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EhescheidungAbfindung im Scheidungsfall als Schenkung?

Abo-Inhalt16.03.20223036 Min. LesedauerVon WP StB Dipl.-Kfm. Gerrit Grewe, Berlin

| Regeln zukünftige Eheleute die Rechtsfolgen ihrer Eheschließung umfassend individuell und sehen sie für den Fall der Beendigung der Ehe Zahlungen eines Ehepartners in einer bestimmten Höhe vor, die erst zum Zeitpunkt der Ehescheidung zu leisten sind („Bedarfsabfindung“), liegt keine freigebige Zuwendung vor (BFH 1.9.21, II R 40/19, Abruf-Nr. 227143). |

Sachverhalt

Die Klägerin K schloss anlässlich ihrer Eheschließung im Jahr 1998 mit ihrem künftigen Ehemann E einen Ehevertrag, in dem u. a. der gesetzliche Versorgungsausgleich ausgeschlossen, der nacheheliche Unterhalt begrenzt und der Güterstand der Gütertrennung vereinbart wurde. Ferner erhielt K einen indexierten Zahlungsanspruch für den Fall der Scheidung, der bei einer Ehescheidung vor Ablauf von 15 Jahren „pro rata temporis“ vermindert werden sollte. Die Ehe wurde im Jahr 2014 geschieden. E zahlte an K vereinbarungsgemäß den Geldbetrag. Das FA wertete die Zahlung als freigebige Zuwendung. Das FG München (2.5.18, 4 K 3181/16, EFG 20, 796) folgte dem FA. Die Zuwendung sei ohne Gegenleistung der K erfolgt. Aus der Vereinbarung der Gütertrennung könne kein Verzicht der K auf eine Zugewinnausgleichsforderung abgeleitet werden. Der BFH sah das jedoch anders.

Entscheidungsgründe

Die Leistung des E an K ist keine freigebige Zuwendung (BFH 1.9.21, II R 40/19, Abruf-Nr. 227143). Die Zahlung einer „Pauschalabfindung“ unter Preisgabe eines (möglicherweise) künftig entstehenden Zugewinnausgleichsanspruchs vor Eingehung der Ehe erfüllt zwar als freigebige Zuwendung den Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Denn eine solche Zahlung wird weder zur Befriedigung eines (außervertraglichen) Forderungsrechts des Preisgebenden noch als Gegenleistung für einen Verzicht getätigt (BFH 17.10.07, II R 53/05, BStBl II 08, 256). Die Zugewinnausgleichsforderung entsteht erst, wenn die Zugewinngemeinschaft endet (§§ 1363 Abs. 2 S. 2, 1378 Abs. 3 S. 1 BGB). Eine Pauschalabfindung fällt ferner unter § 7 Abs. 3 ErbStG. Danach werden Gegenleistungen, die nicht in Geld veranschlagt werden können, bei der Feststellung, ob eine Bereicherung vorliegt, nicht berücksichtigt. Vor Beginn der Ehe ist ungewiss, ob und wann die Ehe geschieden wird und ob und in welcher Höhe eine Zugewinnausgleichsforderung entstehen wird (BFH 2.3.94, II R 59/92, BStBl II 94, 366, unter II.1.c).

Anderes gilt, wenn die künftigen Eheleute die Rechtsfolgen ihrer Eheschließung umfassend individuell regeln und für den Fall der Beendigung der Ehe Zahlungen eines Ehegatten an den anderen in bestimmter Höhe vorsehen, die erst zu jenem Zeitpunkt zu leisten sind („Bedarfsabfindung“). In diesem Fall wird keine pauschale Abfindung ohne Gegenleistung erbracht. Es werden lediglich Rechte und Pflichten der künftigen Ehegatten durch umfangreiche Modifikation denkbarer gesetzlicher familienrechtlicher Ansprüche im Falle der Scheidung im Wege einer Pauschalierung neu austariert.

Merke | Wird ein solcher Vertrag abgeschlossen, der nach Art eines Gesamtpakets alle Scheidungsfolgen regelt, kann dieses Paket nicht in Einzelleistungen aufgeteilt und eine der Einzelleistungen der Schenkungsbesteuerung unterworfen werden. Damit würde der Umstand verkannt, dass ein solcher Vertrag einen umfassenden Ausgleich aller Interessengegensätze anstrebt und insofern keine der Einzelleistungen ohne Gegenleistung ist.

Wird die Ehe dann tatsächlich beendet, erfolgt die Zahlung des vorab vereinbarten Betrages in Erfüllung dieser Vereinbarung. Eine solche Vereinbarung fällt auch nicht unter § 7 Abs. 3 ErbStG. Bei der Bedarfsabfindung ist die Zahlung an die Beendigung der Ehe geknüpft. Der Zahlungsanspruch ist aufschiebend bedingt (§ 158 Abs. 1 BGB) und erwächst mit Eintritt der betreffenden Bedingung zum Vollrecht. Allein der Umstand, dass die Eheleute es mittels eines solchen Vertrags vermeiden, die gegenseitigen Ansprüche auf diesen Zeitpunkt bewerten zu müssen, heißt nicht, dass diese Bewertung nicht möglich wäre.

Im Streitfall hat sich E nicht zu einer sofortigen Pauschalabfindung ohne Gegenleistung verpflichtet. Die Zahlung wurde vielmehr in ein Vertragskonvolut über die Rechtsfolgen einer Eheschließung eingebettet, was eine isolierte Betrachtung verbietet. Außerdem fehlte es am subjektiven Willen des E zur Freigebigkeit: Der Vertrag mit der K bezweckte den Schutz des Vermögens des E vor unwägbaren finanziellen Verpflichtungen infolge einer Scheidung.

Relevanz für die Praxis

Das Urteil des BFH vom 17.10.07 zum gegenteiligen Fall (II R 53/05, BStBl II 08, 256), wonach eine Pauschalabfindung der Schenkungsteuer unterliegt, enthält folgende Kernaussagen:

  • Ein Ehegatte (Klägerin) erhält zu Beginn der Ehe vom anderen Ehegatten einen Geldbetrag als Ausgleich für einen ehevertraglich vereinbarten Teilverzicht auf nachehelichen Unterhalt.
  • Die Klägerin hatte keinen gesetzlichen Anspruch auf diese Zahlung.
  • Die Zahlung war nicht synallagmatisch, konditional oder kausal mit einer Gegenleistung verknüpft.
  • Bei der Zahlung des Geldbetrags war ungewiss, ob und wann die Ehe später geschieden wird und ob die Klägerin nachehelichen Unterhalt beanspruchen könnte. Die Höhe eines etwaigen nachehelichen Unterhaltsanspruchs ist nicht zu Beginn der Ehe bestimmbar.
Weiterführender Hinweis
  • Zu Pauschalabfindungen für Zugewinnausgleich und Pflichtteilsansprüche im Fall einer Unternehmensnachfolge lesenswert: Brüggemann, Pauschale für Zugewinnausgleich und Pflichtteil – besser geht es nicht, ErbBstg 13, 75 ff.

AUSGABE: ErbBstg 4/2022, S. 86 · ID: 47995844

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