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LohngleichheitKlage einer ArbN auf höheres Arbeitsentgelt in Höhe von 130.000 EUR erfolgreich

Abo-Inhalt06.02.20252553 Min. Lesedauer

| Der Anspruch eines ArbN auf höheres Arbeitsentgelt nach dem EntgTranspG und dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz besteht nur in Höhe der Differenz der Mediane der männlichen und weiblichen Vergleichsgruppe. |

Sachverhalt

Eine ArbN streitet im Wesentlichen mit ihrem ArbG über Vergütungs- und Schadenersatzansprüche aus Gründen der Entgeltgleichheit für die Jahre 2018 bis 2022. Sie beruft sich dabei auf das EntgTranspG sowie den Gleichbehandlungsgrundsatz. Primär forderte sie dabei die Differenz ihrer individuellen Vergütung zum Entgelt eines von ihr namentlich benannten männlichen Vergleichskollegen bzw. des bestbezahlten Kollegen ein, hilfsweise die Differenz ihrer individuellen Vergütung zum Medianentgelt der männlichen Vergleichsgruppe.

Entscheidungsgründe

Das LAG Baden-Württemberg (1.10.24, 2 Sa 14/24, Abruf-Nr. 244786) sprach der ArbN die höhere Vergütung für die Jahre 2018 bis 2022 teilweise zu. In Teilen erfolgreich war die ArbN, die im streitigen Zeitraum in hälftiger Teilzeit auf der dritten Führungsebene des Unternehmens tätig war, im Hinblick auf die Gehaltsbestandteile Grundgehalt, Company Bonus, Pension One-Kapitalbaustein sowie virtuelle Aktien nebst Dividendenäquivalente. Insgesamt wurden der ArbN von den eingeklagten rund 420.000 EUR ca. 130.000 EUR brutto für fünf Jahre zugesprochen. Das Arbeitsgericht gab der Klage in erster Instanz noch in weiterem Umfang statt.

Nach § 3 Abs. 1 EntgTranspG sei bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit eine unmittelbare oder mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts im Hinblick auf sämtliche Entgeltbestandteile und Entgeltbedingungen verboten. Zudem sei dieses Verbot in § 7 EntgTranspG niedergelegt, wonach für gleiche oder für gleichwertige Arbeit nicht wegen des Geschlechts der oder des Beschäftigten ein geringeres Entgelt vereinbart oder gezahlt werden darf als bei einer oder einem Beschäftigten des anderen Geschlechts.

Hintergrund des EntgTranspG seien Bestimmungen aus dem EU-Recht. Art. 157 Abs. 1 AEUV verlangt, dass Frauen und Männer bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit das gleiche Entgelt erhalten. Die entsprechenden Bestimmungen der Richtlinie 2006/54/EG zum Verbot der Diskriminierung beim Entgelt, darunter insbesondere deren Art. 2 Abs. 1 Buchst. e und Art. 4, seien von der unmittelbaren Anwendbarkeit von Art. 157 AEUV miterfasst. Deshalb seien § 3 Abs. 1 und § 7 EntgTranspG entsprechend der Richtlinie 2006/54/EG und im Einklang mit Art. 157 AEUV unter Berücksichtigung der EuGH-Rechtsprechung unionsrechtskonform auszulegen. Zudem gebiete der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz dem ArbG, ArbN oder Gruppen von ArbN, die sich in gleicher oder vergleichbarer Lage befinden, gleich zu behandeln.

Im hiesigen Fall habe das individuelle Entgelt der ArbN sowohl unterhalb des Medianentgelts der weiblichen Vergleichsgruppe als auch unterhalb des Medianentgelts der männlichen Vergleichsgruppe der dritten Führungsebene gelegen.

Das LAG sah nur ein hinreichendes Indiz für eine geschlechtsbezogene Benachteiligung in Höhe der Differenz des männlichen zum weiblichen Medianentgelt. Art. 157 AEUV bzw. § 3 Abs. 1, § 7 EntgTranspG würden nicht irgendein Indiz im Sinne von § 22 AGG für eine geschlechtsbedingte Vergütungsdiskriminierung ausreichen lassen, um einen Anspruch auf den maximal denkbaren Differenzbetrag zu begründen. Vielmehr müsse ein Indiz gerade für eine geschlechtsbedingte Benachteiligung in einer ganz bestimmten Höhe bestehen. Da hier feststand, dass die Vergütung des zum Vergleich herangezogenen Kollegen oberhalb des Medianentgelts der männlichen Vergleichsgruppe (anders als in BAG 16.2.23, 8 AZR 450/21, Abruf-Nr. 233917) und die Vergütung der ArbN zudem unterhalb des vom ArbG konkret bezifferten Medianentgelts der weiblichen Vergleichsgruppe (anders als in BAG 21.1.21, 8 AZR 488/19, Abruf-Nr. 220283) gelegen habe, bestehe keine hinreichende Kausalitätsvermutung dahin gehend, dass die volle Differenz des individuellen Gehalts der ArbN zum Gehalt des namentlich benannten männlichen Kollegen bzw. dem Median der männlichen Vergleichsgruppe auf einer geschlechtsbedingten Benachteiligung beruhe.

Einen Anspruch auf Anpassung „nach ganz oben“ könne die ArbN auch nicht auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz stützen (entgegen LAG Düsseldorf 20.4.23, 13 Sa 535/22, Abruf-Nr. 238390). Der Gleichbehandlungsgrundsatz sei bei Differenzierungen innerhalb der begünstigten Gruppe auf den Durchschnittswert gerichtet (im Anschluss an BAG 23.2.11, 5 AZR 84/10, Abruf-Nr. 112323). Vorliegend habe der ArbG die danach verbleibende Ungleichbehandlung etwa anhand der Kriterien „Berufserfahrung“, „Betriebszugehörigkeit“ oder „Arbeitsqualität“ nicht konkret begründen können.

Relevanz für die Praxis

Arbeitsrechtler und -gerichte müssen sich künftig auf mehr Verfahren wegen ungleichem Arbeitsentgelt (Equal Pay) einstellen. Aufgrund der viel beachteten Entscheidung des BAG (16.2.23, 8 AZR 450/21, Abruf-Nr. 233917) ist das Thema „Equal Pay“ nun endgültig aus dem Dornröschenschlaf erwacht. Nach dem BAG könne allein das bessere Verhandlungsgeschick eines männlichen Kollegen die Vermutung einer geschlechtsbezogenen Ungleichbehandlung nicht widerlegen. Zudem verlangt die neue Entgelttransparenzrichtlinie (EU) 2023/970, die bis zum 7.6.26 in nationales Recht umzusetzen ist, dass ArbG über Vergütungsstrukturen verfügen, durch die gleiches Entgelt bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit gewährleistet wird. Hierbei gilt:

Praxistipp | ArbG sollten zunächst eine Bestandsaufnahme ihrer Stellenbewertungs- und Vergütungssysteme machen. So können sie mögliche Angriffspunkte identifizieren und beheben. Hilfreich können dabei transparente und detaillierte, möglichst sogar analytische Score-based Stellenbewertungssysteme sein.

  • Die Vergütungsstrukturen müssen so beschaffen sein, dass anhand objektiver, geschlechtsneutraler Kriterien beurteilt werden kann, ob sich die ArbN beim Wert der Arbeit in einer vergleichbaren Situation befinden.
  • Gibt es einen Betriebsrat im Unternehmen, müssen die Strukturen mit den ArbN-Vertretern vereinbart werden (als BV).
  • Diese Kriterien dürfen weder in unmittelbarem noch in mittelbarem Zusammenhang mit dem Geschlecht der ArbN stehen.
  • Zudem sollen sie die Kriterien Kompetenzen, Belastungen, Verantwortung und Arbeitsbedingungen umfassen (neben weiteren Faktoren).
  • Da nicht alle Faktoren für eine bestimmte Position gleich relevant sind, sollte der Richtlinie zufolge jeder der vier Faktoren vom ArbG nach Maßgabe der Relevanz dieser Kriterien für den Arbeitsplatz gewichtet werden.
  • Auch müssen die ArbG nach der Richtlinie künftig Informationen betreffend die Kriterien zur Festlegung des Entgelts, die Entgelthöhe und die Entgeltentwicklung leicht zugänglich zur Verfügung stellen.

Wichtig | Die Entgelttransparenzrichtlinie sieht deutliche Beweiserleichterungen für Kläger vor: Macht der ArbN Tatsachen glaubhaft, die das Vorliegen einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung vermuten lassen, muss der ArbG nachweisen, dass keine unmittelbare oder mittelbare Entgeltdiskriminierung vorliegt. Hat der ArbG zuvor bestimmte der Richtlinie entstammende Entgelttransparenzpflichten nicht erfüllt, muss er nachweisen, dass keine Diskriminierung vorliegt.

Zudem sind ArbN der Richtlinie zufolge bei der Bewertung, ob gleiche oder gleichwertige Arbeit verrichtet wird, nicht auf denselben ArbG beschränkt. Sie können sich auch auf eine einheitliche Quelle beziehen. Eine einheitliche Quelle liegt vor, wenn diese alle für den Vergleich zwischen ArbN relevanten Elemente des Entgelts festlegt. Ebenfalls ist die Bewertung, ob sich ArbN in einer vergleichbaren Situation befinden, nicht auf ArbN beschränkt, die zur gleichen Zeit wie der betreffende ArbN beschäftigt sind. Wenn keine echte Vergleichsperson ermittelt werden kann, kann unter Umständen – gestützt auf Statistiken – auf eine hypothetische Vergleichsperson des anderen Geschlechts abgestellt werden. Die Richtlinie sieht zudem vor, dass die nationalen Gerichte bewerten können sollen, ob ein in einer Equal Pay Klage unterlegener ArbN berechtigte Gründe hatte, den Anspruch geltend zu machen. In einem solchen Fall könnten sie dann beurteilen, ob es angemessen ist, der unterlegenen Partei die Verfahrenskosten aufzuerlegen.

Praxistipp | Bei Equal Pay Klagen sind zwei Aspekte wichtig: Zum einen müssen die von der klagenden Partei und die von den Vergleichsmitarbeitern des anderen Geschlechts besetzten Stellen gleich oder gleichwertig sein. Ist das der Fall und liegt dennoch eine unterschiedliche Vergütung vor, besteht eine Vermutung für eine geschlechtsbedingte Benachteiligung. Hier stellt sich die Frage, ob auf der Rechtfertigungsebene diskriminierungsfreie sachliche Gründe für eine entgeltbezogene Ungleichbehandlung dargelegt werden können (z. B. Unternehmenszugehörigkeit, Erfahrung oder Leistung).

Gegen das obige Urteil ließ das LAG die Revision zum BAG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache für beide Parteien zu.

AUSGABE: AA 2/2025, S. 28 · ID: 50292161

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