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LohnabrechnungArbN will Lohnabrechnung in Papierform und nicht im elektronischen Postfach
| Die bloße Zurverfügungstellung der Lohnabrechnung in elektronischer Form zum Abruf durch den ArbN ist keine Erfüllung der Pflicht zur Erteilung einer Lohnabrechnung im Sinne des § 362 Abs. 1 BGB. |
Sachverhalt
Die Parteien streiten über die Pflicht des ArbG, dem ArbN Abrechnungen für erfolgte Lohnzahlungen zu erteilen. Der ArbG informierte den ArbN darüber, dass die Verdienstabrechnungen künftig verschlüsselt im neuen Online-Portal „A“ bereitgestellt, und nicht wie bis dahin in ausgedruckter Form zur Verfügung gestellt werden würden. Dieser Form der Ausstellung der Lohnabrechnungen widersprach der ArbN ausdrücklich schriftlich.
In der Folge wurden dem ArbN die seinem Lohn entsprechenden Abrechnungen nicht mehr ausgedruckt zur Verfügung, sondern – wie angekündigt – in digitaler, elektronischer Form im Online-Portal der ArbG bereitgestellt. Der ArbN druckte sich seine Lohnabrechnungen nicht selbst aus. Er ist der Ansicht, dass ein Bereitstellen der Lohnabrechnung in elektronischer Form seiner Zustimmung bedürfe und es nicht ausreichend sei, die Lohnabrechnungen in digitaler bzw. elektronischer Form in einem Online-Portal hochzuladen. Vielmehr müsse eine Abrechnung in Textform erteilt werden. Der Textform genüge das Bereitstellen in einem Online-Portal gerade nicht. Die Möglichkeit des Abrufs der Lohnabrechnungen durch ihn selbst werde diesem Erfordernis nicht gerecht und erfülle nicht die gesetzlichen Voraussetzungen.
Das Arbeitsgericht gab der Klage statt und verurteilte den ArbG, die streitgegenständlichen Abrechnungen zu erteilen. Das Arbeitsgericht wies die Klage allerdings insoweit ab, als der ArbN die Erteilung der Abrechnungen in Papierform beantragt hat.
Entscheidungsgründe
Das LAG Hamm (23.9.21, 2 Sa 179/21, Abruf-Nr. 226192) hielt die Berufung des ArbG für unbegründet. Das Arbeitsgericht habe ihn im Ergebnis zu Recht verurteilt, die streitgegenständlichen Lohnabrechnungen nach § 108 GewO zu erteilen. Das Vorbringen des ArbG gebe nur Anlass zu Ergänzungen.
Das Arbeitsgericht habe zu Recht angenommen, dass der ArbG die der nach § 108 GewO erforderlichen Textform des § 126b BGB entsprechenden Lohnabrechnungen des ArbN erstellt habe, weil er eine insofern lesbare Erklärung, in denen die Person des Erklärenden genannt ist, auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben habe. Sein Online-Portal sei dabei ein Medium, das es dem Empfänger ermögliche, eine auf dem Datenträger befindliche, an ihn persönlich gerichtete Erklärung so aufzubewahren oder zu speichern, dass sie ihm während eines für ihren Zweck angemessenen Zeitraums zugänglich sei. Sie sei auch geeignet, die Erklärung unverändert wiederzugeben. Die Tatsache, dass man auf die Abrechnungen nur mit dem bestimmten Passwort zugreifen könnte, ändere nichts daran, dass der ArbG für den ArbN bestimmte Lohnabrechnungen in Textform erstellt habe. Nach § 108 GewO sei der ArbG jedoch nicht nur verpflichtet, eine Lohnabrechnung zu erstellen und dem ArbN den Zugang zu der erstellten Abrechnung zu ermöglichen. Vielmehr müsse er auch dem ArbN die Lohnabrechnungen erteilen. Die Abrechnung bezwecke dabei die Information über die erfolgte Zahlung, sodass die Erfüllung des Lohn-Anrechnungsanspruchs nicht nur die Erstellung, sondern auch den Zugang entsprechend § 130 BGB voraussetze.
Der nach § 130 BGB maßgebliche Zugang liege dann vor, wenn die Willenserklärung so in den Machtbereich des Empfängers gerate, dass dieser nach allgemeinen Umständen von ihr Kenntnis erlangen könne. Die Erfüllung des Anspruchs auf Erteilung der Lohnabrechnung in Textform setze demnach voraus, dass die Lohnabrechnung den Machtbereich des Empfängers erreicht habe. Eine Übermittlung der Lohnabrechnungen an eine dienstliche E-MailAdresse des ArbN erfolge hier nicht. Der ArbG habe zwar dem ArbN ermöglicht, sich die Lohnabrechnungen auf seinem Online-Portal abzuholen. Dies reiche jedoch für die Erfüllung der obliegenden Verpflichtung zur Erteilung der Lohnabrechnung nicht aus. Es werde nicht die Bereitstellung zur Abholung durch den ArbN, sondern die Erteilung durch den ArbG geschuldet. Daher sei der ArbG verpflichtet, die in elektronischer Form erstellte Lohnabrechnung in den Machtbereich des ArbN zu verbringen.
Besitze der ArbN keine dienstliche E-Mail-Adresse, könne ein Zugang einer elektronischen Erklärung, die dem Textformerfordernis genüge, nach nahezu einhelliger Ansicht im Schrifttum nur angenommen werden, wenn der ArbN sich mit dem Empfang elektronischer Erklärungen ausdrücklich oder konkludent einverstanden erklärt habe. Das sei hier nicht der Fall gewesen.
Relevanz für die Praxis
Der ArbN hat entgegen der Ansicht des ArbG nicht den Zugang vereitelt, sondern lediglich die vom ArbG gewünschte Mitwirkung bei der ihm obliegenden Verpflichtung der Erteilung der Lohnabrechnung unterlassen und die für ihn bereitgestellte Lohnabrechnung aus einer nicht von ihm gewählten „Empfangsvorrichtung“ nicht abgeholt. Durch das bloße Bereitstellen einer elektronischen Erklärung gelange diese jedoch noch nicht in den Machtbereich des Empfängers. Vielmehr sei insofern noch eine aktive Mitwirkung des ArbN erforderlich, indem er den Ort, an dem sich der Online-Zugang befindet, aufsuche und die Lohnabrechnung unter Verwendung seines Passwortes dann abrufe und ausdrucke.
Nach § 108 GewO besteht jedoch ein Anspruch auf die Erteilung der Lohnabrechnung, nicht lediglich auf deren Bereitstellung, verbunden mit einer aktiven Tätigkeit des ArbN die Lohnabrechnung in einer vom ArbG bereitgestellten „Vorrichtung“ abzuholen. Die Berufung auf die Erfüllung eines Anspruchs in der nach der bisherigen Gesetzeslage bestehenden Form allein kann daher keinen Rechtsmissbrauch durch den ArbN begründen. Wegen grundsätzlicher Bedeutung wurde die Revision zugelassen.
AUSGABE: AA 1/2022, S. 8 · ID: 47852685