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AGGDarf auch eine zweigeschlechtliche Person die Gleichstellungsbeauftragte sein?

Abo-Inhalt06.02.20255 Min. Lesedauer

| Die landesrechtliche Vorgabe, die Stelle der Gleichstellungsbeauftragten mit einer Frau zu besetzen, verstößt nicht gegen § 8 Abs. 1 AGG und gegen grund- und europarechtliche Vorgaben. |

Sachverhalt

Die Parteien streiten über einen Anspruch der klagenden Partei auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG wegen eines Verstoßes gegen das Verbot der Benachteiligung unter anderem aufgrund des Geschlechts im Rahmen eines Bewerbungsverfahrens um die Stelle einer Gleichstellungsbeauftragten.

Die klagende Partei verfügt über einen Hochschulabschluss als Magistra Juris/Master of Laws LL.M. und war mehrere Jahre akademisch-wissenschaftlich im höheren Dienst an verschiedenen Universitäten beschäftigt. Sie ist zweigeschlechtlich geboren und kann weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden. Sie bezeichnet sich selbst unter anderem als Hermaphrodit. Das angeborene biologische Geschlecht stimmt mit der geschlechtlichen Identität der klagenden Partei überein. Sie ist als schwerbehinderter Mensch anerkannt.

Der Beklagte ist ein Landkreis in Schleswig-Holstein. Er veröffentlichte eine Stellenausschreibung in der ausschließlich in weiblicher Form gesprochen wurde, z. B. „Beim Kreis D ist zum nächstmöglichen Zeitpunkt die Position der Gleichstellungsbeauftragten“ und weiter „ Die Gleichstellungsbeauftragte …“

Die klagende Partei bewarb sich auf die Stelle der Gleichstellungsbeauftragten. Der Beklagte führte Auswahlgespräche mit mehreren Bewerbern. Nach einem Auswahlgespräch mit der klagenden Partei, an dem jedoch weder der Landrat noch die Schwerbehindertenvertretung teilnahmen, teilte der Beklagte der klagenden Partei mit, dass sich die Auswahlkommission für eine andere Bewerberin entschieden habe.

Die klagende Partei verlangt die Zahlung einer Entschädigung, da sie in nicht gerechtfertigter Weise unter anderem wegen ihres Geschlechts, ihrer ethnischen Herkunft und ihrer Behinderung benachteiligt worden sei. Sie sei nur der Form halber zum Auswahlgespräch eingeladen, zu keinem Zeitpunkt aber ernsthaft in die Auswahl einbezogen worden. Die Stellenausschreibung, die nur Frauen anspreche, begründe eine Vermutung für eine Benachteiligung wegen des Geschlechts. Die – aus ihrer Sicht verfassungswidrigen – landesrechtlichen Vorgaben behielten die Stelle einer Gleichstellungsbeauftragten ausschließlich Frauen vor. Auch liege eine Benachteiligung wegen der ethnischen Herkunft vor. Zweigeschlechtliche Menschen seien wegen genetischer Besonderheiten jedenfalls auch als ethnische Minderheit anzusehen.

Das Arbeitsgericht gab der Klage teilweise statt und verurteilte den Beklagten zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 3.500 EUR. Das LAG Schleswig-Holstein wies die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten zurück. Mit der Revision verfolgt der Beklagte sein Ziel der vollständigen Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe

Das BAG (17.10.24, 8 AZR 214/23, Abruf-Nr. 245801) kam zum Ergebnis, dass die Revision des Beklagten begründet ist. Die Klage auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG sei unbegründet. Der Beklagte habe die klagende Partei nicht wegen ihres Geschlechts oder eines anderen Grundes im Sinne von § 1 AGG benachteiligt.

Zwar sei der persönliche Anwendungsbereich des AGG eröffnet. Der Beklagte habe die klagende Partei jedoch nicht unzulässig wegen ihres Geschlechts im Sinne von § 7 AGG benachteiligt. Die unterschiedliche Behandlung der klagenden Partei sei nach § 8 Abs. 1 AGG zulässig gewesen. Eine unmittelbare Benachteiligung der klagenden Partei wegen des Geschlechts sei nach § 8 Abs. 1 AGG, Art. 14 Abs. 2 RL 2006/54/EG zulässig.

Nach den in Schleswig-Holstein geltenden landesrechtlichen Regelungen sei die Stelle der Gleichstellungsbeauftragten – entgegen der Auffassung des LAG – zwingend mit einer Frau zu besetzen. Die Bestellung der Gleichstellungsbeauftragten dürfe nach § 18 Abs. 1 S. 3 Gesetz zur Gleichstellung der Frauen im öffentlichen Dienst Schleswig-Holstein (GstG SH) „nicht ohne Zustimmung der betroffenen Frau“ erfolgen. Für den Bereich der Landkreise folge die zwingende Besetzung der Stelle der Gleichstellungsbeauftragten mit einer Frau aus dem Wortlaut von § 2 Abs. 3 Kreisordnung für Schleswig-Holstein (KrO SH). Der Begriff der Gleichstellungsbeauftragten werde dort ausschließlich in der weiblichen Form verwendet, obwohl ansonsten das Gesetz, etwa in §§ 6, 7 und 10 KrO SH, jeweils die männliche und die weibliche Form nutze (BAG 18.3.10, 8 AZR 77/09; LAG Schleswig-Holstein 2.11.17, 2 Sa 262 d/17).

Die landesgesetzliche Beschränkung auf ein bestimmtes Geschlecht führe für sich genommen jedoch nicht zur Rechtfertigung einer auf sie gestützten Maßnahme. Die gesetzliche Vorgabe sei ihrerseits nur entscheidend, wenn bezüglich des geregelten Sachverhalts die Voraussetzungen von § 8 Abs. 1 AGG, Art. 14 Abs. 2 RL 2006/54/EG inhaltlich erfüllt seien. Die Beschränkung auf weibliche Gleichstellungsbeauftragte müsse darüber hinaus im Hinblick auf Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG und Art. 33 Abs. 2 GG verfassungsgemäß sein. Diese Voraussetzungen seien in Bezug auf die vorliegend anzuwendenden landesrechtlichen Regelungen gegeben.

Die landesrechtliche Vorgabe, die Stelle der Gleichstellungsbeauftragten mit einer Frau zu besetzen, sei nach § 8 Abs. 1 AGG, Art. 14 Abs. 2 RL 2006/54/EG nicht zu beanstanden. Aufgrund der Art der auszuübenden Tätigkeit und der Bedingungen ihrer Ausübung sei es eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung, dass die Gleichstellungsbeauftragte dasselbe Geschlecht aufweise wie die nach dem Gleichstellungsgesetz Schleswig-Holstein vorrangig zu fördernden weiblichen Beschäftigten. Dieses mit dem Geschlecht im Zusammenhang stehende Merkmal sei eine Anforderung, die angemessen sei. Sie diene einem rechtmäßigen Zweck im Sinne von § 8 Abs. 1 AGG, Art. 14 Abs. 2 RL 2006/54/EG.

Die Beschränkung auf weibliche Gleichstellungsbeauftragte nach dem Gleichstellungsgesetz Schleswig-Holstein und der Kreisordnung Schleswig-Holstein sei auch im Hinblick auf Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG und Art. 33 Abs. 2 GG verfassungsgemäß. Die Entscheidung des Senats zur Stelle einer Gleichstellungsbeauftragten nach der Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen (BAG 12.11.98, 8 AZR 365/97) stehe vorliegend der Annahme nicht entgegen, dass die Stelle der Gleichstellungsbeauftragten nach den landesgesetzlichen Bestimmungen nur Frauen übertragen werden könne. Die nicht tragende Begründung sei zur Rechtslage vor dem Inkrafttreten des AGG zu inhaltlich abweichenden landesrechtlichen Regelungen ergangen und stelle entscheidend auf den dortigen Parteivortrag ab.

Die klagende Partei könne auch nicht erfolgreich geltend machen, der Beklagte habe sie unzulässig wegen anderer Gründe im Sinne von § 1 AGG benachteiligt, unter anderem ihrer (Schwer-)Behinderung oder ihrer ethnischen Herkunft. Soweit die klagende Partei eine formale Qualifikation nicht aufweise oder eine formale Anforderung nicht erfülle, die unverzichtbare Voraussetzung für die Ausübung der Tätigkeit oder des Berufs an sich sei, könne in der Regel davon ausgegangen werden, dass die Bewerbung ausschließlich aus diesem Grund erfolglos blieb. In einem solchen Fall liege regelmäßig kein Kausalzusammenhang zwischen der benachteiligenden Behandlung und einem in § 1 AGG genannten Grund vor. Hier bestehe die zwingende Anforderung eines anderen Geschlechts.

Relevanz für die Praxis

Allein die Tatsache, dass sich eine zweigeschlechtliche Person auf eine für ein bestimmtes Geschlecht ausgeschriebene Stelle bewirbt, reicht nicht aus, um die Vermutung einer Benachteiligung nach § 22 AGG auszulösen, wenn das Geschlecht rechtmäßig kraft Landesrechts zur zwingenden Voraussetzung für die Stelle gemacht worden ist.

AA-02.2025_Zweigeschlechtliche_Person.eps (© IWW Institut)
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AUSGABE: AA 2/2025, S. 23 · ID: 50292167

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