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StrafrechtBGH senkt Strafmaß: Strafen für Abrechnungsbetrug in mehreren Fällen addieren sich nicht
| Ist eine Serie gleichartiger betrügerischer Abrechnungen eine Einzeltat? Oder erfüllt jede einzelne betrügerische Handlung einen eigenen Tatbestand, der jeweils gesondert zu ahnden ist, sodass sich das Strafmaß addiert? Im Fall zweier Eheleute – ein Arzt und eine Ergotherapeutin –, die jeweils wegen Betrugs in mehr als 400 Fällen angeklagt waren, ging der BGH jeweils von einer Einzeltat aus (Urteil vom 23.10.2024, Az. 5 StR 382/23). Das Urteil ist auch für Zahnärzte in Z-MVZ relevant |
Ehepaar wegen Betrugs verurteilt – BGH korrigiert Strafmaß
Der angeklagte Arzt war Gesellschafter von drei MVZ-Gesellschaften – einer fachübergreifend ärztlichen GbR, einer fachübergreifend ärztlichen GmbH und einer nicht ärztlichen GmbH. Seine Ehefrau, eine Ergotherapeutin, war Geschäftsführerin sowie Mitgesellschafterin der nicht ärztlichen GmbH. Die drei Gesellschaften rechneten für die Quartale 01/2009 bis 04/2011 ärztliche sowie physio- und ergotherapeutische Leistungen bei der für sie zuständigen kassenärztlichen Vereinigung (KV) durch Sammelerklärungen ab. Der Arzt unterzeichnete diese in dem Wissen, dass die Abrechnung falsch war (s. u.). Die Abrechnung erfolgte hier durch ein Abrechnungszentrum im Wege eines unechten Factorings, d. h., das Abrechnungsunternehmen zahlte zunächst die in Rechnung gestellte Summe an die Gesellschaft aus.
Diese unzulässigen Angaben wiesen die Sammelerklärungen zur Abrechnung auf | 
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Das Landgericht (LG) Dresden verhängte für die einzelnen Betrugshandlungen jeweils eine Einzelstrafe. Es verurteilte den Arzt wegen Betrugs in 429 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zwei Monaten und seine Ehefrau wegen Betrugs in 408 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten. Ferner ordnete es gegen die beiden Angeklagten gesamtschuldnerisch die Einziehung von Taterträgen i. H. v. 243.894,83 Euro an (Urteil vom 01.09.2022, Az. 15 KLs 106 Js 54425/10). Der BGH bestätigte zwar die tatbestandlichen Feststellungen des LG, hob jedoch dessen Urteil hinsichtlich der Strafzumessung und der Einziehungsentscheidung auf.
Diese Feststellungen der Vorinstanz bestätigte der BGH
Nach Auffassung des LG war strafrechtlich relevant, dass der ärztliche Leiter bewusst unter der lebenslangen Arztnummer (LANR) von Ärzten abrechnete, die die Leistung entweder überhaupt nicht oder zwar erbracht hatten, aber nicht am in der Abrechnung angegebenen Tag. Insoweit liege eine Täuschung über einen abrechnungsrelevanten Umstand vor, da nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eine arztbezogene Kennzeichnungspflicht mit der LANR auch in fachgebietsgleichen Berufsausübungsgemeinschaften bestehe (vgl. dazu BSG, Urteil vom 01.03.2023, Az. B 6 KA 10/22 B9). Die LAN ermögliche eine Zuordnung jeder einzelnen Behandlungsmaßnahme zu einem bestimmten Arzt. Dadurch solle der KV u. a. auch die Überprüfung von Plausibilitätsgrenzen ermöglicht werden.
Dies gelte auch für Datumsangaben bei der Abrechnung. Ohne eine wahrheitsgemäße Angabe des Datums der Leistungserbringung könne die KV eine arztbezogene Plausibilitätsprüfung des Umfangs der je Tag abgerechneten Leistungen im Hinblick auf den damit verbundenen Zeitaufwand nach § 106a Abs. 2 Satz 2 SGB V ebenfalls nicht durchführen.
Darum korrigierte der BGH die Strafzumessung
Bezüglich der Frage, ob die von den Angeklagten begangene Deliktserie als Einzeltat oder als mehrere Taten zu werden ist, war der BGH anderer Auffassung als das LG Dresden. Nach Auffassung des BGH erbrachten die beiden Angeklagten ihre jeweiligen Tatbeiträge einheitlich für sämtliche Taten. Der Arzt leitete die Gesellschaften und organisierte ihre Abrechnungsvorgänge. Dabei behandelte er alle drei Gesellschaften als eine einheitliche Einrichtung. Zugunsten der Ehefrau als mittelbare Täterin berücksichtigte der BGH, dass sie die Heilmittelverordnungen zwar einzeln erstellt, aber nur einmal monatlich beim Abrechnungszentrum eingereicht hatte.
Merke | Das LG hatte in seiner Entscheidung jede Quartalsabrechnung über ärztliche Leistungen als einen Betrug des Angeklagten angesehen und hierfür jeweils Einzelfreiheitsstrafen zwischen sechs Monaten und zwei Jahren und zehn Monaten festgesetzt. Es hatte zudem jede von dem Abrechnungszentrum gestellte Sammelabrechnung für beide Angeklagten als eine in mittelbarer Täterschaft begangene Betrugstat zum Nachteil der kostentragenden Krankenkasse angesehen und Einzelstrafen verhängt. Diese reichten von fünf Tagessätzen Geldstrafe bis zu einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr für den Arzt oder von bis zu einem Jahr und sechs Monaten für dessen Ehefrau.  | 
Neben den Schuldsprüchen hob der BGH auch die Einziehungsentscheidungen des LG auf. Nach Auffassung des BGH erweist sich die Einziehung des Wertes von Taterträgen als rechtsfehlerhaft. Die Feststellungen des LG können nicht belegen, dass der Arzt als Gesellschafter sowie seine Ehefrau als Geschäftsführerin von den an die Gesellschaften ausgezahlten Beträgen tatsächlich selbst etwas erlangt haben. Das LG hat hier nun ggf. ergänzende Feststellungen zu treffen.
Merke | Auch Zahnärzte arbeiten mitunter in MVZ, verordnen Heilmittel, unterzeichnen Sammelerklärungen und haben eine verbindliche Zahnarztnummer (AAZ 02/2023, Seite 2 f.), die der LANR vergleichbar ist. Daher ist das Urteil auch für Zahnärzte relevant. Vorliegend hat das LG für beide Angeklagten jeweils eine neue Einzelstrafe festzusetzen.  | 
AUSGABE: AAZ 10/2025, S. 3 · ID: 50537786