S. 3 Nr. 2 EStG in Höhe des Nennwerts entstehen, führt bei einem stehen gelassenen Darlehen (Fallgruppe 4) nur der bei Eintritt in die Krise noch werthaltige Teil der Forderung zu nachträglichen Anschaffungskosten i. S. d. § 17 Abs. 2a S. 3 Nr. 2 EStG, während der nicht werthaltige Teil nur im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen ggf. zu berücksichtigen ist. Die Berücksichtigung nach § 20 Abs. 2 EStG, die ab dem VZ 2024 regelmäßig zur Anwendung der Verlustverrechnungsbeschränkung nach § 20 Abs. 6 S. 6 EStG führt, setzt voraus, dass die Kapitalforderung nach dem 31.12.08 gewährt oder erworben wurde.

Die nachteiligen Folgen der Verlustverrechnungsbeschränkung nach § 20 Abs. 6 S. 6 EStG lassen sich nur vermeiden, wenn bei Gesellschafterdarlehen von vornherein eine gesellschaftsrechtliche Veranlassung durch eine Krisenbestimmung (Fallgruppe 2) herbeigeführt wird (vgl. Demuth, NWB 23, 2398; Ott DStZ 23, 566). Dazu ist bereits zum Zeitpunkt der Darlehenshingabe die bindende Erklärung gegenüber der Kapitalgesellschaft erforderlich, das Darlehen auch in der Krise stehen zu lassen, d. h. auf eine ordentliche oder außerordentliche Kündigung zu verzichten. In einem solchen Fall kann ein etwaiger Darlehensverlust als nachträgliche Anschaffungskosten vorrangig nach § 17 Abs. 2a S. 3 Nr. 2 EStG zumindest zu 60 % nach dem Teileinkünfteverfahren berücksichtigt werden (vgl. auch Deutschländer, NWB 23, 2829, 2834 f.) Die vorrangige Anwendung von § 17 Abs. 2a EStG setzt bei einer Krisenbestimmung im vorstehenden Sinne lediglich voraus, dass der Gesellschafter zu mindestens 1 % i. S. v. § 17 EStG an der Kapitalgesellschaft unmittelbar beteiligt ist.

Bei der Berücksichtigung von Darlehensverlusten des Gesellschafters ist hinsichtlich der durchaus unterschiedlichen Zeitpunkte wie folgt zu unterscheiden:

  • Bei den Einkünften aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 2 EStG setzt die Berücksichtigung des Verlusts voraus, dass die Darlehensforderung endgültig uneinbringlich ist (vgl. die o. a. BMF-Schreiben vom 19.5.22, BStBl I 22, 742, Rn. 60; 7.6.22, BStBl I 22, Rn. 24, jeweils unter Hinweis auf BFH 24.10.17, VIII R 13/15, BStBl II 20, 831 sowie auf BFH 1.7.21, VIII R 28/18, BStBl II 21, 911). Von einem solchen endgültigen Forderungsausfall ist auszugehen, wenn feststeht, dass keine Rückzahlung mehr stattfindet, also dem Gläubiger keine Möglichkeit zur Durchsetzung seines Anspruchs mehr offensteht. Eine Verlustberücksichtigung ist insbesondere bereits dann möglich, wenn die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners mangels Masse abgelehnt wird. Wird das Insolvenzverfahren eröffnet, ist ggf. erst dessen Abschluss maßgeblich, es sei denn, der Insolvenzverwalter hat gegenüber dem Insolvenzgericht die Masseunzulänglichkeit gemäß § 208 Abs. 1 S. 1 InsO angezeigt.
  • Dagegen setzt die Berücksichtigung des Darlehensverlusts nach § 17 Abs. 2a S. 3 Nr. 2 EStG voraus, dass ein Veräußerungstatbestand i. S. v. § 17 Abs. 1, 4 oder 5 EStG realisiert wird, weil erst dann nachträgliche Anschaffungskosten zur Ermittlung des Veräußerungsgewinns oder -verlusts herangezogen werden. Bei einer insolvenzbedingten Auflösung der Kapitalgesellschaft nach § 17 Abs. 4 EStG muss feststehen, dass mit einer Auskehrung aus dem Gesellschaftsvermögen an den Gesellschafter und mit einer wesentlichen Änderung des Auflösungsgewinns oder -verlusts nicht mehr zu rechnen ist (vgl. z. B. BFH 19.11.19, IX R 7/19, BFH/NV 20, 675; 12.12.00, VIII R 36/97, BFH/NV 01, 761; 13.3.18, IX R 38/16, BFH/NV 18, 721).

6. Gestaltungsmöglichkeiten nach dem 31.12.23

Sofern bei einem stehen gelassenen Darlehen bis zum 31.12.23 keine Maßnahmen ergriffen worden sind (z. B. ein Forderungsverzicht, Veräußerung der Forderung), fällt der beim Kriseneintritt nicht mehr werthaltige Teil der Darlehensforderung beim späteren insolvenzbedingten Ausfall oder bei einem Darlehensverzicht ab dem VZ 2024 unter die Einkünfte aus Kapitalvermögen und unterliegt der eingeschränkten Verlustberücksichtigung nach § 20 Abs. 6 S. 6 EStG. Entsprechendes gilt, wenn auf ein stehen gelassenes Darlehen mit Besserungsabrede noch bis zum 31.12.23 verzichtet worden ist, weil nach der umstrittenen Verwaltungsauffassung in Rn. 62 des o. a. BMF-Schreibens vom 19.5.22 eine Verlustberücksichtigung erst möglich ist, wenn der Besserungsschein wegfällt, ohne dass eine Besserung eingetreten ist.

Dieser Ansicht ist das FG München (17.2.22, 11 K 2371/18, Rev. BFH: VIII R 8/22, EFG 22, 1371) zu Recht entgegengetreten. Das Gericht hat entschieden, dass der Verlust bereits zum Zeitpunkt des Forderungsverzichts zu berücksichtigen ist (vgl. Ott, DStR 23, 1569, 1574, Förster, DStR 23, 1041, 1047).

Beachten Sie | Nach der Verwaltungsauffassung in Rn. 19 des o. a. BMF-Schreibens vom 7.6.22 führt ein Verlust aus der Veräußerung eines Darlehens in allen im obigen Schaubild aufgeführten vier Fallgruppen nicht zu nachträglichen Anschaffungskosten der Beteiligung i. S. v. § 17 Abs. 2a S. 3 Nr. 2 EStG, sondern kann nur nach § 20 Abs. 2 i. V. m. Abs. 6 S. 6 EStG berücksichtigt werden.

Um die Anwendung der Verlustverrechnungsbeschränkung nach § 20 Abs. 6 S. 6 EStG in den vorgenannten Fällen zu vermeiden, kommt ggf. in Betracht, im Wege des sog. Cash-Circle (vgl. dazu Ott, GStB 22, 434) der Kapitalgesellschaft durch Bareinlagen liquide Mittel zuzuführen, um damit das Gesellschafterdarlehen anschließend zu tilgen (vgl. Demuth, NWB 23, 3112). Nach dem BFH-Urteil vom 20.7.18 (IX R 5/15, BStBl II 19, 194) ist der Cash-Circle regelmäßig nicht rechtsmissbräuchlich i. S. d. § 42 AO. Die Bareinlagen, die auf der Gesellschaftsebene als verdeckte Einlage steuerneutral sind und zu einem Zugang zum steuerlichen Einlagekonto i. S. d. § 27 KStG führen, sind beim Gesellschafter nach § 17 Abs. 2a S. 3 Nr. 1 EStG als nachträgliche Anschaffungskosten der Beteiligung zu berücksichtigen und können z. B. bei der Veräußerung der GmbH-Anteile oder bei der Liquidation der GmbH nach § 17 EStG im Teileinkünfteverfahren zumindest zu 60 % berücksichtigt werden.

Durch die „Umwandlung“ von stehen gelassenen Darlehen in Einlagen lässt sich die nur eingeschränkte und ggf. über viele Jahre gestreckte Verlustberücksichtigung nach § 20 Abs. 6 S. 6 EStG vermeiden. Abgesehen davon, dass der Cash-Circle ausreichend verfügbare liquide Mittel voraussetzt, sind jedoch die insolvenzrechtlichen Anfechtungsmöglichkeiten im Hinblick auf das zurückgezahlte Gesellschafterdarlehen zu beachten.

Fazit | Nach dem BFH-Urteil vom 18.7.23 kann der Ausfall eines stehen gelassenen Gesellschafterdarlehens nach § 17 Abs. 2a S. 3 Nr. 2 EStG nur mit dem werthaltigen Teil der Forderung zum Zeitpunkt des Kriseneintritts als nachträgliche Anschaffungskosten der Beteiligung berücksichtigt werden. Somit besteht Klarheit, dass die früheren von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Berücksichtigung von Darlehensverlusten des Gesellschafters auch im zeitlichen Anwendungsbereich des § 17 Abs. 2a EStG fortgelten. Soweit aufgrund des Wertverlusts einer Darlehensforderung bei Kriseneintritt die Anwendung von § 17 Abs. 2a EStG nicht in Betracht kommt, ist der Darlehensverlust bei den Einkünften aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 2 EStG zu berücksichtigen. Spätestens ab dem VZ 2024 greift jedoch die Verlustverrechnungsbeschränkung nach § 20 Abs. 6 S. 6 EStG, sodass eine Verlustberücksichtigung oftmals leerläuft oder über sehr lange Zeiträume gestreckt wird. Daher sollten Gesellschafterdarlehen von vornherein mit einer Krisenbestimmung versehen werden, damit eine Berücksichtigung nach § 17 Abs. 2a S. 3 Nr. 2 EStG in Betracht kommt. Alternativ könnten stehen gelassene Darlehen unter Anwendung eines sog. Cash-Circle durch Einlage liquider Mittel mit anschließender Tilgung des Darlehens in berücksichtigungsfähige Anschaffungskosten i. S. d. § 17 Abs. 2a S. 3 Nr. 1 EStG „umgewandelt“ werden.

AUSGABE: GStB 3/2024, S. 86 · ID: 49866163

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