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NebentätigkeitVerstoß gegen Anzeigepflicht für Nebentätigkeit rechtfertigt Abmahnung
| Eine tarifliche Regelung, nach der ein ArbN die anderweitige Verwertung einer während seiner arbeitsvertraglichen Tätigkeit bekannt gewordenen Nachricht anzuzeigen hat, soll dem ArbG regelmäßig die Prüfung ermöglichen, ob seine berechtigten Interessen durch die beabsichtigte Veröffentlichung beeinträchtigt werden. Verstößt der ArbN gegen die Anzeigepflicht, kann dies eine Abmahnung rechtfertigen. |
Sachverhalt
Die Parteien streiten über eine Abmahnung. Der ArbN ist als Redakteur für eine Zeitschrift beim ArbG beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Manteltarifvertrag für Redakteure an Zeitschriften Anwendung. Darin befindet sich die Regelung, dass ein Redakteur zur anderweitigen Verarbeitung, Verwertung und Weitergabe, der ihm bei seiner Tätigkeit für den Verlag bekannt gewordenen Nachricht der schriftlichen Einwilligung des Verlags bedarf. Im zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrag wird anstelle der schriftlichen Einwilligung des Verlags die der Chefredaktion verlangt.
Der ArbN nahm im Rahmen einer Dienstreise in die USA an der Standorteröffnung eines deutschen Unternehmens teil, um darüber für den ArbG zu berichten. Der Artikel enthielt die Schilderung eines Vorfalls, der sich während der Eröffnungsveranstaltung am abendlichen Buffet zwischen dem ArbN und der ausrichtenden Unternehmerin im Beisein von Redakteuren anderer Zeitschriften zugetragen hatte. Auf die Erklärung des ArbN, er esse nichts, da er „zu viel Speck über‘m Gürtel“ habe, kniff die Unternehmerin dem ArbN in die Hüfte. Diese Passage wurde von der Redaktion gestrichen. Später fragte der ArbN seinen Chefredakteur, ob der Vorfall nicht doch noch im Rahmen der „#MeToo-Debatte“ veröffentlicht werden könne. Dies lehnte der Chefredakteur wiederum ab. Auf die Ankündigung des ArbN, den Beitrag anderweitig zu publizieren, wurde er auf das Konkurrenzverbot im Arbeitsvertrag hingewiesen. Dann erschien ohne vorherige Unterrichtung des ArbG in einer anderen Zeitung ein Beitrag des ArbN mit dem Titel „Ran an den Speck“. Der ArbG erteilte dem ArbN daraufhin eine Abmahnung, weil er es unterlassen hatte, die schriftliche Einwilligung der Chefredaktion einzu-holen.
Der ArbN möchte, dass die Abmahnung aus der Personalakte entfernt wird. Er ist der Ansicht, der Zustimmungsvorbehalt verletzte seine grund- und europarechtlich geschützte Berufs-, Presse- und Meinungsfreiheit.
Die Klage wurde in den Vorinstanzen abgewiesen (LAG Düsseldorf 26.6.19, 4 Sa 970/18, Abruf-Nr. 209876).
Entscheidungsgründe
Das BAG (15.6.21, 9 AZR 413/19, Abruf-Nr. 225697) bestätigte die vorherige Entscheidung des LAG. Die Abmahnung sei nicht zu beanstanden. Die tarifliche Regelung in ihrer arbeitsvertraglichen Ausprägung sei wirksam. Der ArbN sei verpflichtet gewesen, den Verlag vor der anderweitigen Veröffentlichung einer ihm während seiner arbeitsvertraglichen Tätigkeit bekannt gewordenen Nachricht um Erlaubnis zu ersuchen.
Insbesondere liege in der tariflichen Regelung kein Verstoß gegen Grund- oder Konventionsrechte. Die Rechtsposition des Verlags leite sich aus der Pressefreiheit her, sodass eine Abwägung der kollidierenden Grundrechtspositionen von Redakteur und Verlag vorzunehmen sei. Ein Verlag könne erst nach der Anzeige einer beabsichtigten Nebentätigkeit überprüfen, ob seine berechtigten Interessen durch die beabsichtigte Veröffentlichung beeinträchtigt würden. Dahinter müsse das Interesse des ArbN, die Nachricht ohne vorherige Einbindung des Verlags zu veröffentlichen, regelmäßig zurücktreten. Der ArbG habe ein berechtigtes Interesse an der Unterrichtung, um die Verwertung der Nachricht durch einen Wettbewerber gegebenenfalls verhindern zu können. Demgegenüber wären die Belange des ArbN dadurch nur unwesentlich beeinträchtigt worden.
Relevanz für die Praxis
Grundsätzlich hat ein ArbN seine Arbeitskraft dem ArbG zur Verfügung zu stellen. Unter Beachtung der Regelungen des Arbeitszeitgesetzes können jedoch auch Nebentätigkeiten ausgeübt werden, soweit diese nicht die Arbeitsfähigkeit beeinträchtigen. Schließlich handelt es sich um die Gestaltung der Freizeit des ArbN. Eine vollständige Versagung von Nebentätigkeiten ist daher mit der grundrechtlich geschützten Berufsfreiheit des ArbN nicht vereinbar. Anders können die Dinge aber liegen, wenn eine Nebentätigkeit in die Rechtssphäre des ArbG eingreift. Das ist insbesondere der Fall, wenn die Tätigkeit in Wettbewerb zum ArbG stehen kann. Wenn der ArbG ein solches berechtigtes Interesse hat, kann er die Nebentätigkeit auch untersagen (ausführlich bereits BAG 24.3.10, 10 AZR 66/09 = AA 10, 138).
Die vorliegende Entscheidung bestätigt die bereits gefestigte Rechtsprechungslinie. Da der ArbN vorliegend ganz bewusst in Konkurrenz zu seinem ArbG getreten ist, ist auch die Abmahnung gerechtfertigt. Die Hauptleistungspflicht des Redakteurs lag vorliegend in der Formulierung von Artikeln für die Zeitschrift des ArbG. Dieser entschied sich ganz bewusst dafür, den gegenständlichen Sachverhalt nicht veröffentlichen zu wollen. Aus welchen Motiven heraus dies erfolgt ist, kann arbeitsrechtlich dahinstehen. Der ArbN stellte sich direkt gegen die Entscheidung seines ArbG und platzierte seinen Artikel bei der Konkurrenz. Genau dies soll durch den Arbeitsvertrag verhindert werden. Die in der unterbliebenen Anzeige liegende Pflichtverletzung berechtigt folglich zur Abmahnung.
- Abmahnung wegen ungenehmigter Veröffentlichung wirksam: LAG Düsseldorf in AA 19, 128
AUSGABE: AA 2/2022, S. 29 · ID: 47887244