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LiquidationsrechtGOÄ-Abrechnung delegierter Leistungen: nur mit eigenem Fachwissen

Abo-Inhalt27.08.20244 Min. LesedauerVon Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht Torsten Münnch, D+B Rechtsanwälte Partnerschaft mbB, Berlin

| Wer als Arzt Privatleistungen an sein Personal delegiert, muss die Auswirkungen auf den Honoraranspruch gegen den Patienten beachten. Leidet die Delegation unter einem rechtlichen Fehler, wird davon auch der Honoraranspruch erfasst. Das Verwaltungsgericht (VG) Hamburg versagte einem Arzt das Honorar mit dem Argument, ihm könne die an einen angestellten Diplom-Sportwissenschaftler delegierte Leistung mangels eigenen Fachwissens nicht zugerechnet werden. In diesem Beitrag wird das Urteil des VG vom 11.04.2022 aufgegriffen, das in den juristischen Kommentaren bislang kaum thematisiert worden ist (Az. 21 K 2261/20). |

Sachverhalt

Anlass des Gerichtsverfahrens war eine beihilferechtliche Streitigkeit. Der Beamte hatte in der Praxis des Orthopäden zehnmal eine Stunde auf einer Vibrationsplatte gestanden, die sich abwechselnd nach rechts und links neigte, um ein Bewegungsmuster ähnlich dem menschlichen Gang zu simulieren. Damit sollte eine hypertrophe Spondylarthrose im Bereich der Lendenwirbelkörper 3/4 und 4/5 behandelt werden. Die Betreuung während der Behandlung fand durch einen diplomierten Sportwissenschaftler statt. Der Arzt stellte dem Beamten eine Rechnung nach der GOÄ über insgesamt 477,80 Euro aus. Die Beihilfestelle verweigerte eine Kostenerstattung, sodass der Beamte beim VG Hamburg Zahlungsklage erhob. Das Gericht hatte zu prüfen, ob der Beamte nach der Hamburger Beihilfeverordnung Anspruch auf Kostenerstattung hat. Die Verordnung verlangt dafür die Leistung einer Ärztin oder eines Arztes. Das Gericht hatte also zu entscheiden, ob die Betreuung durch den Sportwissenschaftler als „Leistung des Arztes“ angesehen werden kann. Zwar enthält die Hamburger Beihilfeverordnung dazu keine eigenständige Regelung, verweist aber auf die GOÄ. Zur Konkretisierung des Begriffs der ärztlichen Leistung wendete das Gericht deshalb § 4 Abs. 2 S. 1 GOÄ an. Damit stand also nicht nur der Beihilfeanspruch des Beamten, sondern (inzident) auch der Vergütungsanspruch des Arztes auf dem Prüfstand.

Entscheidungsgründe

Das VG hat die Klage abgewiesen und damit auch den Vergütungsanspruch des Arztes gegenüber dem Patienten verneint.

GOÄ-Leistungen vom Arzt selbst zu erbringen oder zu delegieren

Die GOÄ geht in Übereinstimmung mit den Regelungen des im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) verankerten Behandlungsvertrags (§ 630a in Verbindung mit § 613 BGB) und dem ärztlichen Berufsrecht (§ 19 Abs. 1 S. 1 Muster-Berufsordnung) vom Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung aus. Im Hinblick auf das Honorar formt die GOÄ diesen Grundsatz näher aus, indem sie dem Arzt die Abrechnung nur solcher Leistungen erlaubt, die er entweder „selbst erbracht hat oder die unter seiner Aufsicht und nach seiner fachlichen Weisung erbracht wurden“ (§ 4 Abs. 2 S. 1 GOÄ, sog. Delegation).

Keine Delegation von Leistungen, für die es dem Arzt an Kompetenz fehlt

Der Arzt bekundete als Zeuge, dass seine Aufgabe maßgeblich darin bestanden habe, die Diagnose zu stellen und die Notwendigkeit der Therapie zu erkennen. Die einzelnen Entscheidungen hinsichtlich der konkreten Behandlung habe hingegen der Sportwissenschaftler getroffen. Der Arzt gab weiter an, gar nicht über die fachliche Kompetenz für die Therapie zu verfügen. Vielmehr habe nur der Sportwissenschaftler die erforderliche hohe Spezialisierung für die Arbeit mit der Vibrationsplatte besessen. Das genügte dem Gericht nicht für die Qualifizierung dieser Leistung als „ärztlich“. Es sei – so das Gericht – nicht nur erforderlich, dass der Arzt die grundlegenden Entscheidungen über Eingriffe und Therapie trifft. Vielmehr müsse er den Leistungen sein persönliches Gepräge geben und insbesondere die Leistungserbringung eigenverantwortlich überwachen. Der Arzt müsse Aufsicht und Weisung so ausüben, dass er seiner Verantwortlichkeit für die Durchführung delegierter Leistungen im Einzelfall auch tatsächlich und fachlich gerecht werden kann. Ausdrücklich bezog sich das Gericht auf die Begründung der Bundesregierung für die Einführung der Delegationsvoraussetzungen im § 4 GOÄ im Jahr 1988. Danach könnten solche Leistungen nicht als nach „fachlicher“ Weisung des Arztes erbracht angesehen werden, die der Arzt selbst mangels entsprechender Ausbildung nicht fachgerecht durchführen kann.

Der Arzt habe zwar mit Stellung einer Diagnose und der allgemeinen Anordnung einer Therapie eine der Durchführung der Therapie vorgelagerte eigene Tätigkeit ausgeübt. Um dem Arzt die in der anschließenden Therapie vom Hilfspersonal erbrachten Leistungen zurechnen zu können, müsse der Arzt jedoch konkrete Ausgestaltungsmaßnahmen vorgeben. Wenn ihm dazu die fachliche Qualifikation fehle, seien ihm dies jedoch nicht möglich, sodass es an der nach der GOÄ erforderlichen „fachlichen“ Weisung fehle. Eine andere Bewertung sei auch nicht dadurch gerechtfertigt, dass der Arzt mit dem Sportwissenschaftler im Austausch stand und punktuell im Behandlungsraum anwesend war, da dabei ein grundlegender Einfluss auf die Therapie nicht ausgeübt worden sei.

Fazit | Ist einem Arzt die Erteilung fachlicher Therapieanweisungen an sein Hilfspersonal mangels fachlicher Kompetenz nicht möglich, kann er die vom Hilfspersonal erbrachte Leistung nicht abrechnen! Auf die Frage, ob das Hilfspersonal ausreichend fachlich qualifiziert ist oder ob die Leistung tatsächlich korrekt durchgeführt wurde, kommt es nicht an.
Das wäre übrigens anders, wenn der fachlich nicht ausreichend qualifizierte Arzt die Leistung selbst erbringt. Macht er dabei (u. U. nur zufällig) alles richtig, steht ihm das Honorar nach GOÄ zu. Und sogar dann, wenn ihm aufgrund seiner mangelnden Qualifikation ein Fehler unterläuft, kann er grundsätzlich das Honorar nach GOÄ in voller Höhe beanspruchen, weil weder die GOÄ noch die Vorschriften des BGB über den Behandlungsvertrag eine Honorarminderung wegen Schlechtleistung kennen. Allerdings wäre der unqualifizierte Arzt dem Patienten für den fehlerbedingt entstandenen Schaden ersatzpflichtig geworden. In diesem Punkt unterscheidet er sich aber nicht von dem grundsätzlich qualifizierten, im Einzelfall aber fehlerhaft arbeitenden Arzt.

AUSGABE: AAA 9/2024, S. 14 · ID: 50135642

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