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CBChefärzteBrief

HaftungsrechtArzthaftungsprozesse: BGH stärkt Patientenrechte

Abo-Inhalt12.09.2022733 Min. LesedauerVon RA, FA MedR Dr. Rainer Hellweg, Hannover

| Häufig geht es in Arzthaftungsprozessen um den Vorwurf eines Aufklärungsfehlers – und dann um die Frage nach der hypothetischen Einwilligung des Patienten. Feststellungen hierzu dürfen Gerichte nicht ohne Anhörung des Patienten treffen. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit aktuellem Beschluss vom 21.06.2022 (Az. VI ZR 310/21) entschieden und damit die Patientenrechte im Prozess gestärkt. |

Der Sachverhalt und die Entscheidung der Vorinstanzen

Der vom BGH entschiedene Sachverhalt betraf eine Laserbehandlung am Auge. Während des Eingriffs kam es zu einem Kneifen des Auges, wodurch sich der Laserschnitt dezentrierte. Der Augenarzt brach die LASIK-Behandlung ab und führte sodann eine photoreaktive EXCIMER-Laserbehandlung (PRK) durch. Der Patient rügte in seiner Klage insbesondere eine unterbliebene präoperative Aufklärung betreffend die PRK-Operationstechnik.

Die Instanzgerichte wiesen die Klage noch ab und gaben dem Augenarzt Recht. Zwar sei der Patient über die Risiken der PRK-Operationstechnik nicht aufgeklärt worden. Eine Anhörung des Patienten hierzu sei gleichwohl nicht erforderlich gewesen, weil der von der Behandlerseite im Prozess erhobene Einwand der hypothetischen Einwilligung durchgreife. In seinen Schriftsätzen habe der Patient nicht deutlich machen können, warum er einer PRK – fiktiv – nicht zugestimmt hätte, obwohl er in die LASIK-Operation eingewilligt hatte.

Praxistipp | Wenn die Aufklärung unterblieben oder mangelhaft erfolgt ist, kann die Behandlerseite im Prozess den Einwand einer hypothetischen Einwilligung erheben. Dann muss der Patient plausibel machen, warum er sich – eine ordnungsgemäße Aufklärung fiktiv unterstellt – zumindest in einem „echten Entscheidungskonflikt“ befunden hätte (vgl. CB 04/2022, Seite 9 ff.).

Die Entscheidung des BGH

Der BGH hob in seinem Beschluss die Vorinstanzen auf und verwies den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung dorthin zurück. Die BGH-Richter stellten klar: Feststellungen darüber, wie sich ein Patient bei ausreichender Aufklärung entschieden hätte und ob er in einen Entscheidungskonflikt geraten wäre, dürfe der Tatrichter grundsätzlich nicht ohne persönliche Anhörung des Patienten treffen.

Die Begründung des BGH: Bei der Beurteilung des Entscheidungskonflikts sei auf die persönliche Entscheidungssituation des jeweiligen Patienten abzustellen. Was aus ärztlicher Sicht sinnvoll und erforderlich gewesen wäre und wie ein „vernünftiger Patient“ sich verhalten haben würde, sei hingegen grundsätzlich nicht entscheidend. Der Tatrichter dürfe seine eigene Beurteilung des Konflikts nicht an die Stelle derjenigen des Patienten setzen – deshalb sei eine persönliche Anhörung des Patienten vor Gericht unentbehrlich.

AUSGABE: CB 10/2022, S. 11 · ID: 48543597

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