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ProthetikProthesenbasis wird vor der Unterfütterung umgestaltet: Ist ein individueller Löffel ansatzfähig?
| Im Rahmen vollständiger Unterfütterungen stellt sich immer wieder die Frage, ob neben der Unterfütterung nach den BEMA-Nrn.100d–100f bzw. Nrn. 5280–5300 GOZ z. B. das Ausschleifen der Prothesenbasis für eine Unterfütterung als individueller oder funktioneller Abformlöffel berechnet werden kann. Im gebührenrechtlichen Regelwerk fehlen dazu klare Aussagen, unter den Kassenzahnärztlichen Vereinigungen (KZVen) gehen die Meinungen auseinander. Antworten gibt dieser Beitrag. |
Inhaltsverzeichnis
- Darum kann ein individueller Löffel notwendig sein
- Die Position(en) der GKV: Ist ein individueller Löffel neben der Unterfütterung berechnungsfähig oder nicht?
- 1. Beispiel: So kann die Abrechnung beim gesetzlich versicherten Patienten aussehen
- 2. Beispiel: So kann die Berechnung beim Privatpatienten aussehen
Darum kann ein individueller Löffel notwendig sein
Eine vollständige Unterfütterung ist notwendig, wenn die gesamte Prothesenbasis dem Kiefer unvollkommen anliegt. Für die vollständige Unterfütterung einer totalen Prothese oder Deckprothese kann es zusätzlich notwendig sein, auch die Funktionsrandgestaltung zu erneuern. Um eine bestmögliche Haftung der Prothese zu gewährleisten, muss der Funktionsrand während der Weichteilbewegungen wie beispielsweise beim Schlucken und Kauen weitestgehend unbelastet bleiben.
Um eine Abdichtung der Prothesenränder zu erzielen, sollte sich der Funktionsrand möglichst luftdicht der Schleimhaut anlagern, um so das Aneinanderhaften von Prothese und Prothesenlager zu verbessern. Die Weichteile werden durch funktionelle Bewegungen der Bänder und Muskelansätze abgeformt. Bei der Funktionsabformung wird somit versucht, diejenige Form und Ausdehnung der beweglichen Grenzzonengewebe bei der Erstarrung des Abformmaterials festzuhalten, die ohne Behinderung die bestmögliche Funktionsrandwirkung erzielt. Dabei dient die Prothese selbst als individueller Abformlöffel.
Die Position(en) der GKV: Ist ein individueller Löffel neben der Unterfütterung berechnungsfähig oder nicht?
Nach den Abrechnungsbestimmungen der BEMA-Nrn. 100d–100f sind Leistungen nach den 98a–98c (Individuelle-/Funktionsabformung) nicht abrechnungsfähig.
Eine Funktionsabformung und die Gestaltung von Funktionsrändern im Zusammenhang mit der Unterfütterung von totalen Prothesen oder Deckprothesen sind im Leistungsansatz der BEMA-Nrn. 100d–100f nach der Auffassung vieler KZVen bereits enthalten. Damit ist die Funktionsabformung fester Bestandteil und Voraussetzung zur Abrechnung der BEMA-Nrn. 100e bzw. 100f und eine gesonderte Abrechnung nach den BEMA-Nrn. 98b bzw. 98c nicht gerechtfertigt. Über die Umarbeitung der Prothesenbasis zum individuellen Löffel findet sich jedoch keine Aussage.
Wie so oft gehen die Meinungen auseinander. In Bayern wurde z. B. in der Fachzeitschrift „Transparent“ (Nr. 20/2017) eine Leserfrage zur Thematik wie folgt beantwortet:
Frage: „Wie ist mit der Abrechnung zu verfahren, wenn für die Unterfütterung nach BEMA die vorhandene Prothese zum individuellen Löffel bzw. Funktionslöffel umgearbeitet wird?“
Antwort: In der GOZ ist es zulässig, gebührenrechtlich bei einer Prothesen-Unterfütterung Abformungen mit individuellem Löffel nach Nr. 5170 GOZ oder funktionelle Abformungen nach Nr. 5180 bzw. 5190 GOZ abzurechnen. Eine entsprechend vorbereitete vorhandene Prothese erfüllt die Anforderungen an einem individuellen Löffel bzw. Funktionslöffel. Demnach ist es möglich die Nr. 5170/5180/5190 GOZ neben BEMA-Nr. 100d/100e/100f zu berechnen.
Praxistipp | Erkundigen Sie sich bezüglich der regionalen Umsetzung bei Ihrer zuständigen KZV! |
1. Beispiel: So kann die Abrechnung beim gesetzlich versicherten Patienten aussehen
Der Patient hat einen Restzahnbestand von zwei Zähnen. Geplant ist die vollständige Unterfütterung einer Deckprothese mit funktioneller Randgestaltung im Oberkiefer. Die Prothese wird zum Funktionslöffel umgearbeitet.
Bemerkungen (bei Wiederherstellung Art der Leistung)
Der elektronische Bemerkungsschlüssel 14 kodiert die totale Unterfütterung als Wiederherstellungsmaßnahme.
Befunde für Festzuschüsse | ||
Befund-Nr. | Zahn/Gebiet | Anzahl |
6.7 | OK | 1 |
III. Kostenplanung nach BEMA | ||
BEMA-Nr. | Zahn/Gebiet | Anzahl |
100e | OK | 1 |
GOZ | Zahn/Gebiet | Anzahl |
5180 | OK | 1 |
BEMA-Nr. | Zahn/Gebiet | Anzahl |
100e | OK | 1 |
- a) Regelversorgung
- b) Gleichartige Versorgung
Eine gleichartige Versorgung kann nur dann gelten, wenn Ihre KZV die Umgestaltung der Prothesenbasis und die anschließende Funktionsabformung mit individuellem Löffel unter funktionellen Bewegungen der Bänder und Muskelansätze nach GOZ auch toleriert. Möglicherweise ist das jedoch nur bei speziellen Abformverfahren der Fall (z. B. bei „Gutowski-Prothesen“, siehe AAZ 09/2022, Seite 12 ff.). Die Material- und Laborkosten sind individuell zu ergänzen.
GOZ: Individueller Löffel kann neben der Unterfütterung abrechenbar sein
Nach der GOZ kann es gebührenrechtlich gestattet sein, bei der Unterfütterung einer totalen oder Deckprothese eine Abformung mit individuellem Löffel nach den Nrn. 5170–5190 GOZ zu berechnen. Die Prothese wird dafür entsprechend umgestaltet, z. B. durch Ausschleifen/Kürzen der Prothesenbasis oder der Funktionsränder, und nach einer privaten zahntechnischen Position berechnet. Die Preisfindung ist individuell zu erheben (Beispiel: BEB-Nr. 1120 [Umgestaltung Prothese/Prothesenbasis zum individuellen Abformlöffel]).
Liegt eine Doppelberechnung vor?
Die Berechnung der funktionellen Abformung mit einem individuellen Löffel nach den Nrn. 5170–5190 GOZ neben der vollständigen Unterfütterung nach Nr. 5280–5300 GOZ kann auch als Doppelberechnung ausgelegt werden. Dies ergibt sich aus § 4 Abs. 2 GOZ:
§ 4 Abs. 2 GOZ |
„Für eine Leistung, die Bestandteil oder eine besondere Ausführung einer anderen Leistung nach dem Gebührenverzeichnis ist, kann der Zahnarzt eine Gebühr nicht berechnen, wenn er für die andere Leistung eine Gebühr berechnet. (…) Eine Leistung ist methodisch notwendiger Bestandteil einer anderen Leistung, wenn sie inhaltlich von der Leistungsbeschreibung der anderen Leistung (Zielleistung) umfasst und auch in deren Bewertung berücksichtigt worden ist.“ |
Nach Auffassung z. B. der Landeszahnärztekammer (LZK) Schleswig-Holstein (2018) ist der Mehraufwand durch das mehrphasige Vorgehen bei der Unterfütterung über den Steigerungsfaktor der zugrunde liegenden Leistung geltend zu machen. Es gibt jedoch Krankheitsfälle, in denen die Berechnung der Nr. 5180 bzw. 5190 GOZ neben der Nr. 5290 bzw. 5300 GOZ angezeigt ist (z. B. bei der Umgestaltung einer Teilprothese in eine Interimstotalprothese oder als vorbereitende Maßnahme einer Rebasierung).
Nach Liebold/Raff/Wissing sind die Umarbeitung und die Abformung der Unterfütterung separat berechnungsfähig
Der Kommentar von Liebold/Raff/Wissing, der vor Gericht in vielen Bundesländern zur Entscheidungsfindung herangezogen wird, beschreibt die Berechnung einer individuellen bzw. funktionellen Abformung nach entsprechender Umgestaltung der Prothese neben den Nrn. 5280–5300 GOZ.
Wird z. B. im Vorfeld einer vollständigen Unterfütterung mit Randgestaltung nach BEMA-Nr. 100e und 100f die Prothese zu einem funktionellen Löffel umgearbeitet, ist für die Umarbeitung des Werkstücks eine private zahntechnische Position und für die funktionelle Abformung mit der umgearbeiteten Prothese die Nr. 5180 oder 5190 GOZ zzgl. des Abformmaterials gem. § 4 Abs. 3 GOZ abrechenbar.
Zudem weisen die Nrn. 5170–5190 GOZ keine einschränkende Abrechnungsbestimmung in Zusammenhang mit einer Unterfütterung auf, was auch für die GOZ-Leistungen nach den Nrn. 5280–5300 gilt.
2. Beispiel: So kann die Berechnung beim Privatpatienten aussehen
In der ersten Sitzung erfolgt eine Abformung der totalen Prothese im Unterkiefer zur Wiederherstellung des Bruches regio 34–38. In der zweiten Sitzung wird die Prothese nach Umgestaltung als Funktionslöffel für eine indirekte vollständige Unterfütterung eingegliedert.
Privater Therapieplan | ||||
Zahn/Gebiet | GOZ | Leistungsbeschreibung | Anzahl | Euro (2,3-fach) |
UK | 5260 | Wiederherstellung einer Prothese mit Abformung | 1 | 34,93 |
UK | 5190 | Funktionelle Abformung Unterkiefer | 1 | 69,85 |
UK | 5280 | Indirekte vollständige Unterfütterung | 1 | 34,93 |
Wichtig | Die Material- und Laborkosten (inkl. Umgestaltung der Prothese vor der Unterfütterungsabformung) sind individuell zu ergänzen.
Nach dem aktuellen BEMA-Honorar und dem GOZ-Honorar bei 2,3-fachen Gebührensatz zeigen sich teils erhebliche private Honorardefizite:
Honorarvergleich BEMA und GOZ | ||||
BEMA-Nr. | Euro ca. | GOZ | Euro ca. (2,3-fach) | Ungefährer Steigerungsfaktor, um BEMA-Honorar zu erzielen |
98a | 31 | 5170 | 32 | / |
98b | 62 | 5180 | 58 | 2,5-fach |
98c | 82 | 5190 | 70 | 2,7-fach |
100b | 54 | 5260 | 35 | 3,5-fach |
100d | 60 | 5280 | 35 | 3,9-fach |
100e | 88 | 5290 | 58 | 3,5-fach |
100f | 88 | 5300 | 70 | 2,9-fach |
Derzeit sind rund 80 bis 90 Gebührenpositionen des BEMA besser bewertet als die entsprechenden Leistungen aus der GOZ. Der Bereich der vollständigen Unterfütterungen ist davon erheblich betroffen.
- Totalprothesen nach Professor Gutowski richtig abrechnen (AAZ 09/2022, Seite 12 ff.)
AUSGABE: AAZ 6/2024, S. 11 · ID: 49961412