FeedbackAbschluss-Umfrage
CBChefärzteBrief

WahlleistungenWahlleistungen durch niedergelassene Ärzte mit Teilzeitanstellung im Krankenhaus möglich

Abo-Inhalt29.09.20226189 Min. LesedauerVon RA, FA MedR Dr. Tilman Clausen, armedis Rechtsanwälte, Hannover

| Niedergelassene Ärzte, die mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von durchschnittlich vier Stunden in einem Krankenhaus angestellt sind, können wahlärztliche Leistungen erbringen und abrechnen, wenn ihnen der Krankenhausträger zuvor vertraglich das Liquidationsrecht eingeräumt hat (Amtsgericht [AG] Bielefeld, Urteil vom 20.05.2021, Az. 406 C 131/20). Allein die vertragliche Zusicherung des Liquidationsrechts gegenüber einem Arzt sagt noch nichts über dessen fachliche Qualifikation aus. Gerade auf diese kommt es aber in der Wahlleistungsvereinbarung an. Daher wirft das Urteil einige Fragen auf. |

Der Sachverhalt

Im vom AG Bielefeld entschiedenen Fall klagte eine Ärztin gegen eine Patientin. Streitig war eine Honorarforderung für wahlärztliche Leistungen i. H. v. 2.135,62 Euro. Die Klägerin ist Fachärztin für Orthopädie und Unfallchirurgie. Neben ihrer Anstellung im Krankenhaus ist sie auf Teilzeitbasis in einer eigenen Praxis ambulant tätig.

Die Ärztin hatte die beklagte Patientin in ihrer Praxis zunächst ambulant betreut und dann in das Krankenhaus, in dem sie angestellt war, zur stationären Behandlung eingewiesen. Vor Behandlungsbeginn hatte die Patientin eine Wahlleistungsvereinbarung unterzeichnet. Die stationären wahlärztlichen Leistungen in der Fachrichtung Orthopädie und Unfallchirurgie während des stationären Krankenhausaufenthalts hatte die Ärztin persönlich und lege artis erbracht. Die Behandlungskosten für ihre wahlärztlichen Leistungen i. H. v. insgesamt 2.135,62 Euro hatte sie über ihre Verrechnungsstelle abgerechnet, nachdem die Patientin vor Behandlungsbeginn insoweit auch eine Einwilligungserklärung in die externe Abrechnung unterschrieben hatte.

Die Patientin weigerte sich, die Behandlungskosten zu zahlen und berief sich auf die Unwirksamkeit der Wahlleistungsvereinbarung des Krankenhauses. Wahlärztliche Leistungen dürfen sich nur auf besonders qualifizierte Ärzte erstrecken, dazu gehöre die Klägerin nicht.

Das Gericht gab der Zahlungsklage der Ärztin statt. Vonseiten der Beklagten wurde offensichtlich keine Berufung eingelegt, sodass das Urteil rechtskräftig geworden ist.

Die Entscheidungsgründe

Das Gericht sah die formalen Voraussetzungen an einen Zahlungsanspruch der Klägerin als erfüllt an.

(Schrift-)Form der Wahlleistungsvereinbarung ist gewahrt

Zur Begründung für seine Rechtsauffassung verwies das Gericht zunächst auf die vonseiten der beklagten Patientin unterschriebene Wahlleistungsvereinbarung. Diese würde den von Gesetz und Rechtsprechung genannten Voraussetzungen für eine wirksame Wahlleistungsvereinbarung genügen. Die Schriftform gemäß § 17 Abs. 2 S.1 Krankenhausentgeltgesetz sei eingehalten worden, d. h.,

  • die Vertragspartner der Wahlleistungsvereinbarung – Krankenhausträger und Patient – hätten den zuvor schriftlich fixierten Text unterschrieben,
  • die Vertragspartner der wahlärztlichen Leistungen seien benannt, indem der Wortlaut des § 17 Abs. 3 S.1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) in der Wahlleistungsvereinbarung abgedruckt worden sei und
  • vor Abschluss der Wahlleistungsvereinbarung sei die Beklagte über die Entgelte der Wahlleistungen und deren Inhalt im Einzelnen schriftlich unterrichtet worden (§ 17 Abs. 2 S.1 2. Hs. KHEntgG).

AG Bielefeld: Es kommt auf das Liquidationsrecht an

Nach dem Wortlaut des § 17 Abs. 3 S.1 KHEntgG komme es nur darauf an, ob dem Arzt, der wahlärztliche Leistungen entweder selbst, über das Krankenhaus oder über eine Abrechnungsstelle abrechnen will, vonseiten des Krankenhausträgers das Liquidationsrecht gewährt worden sei. Indem die Voraussetzung für die Abrechnung wahlärztlicher Leistungen an die Gewährung des Liquidationsrechts geknüpft wird, werde sichergestellt, dass nur hinreichend qualifizierte und erfahrene Ärzte Wahlärzte werden und die wahlärztlichen Leistungen damit über das Niveau über der allgemeinen Krankenhausleistungen hinausgehen.

Kommentierung der Entscheidung

Mit der Begründung dafür, warum die Klägerin berechtigt sei, wahlärztliche Leistungen abzurechnen, schafft das AG Bielefeld im Prinzip neue Konkurrenz für Wahlärzte. Dabei spielt es keine Rolle, ob diesen das Liquidationsrecht gewährt wurde, ob sie nur eine Beteiligungsvergütung bekommen oder ob sie in anderer Form an den Einnahmen des Krankenhausträgers aus Privatliquidation beteiligt sind. Im vorliegenden Fall entschied der Krankenhausträger darüber, welcher in seinem Hause tätigen Ärzte das Liquidationsrecht für wahlärztliche Leistungen gewährt bekommt bzw. zum Wahlarzt ernannt wird. Das AG Bielefeld nimmt an, dass durch diese Entscheidung sichergestellt sei, dass nur besonders qualifizierte Ärzte den Privatpatienten des Hauses als Wahlärzte gegenübertreten können. Diese Annahme erscheint doch zumindest teilweise realitätsfremd.

Es geht dem Krankenhaus nicht nur um die Qualifikation des Arztes ...

Sicherlich wird es in der Praxis vielfach auch Fälle geben, wo es dem Krankenhausträger darum geht, niedergelassene Ärzte, die als besonders qualifizierte Operateure bekannt sind, über eine Teilzeitanstellung für das eigene Krankenhaus zu gewinnen. Die Gewinnung möglichst vieler Patienten dieser Ärzte dürfte dabei allerdings wohl ebenfalls eine nicht unerhebliche Rolle spielen. Ebenso wird es in der Praxis Fälle geben, wo der Krankenhausträger nicht nach der besonderen ärztlichen Qualifikation des niedergelassenen Arztes gefragt hat, bevor er diesem das Liquidationsrecht gewährt, sondern dies Teil des „Deals“ ist, um den Arzt mit seinen Patienten für das Krankenhaus zu gewinnen.

Die Rechtsprechung des BGH zum Wesen der Wahlleistungsvereinbarung

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in ständiger Rechtsprechung wahlärztliche Leistungen so definiert, dass Privatpatienten sich hier in Sorge um ihre Gesundheit gegen Entrichtung eines zusätzlichen Entgelts die Leistungen hochqualifizierter Spezialisten – der Wahlärzte – zu den allgemeinen Krankenhausleistungen hinzukaufen (BGH, Urteil vom 20.12.2007, Az. III ZR 144/07).

Wahlärztliche Leistungen würden sich von allgemeinen Krankenhausleistungen dadurch unterscheiden, dass der Krankenhausträger bei allgemeinen Krankenhausleistungen nur Facharztstandard schuldet, d. h., die Leistungen werden durch den jeweils diensthabenden Facharzt erbracht. Bei wahlärztlichen Leistungen wird dagegen Chefarztstandard geschuldet, ohne dass der BGH dies bisher in seiner Rechtsprechung genauer definiert hat. Es dürfte aber in jedem Fall davon auszugehen sein, dass wahlärztliche Leistungen einen qualitativ höheren Standard haben müssen als allgemeine Krankenhausleistungen (BGH, Urteil vom 16.10.2014, Az. III ZR 185/14; BGH NJW 2019, 1519; vgl. zum Thema auch die CB-Sonderausgabe „Der Chefarzt als Wahlarzt“, online unter Abruf-Nr. 47757855).

Die besondere Qualifikation der Klägerin wurde offenbar gar nicht geprüft

Niedergelassene Ärzte wie die Klägerin im o. g. vom AG Bielefeld entschiedenen Fall bieten von ihrer ärztlichen Qualifikation eher zunächst einmal nur Facharztstandard. Ob die Klägerin im vorliegenden Fall auch einen höheren Behandlungsstandard bieten konnte, geht aus dem Urteil nicht hervor und ist ganz offenbar auch nicht geprüft worden. Dabei dies der entscheidende Ansatzpunkt bei der Frage hätte sein müssen, ob die Klägerin berechtigt war, wahlärztliche Leistungen zu erbringen und abzurechnen. In einem anderen Fall wurde gerade die herausgehobene ärztliche Qualifikation der Ärztin als Argument angeführt, den Patienten als sog. gewünschte Vertreterin des Wahlarztes behandeln zu dürfen (CB 07/2022, Seite 3 ff).

Fazit | Weil die besondere Qualifikation der Ärztin ungeklärt bleibt, taugt das Urteil des AG Bielefeld deshalb nur bedingt für die Beantwortung der Frage, unter welchen Voraussetzungen es gerechtfertigt ist, niedergelassenen Ärzten, die im Krankenhaus auf Teilzeitbasis angestellt werden, das Liquidationsrecht für wahlärztliche Leistungen zu gewähren. Hier sollte eher auf die tatsächliche und belegbare Qualifikation des niedergelassenen Arztes abgestellt werden. Wenn der niedergelassene Arzt über keine hinreichende Qualifikation verfügt, könnte man in der Einräumung des Liquidationsrechts einen unberechtigten Vorteil i. S. d. Antikorruptionsgesetzes sehen. Die Gewährung bzw. die Annahme eines solchen Vorteils birgt erhebliche Risiken – sowohl für den Krankenhausträger als auch den niedergelassenen Arzt (vgl. CB-Sonderausgabe, online unter Abruf-Nr. 44870677, ibid., Seite 15 f.)

AUSGABE: CB 10/2022, S. 8 · ID: 48393670

Favorit
Teilen
Drucken
Zitieren

Beitrag teilen

Hinweis: Abo oder Tagespass benötigt

Link
E-Mail
X
LinkedIn
Xing
Loading...
Loading...
Loading...
Heft-Reader
2022

Bildrechte