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KindesunterhaltSo klappt‘s auch beim Wechselmodell

Abo-Inhalt10.10.20232247 Min. LesedauerVon RAin Thurid Neumann, FAin Familienrecht, Mediatorin, CP-Anwältin, Neumann & Neumann, Konstanz

| Das Wechselmodell setzt eine gute Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit und -bereitschaft beider Elternteile voraus. Dies zeigt sich auch bei der Regelung des Kindesunterhalts, dem Bezug und der Aufteilung des Kindergeldes und dem Wohnsitz des Kindes. |

1. Bar- und Betreuungsunterhalt gilt für beide Elternteile

Beim Wechselmodell ist jeder Elternteil bar- und betreuungsunterhaltspflichtig (BGH FamRZ 17, 437). Der Bedarf des Kindes richtet sich nach dem addierten bereinigten Einkommen der Eltern und wird der jeweils gültigen Düsseldorfer Tabelle (DT) entnommen. Hinzu kommen kann ein Mehrbedarf des Kindes, wie z. B. Kosten für den Schul- und Kindergartenbesuch einschließlich Transfer, Hortkosten (BGH FamRZ 09, 962) und u. U. auch ein Wohnmehrbedarf. Ob und in welcher Höhe ein Wohnmehrbedarf besteht, ist einem Vergleich zwischen den tatsächlich auf das Kind entfallenden Wohnkosten und den mit 20 Prozent im Tabellenbetrag einkalkulierten Kosten zu entnehmen. Dies ist im Einzelfall problematisch, wenn ein Elternteil z. B. im Eigenheim lebt und bei der Ermittlung seines Einkommens ein Wohnvorteil berücksichtigt wurde.

Praxistipp | Ohne konkreten Vortrag zu den Wohnmehrkosten können diese nicht beim Bedarf des Kindes berücksichtigt werden.

Ob auch Kosten für Hobbys wie Sport und Musik als Mehrbedarf zu berücksichtigen sind, hängt von der Höhe des zugrunde gelegten Tabellenbetrags ab, da diese Kosten bei erhöhten Unterhaltsbeträgen bereits von diesen gedeckt sind (BGH FamRZ 17, 437, 441). Die Höhe des von jedem Elternteil geschuldeten Kindesunterhalts, also der jeweilige Haftungsanteil, richtet sich – wie beim Volljährigenunterhalt – nach dem jeweiligen Einkommen des Elternteils. Auch fiktives Einkommen eines Elternteils ist dabei zu berücksichtigten, da der Bedarf des Kindes von dem aus fiktivem Einkommen haftenden Elternteil tatsächlich in Naturalien gedeckt wird (BGH FamRZ 17, 437, 439). Vom jeweiligen Einkommen eines Elternteils wird dessen angemessener Selbstbehalt i. H. v. derzeit 1.650 EUR abgezogen. Die so bereinigten Einkommen werden ins Verhältnis gesetzt.

Beispiel

Kind K, 8 Jahre:

bereinigtes Einkommen des Vaters V

2.500,00 EUR

bereinigtes Einkommen der Mutter M

1.800,00 EUR

Summe

4.300,00 EUR

Dies entspricht der 8. Einkommensgruppe (EKS), ohne Höherstufung bei nur einem Kind. Der Bedarf von K beträgt in der 2. Altersstufe (ALS) 723 EUR.

Berechnung der Haftungsanteile:

V: 2.500 EUR ./. 1.650 EUR = 850 EUR

M: 1.800 EUR ./. 1.650 EUR = 150 EUR

Summe Einsatzbeträge (850 EUR + 150 EUR): 1.000 EUR Verteilungsmasse

Anteil V davon: 85 Prozent

Anteil M davon: EUR 15 Prozent

V schuldet daher 85 Prozent von 723 EUR, somit gerundet 615 EUR.

M schuldet daher 15 Prozent von 723 EUR, somit gerundet 108 EUR.

Es gibt nun zwei Möglichkeiten:

  • 1. Beide Elternteile bezahlen den jeweiligen Anteil auf ein Kinder-Oderkonto, d. h. auf ein Konto, über das jeder alleine verfügen darf.
  • 2. Zahlung der Differenz des V an die M: Die Differenz zwischen dem Haftungsanteil des V i. H. v. 615 EUR und dem Haftungsanteil der M i. H. v. 108 EUR beträgt 507 EUR. Dies ist aber nicht der Betrag, den die M vom V bekommt, sondern nur die Hälfte hiervon, weil die andere Hälfte der V während seiner Betreuungszeiten für das Kind ausgeben darf. Daher bekommt die M nur die Hälfte von 507 EUR vom V, somit 253,50 EUR.

Im Ergebnis hat somit jeder 361,50 EUR monatlich für das Kind zur Verfügung (die Hälfte von 723 EUR, M 108 EUR Eigenanteil + 253,50 EUR Zahlung von V; V 615 EUR ./. 253,50 EUR).

In der Praxis ergeben sich folgende Probleme:

  • Hoher Abstimmungsbedarf bezüglich der Bedarfsdeckung beim Kind: Jeder Elternteil trägt die Kosten für Wohnung und Nahrung für das Kind während der Zeit, in der sich das Kind bei ihm aufhält, selbst. Die Eltern müssen sich aber über alle sonstigen Ausgaben, die das Kind betreffen, einig sein. Es erfordert also eine hohe Abstimmung bezüglich der Kosten für Kleidung, Hobbys, Schul-, Spielsachen, Freizeitaktivitäten wie Kino etc. Dies funktioniert nur, wenn die Eltern über ein hohes Maß an Kooperation und Kommunikation verfügen und sich im Wesentlichen darüber einig sind, wie der Bedarf des Kindes im Einzelnen gedeckt werden soll.
  • Gerichtliche Geltendmachung: Betreuen Eltern das Kind im Wechselmodell, haben sie keine alleinige Vertretungsbefugnis gem. § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB, um den Barunterhalt geltend zu machen. Sie können wählen, ob sie
    • einen Ergänzungspfleger für das Kind beantragen (§ 1809 Abs. 1 BGB) oder
    • gem. § 1628 BGB beantragen, die Entscheidung übertragen zu bekommen, den Kindesunterhalt alleine geltend zu machen (OLG Brandenburg FamRZ 22, 1929).

2. Kindergeld wird auf Betreuungs- und Barunterhalt aufgeteilt

Beim Wechselmodell wird das Kindergeld nicht hälftig zwischen den Eltern geteilt. Hier geht man wie folgt vor: Das Kindergeld wird hälftig auf den Betreuungs- und hälftig auf den Barunterhalt aufgeteilt.

Da beide Elternteile im gleichen Umfang Betreuungsunterhalt leisten, wird der hälftige Kindergeldbetrag zwischen den Eltern geteilt, sodass jeder auf jeden Fall 1/4 vom Kindergeld bekommt. Die andere Hälfte, die auf den Barunterhalt entfällt, wird entsprechend der Haftungsanteile am Kindesunterhalt aufgeteilt (BGH FamRZ 16, 1053). Das Kindergeld beträgt derzeit 250 EUR (DT 2023). Im Beispiel bekommt der V 85 Prozent der einen Hälfte des Kindergeldes = 125 EUR), somit 106,25 EUR und die M 15 Prozent von 125 EUR, somit 18,75 EUR. Sind sich die Eltern nicht darüber einig, wie das Kindergeld aufzuteilen ist, ist es im Wege des familienrechtlichen Ausgleichsanspruchs geltend zu machen (BGH FamRZ 16, 1053; OLG Brandenburg FamRZ 22, 1284). Sind sich die Eltern nicht darüber einig, wer das Kindergeld von der Familienkasse beziehen soll, bestimmt gem. § 64 Abs. 2 S. 3 EStG das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils den Berechtigten. Den Antrag kann stellen, wer ein berechtigtes Interesse am Kindergeld hat.

3. Bestimmung des Wohnsitzes des Kindes ist umstritten

Das Kind hat dort seinen Wohnsitz, wo der Schwerpunkt seiner Lebensbeziehungen ist (BVerwG FamRZ 16, 44). Beim Wechselmodell gibt es keinen solchen Schwerpunkt. Daher gilt Folgendes: Das Kind behält seinen bisherigen Wohnsitz bei, wenn ein Elternteil die Wohnung nach der Trennung weiter bewohnt.

Ziehen beide Eltern um und können sie sich nicht einigen, wo der Hauptsitz des Kindes sein soll, hat das OLG München entschieden, dass es sich hier um keine Entscheidung von wesentlicher Bedeutung handle, sodass ein Antrag nach § 1628 BGB nicht möglich sei (FamRZ 08, 1103; so auch BVerwG FamRZ 16, 44: Im Fall eines Umzugs beider Eltern sei nach melderechtlichen Wertungen die neue Wohnung des Elternteils der Hauptwohnsitz des Kindes, der zunächst in der früheren Familienwohnung geblieben sei.). Der BayVGH (19.12.13, 5 BV 12.721) als Vorinstanz hatte vorgeschlagen, die Hauptwohnung durch Losentscheid zu bestimmen oder jährlich zu wechseln, was vom BVerwG abgelehnt wurde.

Solange es für das Kind keine Auswirkungen auf andere Lebensbereiche hat, wo es seinen Hauptwohnsitz hat, ist der Entscheidung des OLG München und des BVerwG zuzustimmen. Ausnahme: Wenn der Hauptwohnsitz über die Schule des Kindes entscheidet, gerade, wenn es auf eine Schule käme, die nicht so gut ist wie die andere. Ein „Losentscheid“ berücksichtigt dabei nicht, dass sich der Hauptwohnsitz auf das Wohl eines Kindes auswirken kann, wie eben bei der Einschulung (BayVGH, a. a. O.). Aus diesem Grund scheidet auch der Vorschlag eines jährlichen Wechsels aus (BVerwG, a. a. O.).

Praxistipp | Bei gleichzeitigem Auszug der Elternteile aus der bisherigen Familienwohnung empfiehlt sich im Hinblick auf den Einschulungsort des Kindes, einen Antrag gem. § 1628 BGB zu stellen, wenn sich die Eltern nicht einig sind und ein Elternteil gut begründen kann, weshalb die an seinem Wohnsitz liegende Grundschule für das Wohl des Kindes besser ist. Können sich die Eltern in anderen Fällen nicht auf den Hauptwohnsitz verständigen, empfiehlt sich ebenfalls ein Antrag gem. § 1628 BGB, da sonst kein Hauptwohnsitz für das Kind festgelegt werden kann und ein Verstoß gegen das Meldegesetz vorliegt. Hier empfiehlt sich für den Antragsteller, gute Argumente für das Familiengericht zu bringen, weshalb die alleinige Entscheidungsbefugnis auf ihn übertragen werden sollte.

AUSGABE: FK 11/2023, S. 187 · ID: 49033316

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