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StrafrechtFalschangaben bei der KV-Abrechnung können Computerbetrug begründen

Abo-Inhalt01.10.20245 Min. LesedauerVon RA, FA MedizinR, Healthcare Compliance Officer Alexander Meyberg, LL.M., D+B Rechtsanwälte Partnerschaft mbB, Düsseldorf, Berlin

| Wenn ein Arzt Leistungen über ein Abrechnungsportal der zuständigen KV abrechnet, die er nicht erbracht hat, so kann es sich um Computerbetrug durch die Verwendung unrichtiger Daten gemäß § 263a Abs. 1 Alt. 2 Strafgesetzbuch (StGB) handeln. Dies gilt auch dann, wenn die Daten in ein Programm eingegeben werden, das diese nicht prüft. Das Landgericht (LG) Nürnberg-Fürth hat dies nun in seinem Eröffnungsbeschluss klargestellt (Beschluss vom 09.04.2024, Az. 12 KLs 112 Js 10426/22). |

Sachverhalt

Nach der Aktenlage ist davon auszugehen, dass der angeklagte Arzt während der Coronapandemie aufgrund einer Kooperationsvereinbarung mit der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) als Impfarzt in verschiedenen Impfzentren in Bayern tätig geworden ist. Dabei soll er in 18 Fällen gegenüber der KVB insgesamt rund 640.000 Euro falsch abgerechnet haben, indem er nicht erbrachte Leistungen geltend gemacht hat. Die Honorare sollen dabei über das für die Impfabrechnung eingerichtete Onlineportal „Meine KVB“ beantragt worden sein. Hierzu mussten die Daten der Impfungen mit Zeit und Ort der Leistungserbringung eingegeben werden.

Die Eingabemaske enthielt dabei am Ende des Eingabevorgangs folgenden Hinweis: „Bitte beachten Sie, dass Angaben wahrheitsgemäß sein müssen und Sie keine Leistungen angeben dürfen, die Ihnen Dritte erstatten.“ Unmittelbar darunter befand sich ein Kästchen, das durch das Setzen eines Hakens aktiviert werden musste. Neben diesem befand sich der folgende Text: „Hiermit bestätige ich, dass die Angaben wahrheitsgemäß sind und ich für diese Tätigkeiten keine Erstattung Dritter, z. B. von einem privaten Dienstleister, der das Impfzentrum betreibt, erhalte.“ Erst nach dem Setzen des Hakens konnte der Button „Abrechnung jetzt einreichen“ aktiviert und die Abrechnung abgeschickt werden. In der Folge hat die KVB die Anträge monatlich abgerechnet. Die Auszahlung erfolgte allein auf den von den Impfärzten gemachten Angaben. Eine sachliche oder inhaltliche Prüfung der von den Impfärzten erfassten Abrechnungsdaten erfolgte nicht. Es wurde lediglich ein Auszug der eingegebenen Daten durch die KVB gesichert und in eine Abrechnungssoftware übertragen.

Entscheidungsgründe

Das LG Nürnberg-Fürth kommt in seinem Beschluss zu dem Ergebnis, dass sich der Angeklagte – den Tatnachweis in der Hauptverhandlung vorausgesetzt – wegen Computerbetrugs in 18 Fällen schuldig gemacht haben kann. Dabei geht die Kammer – anders als die Anklage – von einer Verwirklichung des § 263a Abs. 1 Alt. 2 StGB aus. Dieser setzt eine Verwendung unrichtiger Daten voraus (sogenannte Input-Manipulation). Unrichtig sind die Daten, wenn der durch sie vermittelte Informationsgehalt keine Entsprechung in der Wirklichkeit hat. Maßgeblich für die Verwirklichung des Tatbestands nach § 263a Abs. 1 Alt. 2 StGB ist laut der Kammer, ob die zur Last gelegte Handlung einer Täuschung i. S. d. § 263 Abs. 1 StGB entspricht. Dies ist denkbar, wenn sich in der elektronischen Datenverarbeitung Ansätze zur Kontrolle befinden, d. h. der Computer zumindest irgendetwas zur Anspruchsberechtigung prüft.

§ 263a Abs. 1 Alt. 2 StGB (Computerbetrug)

„Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, dass er das Ergebnis eines Datenverarbeitungsvorgangs durch unrichtige Gestaltung des Programms, durch Verwendung unrichtiger oder unvollständiger Daten, durch unbefugte Verwendung von Daten oder sonst durch unbefugte Einwirkung auf den Ablauf beeinflusst, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“

Bei der Honorar-Beantragung über ein von der KVB für die Impfabrechnung eingerichtetes Online-Portal findet zwar keine Prüfung des Programms zur materiellen Berechtigung des erhobenen Anspruchs statt. Allerdings kann das Programm die Auszahlung nicht freigeben, wenn der Arzt nicht durch das Setzen eines Hakens die Wahrheit der eingegebenen Angaben bestätigt. Wird der Haken gesetzt, hätte laut der Kammer ein Mensch anstelle des Computers die Vorstellung, die gemachten Angaben seien wahr. Hätte ein Mensch bei der KVB überobligatorisch (ohne existierende Prüfpflicht) die fehlende Berechtigung des Honorarantrags des Angeklagten erkannt, wäre diese Person verpflichtet gewesen, die Honorar-Auszahlung zu unterbinden. Daher kann der Tatbestand des § 263a 1 Alt. 2 StGB bei der Eingabe falscher Daten auf einem Online-Portal zur Honorar-Beantragung erfüllt sein.

Fazit | Der Beschluss des LG Nürnberg-Fürth macht deutlich, dass ein täuschungsäquivalentes Verhalten i. S. d. § 263a Abs. 1 Alt. 2 StGB vorliegt, wenn der Täter (hier: der Arzt) einen Menschen täuschen müsste, der sich mit Fragen befasst, die auch der Computer prüft. Dies setzt voraus, dass der Computer zumindest einen für die Anspruchsberechtigung relevanten Umstand prüft. Aus der Sicht des Verfassers ist die Argumentation des LG Nürnberg-Fürth durchaus nachvollziehbar und konsequent. Es bleibt spannend, ob der Tatnachweis in der Hauptverhandlung gelingt und zu welchem Urteil die Kammer letztlich kommt. Zudem dürfte auch noch interessant werden, welche Konsequenzen in einem möglichen berufsrechtlichen Verfahren auf den Angeklagten zukommen, wenn es zu einer Verurteilung im Strafverfahren kommt. Vor dem Hintergrund der dargestellten Entscheidung sollten sich niedergelassene Ärztinnen bzw. Ärzte genaustens überlegen, welche Angaben sie in ihrer Abrechnung machen und ob diese so auch tatsächlich korrekt sind. Ein Computerbetrug kann bereits angenommen werden, wenn Daten in ein Programm eingegeben werden, die dieses nicht prüft. Um Fehler in der Abrechnung zu vermeiden, ist es zwingend geboten, dass die Abrechnungsprozesse regelmäßig überprüft und ggf. angepasst werden. Fehler in der Abrechnung können nicht nur zu erheblichen finanziellen Einbußen und Verwaltungsaufwand führen, sondern im schlimmsten Fall auch zu einer Strafbarkeit wegen Abrechnungs- oder Computerbetrugs. Zudem droht auch die Entziehung der Approbation. Daher sollten Maßnahmen zur Fehlervermeidung implementiert werden.
  • Dokumentation: Um Abrechnungsfehler zu vermeiden, ist zunächst die sorgfältige und vollständige Dokumentation das „A und O“. Sie ist die Grundlage für eine fehlerfreie Abrechnung. Dazu gehört die genaue Erfassung von Diagnosen, Behandlungen und verwendeten Materialien. Eine lückenlose Dokumentation erleichtert die Nachvollziehbarkeit und Überprüfung der Abrechnung.
  • Plausibilitätsprüfungen: Praxisinterne Plausibilitätsprüfungen sind ein effektives Mittel zur Fehlervermeidung.
  • Vier-Augen-Prinzip: Zu guter Letzt ist auch die doppelte Kontrolle der Abrechnungsdaten ein wirksames Mittel zur Fehlervermeidung. So können durch das Vier-Augen-Prinzip Fehler schneller entdeckt und behoben werden. Dies ist besonders wichtig bei der Abrechnung komplexer oder umfangreicher Leistungen.

AUSGABE: AAA 10/2024, S. 15 · ID: 50166381

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