FreistellungDas wäre schön: Die dauerhafte unwiderrufliche Freistellung mit Fortzahlung der Vergütung?
| Die Abrede zu einer dauerhaften unwiderruflichen Freistellung mit Fortzahlung der Vergütung muss der ArbN beweisen können. |
Sachverhalt
Der ArbN war seit 1994 im Bereich der Grünpflege bei der beklagten Stadt tätig. Er war einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt und tarifvertraglich ordentlich unkündbar. Sein letzter Verdienst war monatlich 3.200 EUR brutto. 2015 wurde er zum Ordnungsamt abgeordnet. Mit einstweiligem Verfügungsverfahren erreichte er, dass die Abordnung Ende 2015 unter der Voraussetzung einer vertrauensärztlichen Untersuchung nicht beendet wurde. Die Stadt teilte dem ArbN mit, dass, sofern er seine Arbeitskraft nach Beendigung seiner Arbeitsunfähigkeit anbiete, diese bis auf Widerruf nicht angenommen werde, insbesondere nicht vor dem amtsärztlichen Untersuchungsergebnis. Es werde auf das persönliche Anbieten der Arbeitsleistung verzichtet und der Arbeitswille unterstellt. Gleichzeitig erfolge die Zahlung von Vergütung nach den Grundsätzen des Annahmeverzugslohns.
Ein Versetzungsantrag des ArbN an das Ordnungsamt scheiterte. 2017 bot die Stadt dem ArbN eine Einsatzmöglichkeit im Amt für Straßen und Verkehr an. Trotz mehrfacher Versuche kam es zu keinem Gespräch. In einem weiteren arbeitsgerichtlichen Verfahren erklärte die Stadt, dass eine Tätigkeit im Bereich Straßen und Verkehr für den ArbN vorhanden sei. Das Verfahren wurde ruhend gestellt und ein Termin zum Kennenlernen seitens des ArbN wahrgenommen. Dieser verlief negativ. Nach der Vorstellung des ArbN in einem Museum im Frühjahr 2018 kam es dort zu keiner Einstellung. Der ArbN ist seitdem unbeschäftigt. Er erhielt gleichwohl seine vereinbarte Vergütung. Die Stadt forderte ihn Anfang 2022 auf, im Rathaus zu erscheinen, um über seine weitere Tätigkeit zu sprechen. Hierzu wurde kein Einvernehmen erzielt.
Der ArbN wollte mit seiner Feststellungsklage im April 2022 erreichen, dass er seitens der Stadt unwiderruflich und unter Fortzahlung seiner Vergütung freigestellt worden sei. Der für ihn zuständige Sachgebietsleiter habe dies bereits im Februar 2018 erklärt. Er habe ausdrücklich nachgefragt, wie lange dies dauern solle. Der Sachgebietsleiter habe geantwortet, dass dies dauerhaft und unwiderruflich sei. Er brauche auch keine weiteren arbeitsgerichtlichen Verfahren mehr zu führen. Dem widersprach die Stadt. Eine entsprechende Zusage habe es nicht gegeben. Hierzu sei der Sachgebietsleiter zudem nicht befugt gewesen. Außerdem würden Personalgespräche bei ihr auf Arbeitgeberseite grundsätzlich durch zwei Personen geführt.
Das Arbeitsgericht Essen (29.8.22, 6 Ca 714/22) wies die Klage ab. Die Abrede zu einer dauerhaften unwiderruflichen Freistellung mit Fortzahlung der Vergütung habe der ArbN nach Vernehmung einer Zeugin (Bekannten des ArbN) und eines Zeugen (Sachgebietsleiter), nicht beweisen können.
Entscheidungsgründe
Im ersten Kammertermin vor dem LAG Düsseldorf schlossen die Parteien einen widerruflichen Beendigungsvergleich. Danach sollte das Arbeitsverhältnis am 31.12.23 mit einer Zahlung einer Abfindung in Höhe von 85.000 EUR beendet werden. Nachdem der ArbN den Vergleich fristgerecht widerrief, wies die 8. Kammer des LAG Düsseldorf (2.5.23, 8 Sa 594/22, Abruf-Nr. 235325) die Berufung des ArbN zurück. Zunächst sei die Beweiswürdigung des Arbeitsgerichts nicht zu beanstanden. Im Übrigen sei die behauptete Erklärung bei Würdigung aller Umstände ohnehin nicht im Sinne einer Freistellung zu verstehen, die tatsächlich unwiderruflich gewesen sei. Auch fehle es an der erforderlichen Vollmacht des Sachgebietsleiters zu der vom ArbN behaupteten Erklärung. Das LAG hat die Revision nicht zugelassen.
Relevanz für die Praxis
Die Beweiswürdigung vor dem Arbeitsgericht ist so eine Sache. Das Gericht entscheidet gemäß § 286 Abs. 1 S. 1 ZPO i. V. m. § 525 S. 1 ZPO, § 87 Abs. 2, § 64 Abs. 6, 7, § 58 ArbGG unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses der Beweisaufnahme, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder unwahr zu erachten ist. Sie ist auf eine individuelle Würdigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses der Beweisaufnahme zu gründen.
Weiter hat das Gericht nach § 286 ZPO ohne Bindung an Beweisregeln und nur seinem Gewissen unterworfen die Entscheidung zu treffen, ob es an sich mögliche Zweifel überwinden und sich von einem bestimmten Sachverhalt als wahr überzeugen kann. Es darf keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen und keine unumstößliche Gewissheit bei der Prüfung verlangen, ob eine Behauptung wahr und erwiesen ist. Vielmehr darf und muss sich das Gericht in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen.
Checkliste / LAG Düsseldorf: Die Beweiswürdigung und ihre Kriterien |
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AUSGABE: AA 6/2023, S. 99 · ID: 49475278