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VermächtnisBesteuerung eines beim Tod des Beschwerten fälligen Vermächtnisses

Abo-Inhalt16.03.20223508 Min. LesedauerVon WP StB Dipl.-Kfm. Gerrit Grewe, Berlin

| Der Vermächtnisnehmer eines beim Tod des Beschwerten fälligen Vermächtnisses erwirbt erbschaftsteuerrechtlich vom Beschwerten. Fällt der erstberufene Vermächtnisnehmer vor Fälligkeit des Vermächtnisses weg, erwirbt der zweitberufene Vermächtnisnehmer ebenfalls vom Beschwerten und nicht etwa vom erstberufenen Vermächtnisnehmer – wie der BFH mit Urteil vom 31.8.21 klargestellt hat. |

Sachverhalt

Der im Jahr 1957 verstorbene Erblasser C bestimmte seine Ehefrau E zur Alleinerbin und vermachte seinem Neffen D ein Grundstück. Das Vermächtnis sollte mit dem Tod des C anfallen, Übergabe und Übereignung des Grundstücks konnte der Vermächtnisnehmer aber erst nach dem Tod der E fordern. Falls D das Vermächtnis nicht erwerben sollte, fiel es an dessen eheliche Abkömmlinge. Sollte D nach Anfall, aber vor Fälligkeit des Vermächtnisses sterben, fiel es an diese als Nachvermächtnisnehmer.

D verstarb 2011 und wurde durch seine Kinder, den Kläger K und dessen Bruder, beerbt. Im Jahre 2012 verstarb E. Danach wurde das Grundstück auf K und dessen Bruder als Miteigentümer zu je ½ übertragen. K hielt die Steuerklasse I für anwendbar, da nach § 6 Abs. 2 ErbStG i. V. m. § 6 Abs. 4 Alt. 1 ErbStG auf Antrag der Erwerb als vom Vater stammend zu behandeln sei. Das FA legte Steuerklasse III zugrunde, da das persönliche Verhältnis des K zur E bzw. zum Erblasser maßgebend sei. Das FG Hessen (6.11.19, 10 K 1104/18, EFG 20, 290) wies die Klage ab. Einen Erwerb von D zu fingieren, obwohl bei diesem kein steuerlicher Vollerwerb nach § 6 Abs. 1 ErbStG stattfand, sei nicht gerechtfertigt. Der BFH pflichtete dem bei.

Entscheidungsgründe

Es ist Steuerklasse III anzuwenden. Die Fälligkeit des Vermächtnisses trat erst mit dem Tod der E ein. Auf diesen Zeitpunkt hat K es als von ihr stammend zu versteuern (BFH 31.8.21, II R 2/20, Abruf-Nr. 226905).

Nach § 6 Abs. 1 ErbStG gilt der Vorerbe als Erbe. Sein Erwerb unterliegt in vollem Umfang und ohne Berücksichtigung der Beschränkungen durch das Nacherbenrecht der ErbSt (BFH 23.8.95, II R 88/92, BStBl II 96, 137). Bei Eintritt der Nacherbfolge hat der Nacherbe den Erwerb nach § 6 Abs. 2 S. 1 ErbStG als vom Vorerben stammend zu versteuern. Der Nacherbe gilt als Erbe des Vorerben. Nach § 6 Abs. 2 S. 2 bis 5 ErbStG ist auf Antrag bei der Versteuerung das Verhältnis des Nacherben zum Erblasser zu berücksichtigen.

Gemäß § 6 Abs. 4 Alt. 1 ErbStG stehen Nachvermächtnisse den Nacherbschaften gleich. Es wird fingiert, dass der Nachvermächtnisnehmer das Vermächtnis vom Vorvermächtnisnehmer erwirbt; sowohl bei Anfall des Vorvermächtnisses als auch bei Anfall des Nachvermächtnisses entsteht ErbSt. Auch hier kann auf Antrag des Nachvermächtnisnehmers der Versteuerung sein Verhältnis zum Erblasser zugrunde gelegt werden.

Merke | Nach § 6 Abs. 4 Alt. 2 ErbStG stehen beim Tod des Beschwerten fällige Vermächtnisse den Nacherbschaften gleich. Diese Vorschrift meint das betagte Vermächtnis, das mit dem Erbfall entsteht, dessen Fälligkeit aber hinausgeschoben ist (BFH 20.10.15, VIII R 40/13, BStBl II 16, 342). Der durch ein betagtes Vermächtnis Beschwerte gilt als Vermächtnisnehmer nach dem Erblasser. Der Vermächtnisnehmer des betagten Vermächtnisses erwirbt vom Beschwerten. Der Tod des Beschwerten ist für die ErbSt des Vermächtnisnehmers keine aufschiebende Bedingung für die Steuerentstehung i. S. v. § 9 Abs. 1 Nr. 1a ErbStG, sondern begründet den steuerbaren Tatbestand.

Ist ein Vermächtnis erst mit dem Tod des beschwerten Erben fällig und ein zweiter Vermächtnisnehmer für den Fall bestimmt, dass der erste Vermächtnisnehmer vor Fälligkeit des Vermächtnisses verstirbt, erwirbt der zweitberufene Vermächtnisnehmer von dem beschwerten Erben und nicht vom erstberufenen Vermächtnisnehmer. Mit dem Tod des ersten Vermächtnisnehmers ist hinsichtlich des Vermächtnisses kein erbschaftsteuerbarer Tatbestand bei dem zweiten Vermächtnisnehmer verwirklicht. Solange der beschwerte Erbe noch lebt, ist das Vermächtnis noch nicht fällig. Wird mit dem Tod des beschwerten Erben das Vermächtnis fällig, liegt bei dem zweiten Vermächtnisnehmer ein nach § 6 Abs. 4 Alt. 2 ErbStG der Nacherbschaft gleichstehender Erwerb vor.

Beachten Sie | Der beschwerte Erbe steht dem Vorerben gleich und gilt nach § 6 Abs. 1 ErbStG als Erbe. Der zweite Vermächtnisnehmer steht dem Nacherben gleich und hat das Vermächtnis auf diesen Zeitpunkt nach § 6 Abs. 2 S. 1 ErbStG als vom beschwerten Erben stammend zu versteuern. Stellt er den Antrag nach § 6 Abs. 2 S. 2 bis 5 ErbStG, ist der Besteuerung das Verhältnis zu dem (ursprünglichen) Erblasser zugrunde zu legen. Im Streitfall fällt das Verhältnis des K zum Erblasser ebenfalls unter Steuerklasse III.

Relevanz für die Praxis

Im Streitfall ist durch den Tod des Vorvermächtnisnehmers der Vermächtnisanspruch gegenüber der Erbin des Vermächtnisgebers auf den Kläger und seinen Bruder, als Erben des Vorvermächtnisnehmers, übergegangen. Bei Fälligkeit des Vermächtnisanspruchs waren beide Geschwister sowohl Nachvermächtnisnehmer als auch Erben des Vorvermächtnisnehmers. Ungeachtet dessen war der fortbestehende Anspruch auf Übereignung des Grundstücks aus dem Vermächtnis gleichwohl mit dem Tod der Erbin fällig; insoweit war ihr Nachlass zugunsten des Klägers beschwert (§ 6 Abs. 4 Alt. 2 ErbStG i. V. m. § 6 Abs. 2 S. 1 ErbStG).

Weiterführender Hinweis
  • Zu testamentarischen Anordnungen von bedingten, befristeten und betagten Vermächtnissen s. ausführlich Brüggemann, ErbBstg 14, 197

AUSGABE: ErbBstg 4/2022, S. 88 · ID: 48041392

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