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CME-BeitragFrugale Zahnmedizin wird nachgefragt

Abo-Inhalt12.06.20235298 Min. Lesedauer

| Der lateinische Begriff „frugalis“ bedeutet ursprünglich „von Feldfrüchten stammend“, im Sinn von karg, genügsam. Die Betriebswirtschaftslehre nennt Produkte oder Dienstleistungen frugal, die nachhaltig, bezahlbar und adäquat / gut genug sind [1]. Auch in der Zahnmedizin sind frugale Behandlungen sinnvoll und werden von Patienten gewünscht. Dieser Beitrag zeigt, in Anlehnung an die Publikationen von Professor em. H. J. Staehle aus Heidelberg, was darunter zu verstehen ist. |

Das Prinzip der Frugalität in der Zahnmedizin

Zahnmedizinische Interventionen sind immer dann frugal, wenn sie [2]:

  • 1. möglichst belastungsarm und schonend sind (z. B. substanzschonend)
  • 2. keine negativen lokalen und systemischen Einflüsse entfalten
  • 3. auch bei Patienten mit Grunderkrankungen anwendbar sind
  • 4. grundlegende Qualitätsmerkmale erfüllen
  • 5. hinreichend praktikabel sind, d. h. erlernbar auf der Grundlage einer klar umschriebenen Vorgehensweise
  • 6. wenig Ressourcen verbrauchen (keine aufwendigen Techniken, kostspieligen Geräte, schwer zu entsorgenden Materialien usw.)
  • 7. in einem überschaubaren zeitlichen Rahmen erbracht werden können (Nachsorgezeit nicht mitgerechnet)
  • 8. individuelle Erwartungen und Bedürfnisse der Patienten erfüllen, im Sinne von bezahlbar und gut genug anstelle von „billig“ oder stark kostentreibend

Beispiele für frugale Zahnmedizin

In den verschiedenen zahnmedizinischen Disziplinen gibt es eine Reihe von Beispielen für frugale Methoden, die immer unter dem Gesichtspunkt einer Abwägung des Nutzen-Risiko- und Nutzen-Kosten-Verhältnisses zu sehen sind [2]. Im Folgenden sind einige Beispiele aufgeführt [2, 3].

Das Wichtigste in Kürze

Sogenannte frugale Interventionen gab es in der Zahnmedizin schon immer, allerdings wurden sie nicht so genannt, sondern meist schicksalhaft hingenommen, wenn Behandlungsvorschläge an der Kostenfrage scheiterten. Patienten fragen solche Therapien nach wie vor nach. Aufgrund vieler Neuerungen von Indikationsstellungen und bei den Materialien können Zahnmediziner ihren Patienten aktuell eine Reihe solcher Substanz- und Ressourcen-schonenden Therapien anbieten.

  • Zahnerhaltung:
    • Reparaturen von defekten Restaurationen aller Art anstelle von Neuanfertigungen
    • Direkter Lückenschluss (Zahnanhänger aus Komposit) statt kieferorthopädischer, prothetischer oder chirurgischer/implantologischer Eingriffe
  • Endodontie / dentale Traumatologie / Oralchirurgie:
    • Pulpotomie anstelle einer Pulpektomie
    • Zapfen- statt Stiftverankerung bei der postendodontischen restaurativen Versorgung, wenn die Voraussetzungen für stabile Fixierungen vorliegen
    • Intentionelle Replantation (extraorale Wurzelspitzenresektion – retrograde Wurzelkanalfüllung – Reinsertion des betreffenden Zahnes in die originäre Alveole) anstelle von Extraktion mit anschließender prothetischer bzw. restaurativer Lückenversorgung oder einem kieferorthopädischen Lückenschluss
    • Autotransplantation eines Zahnes als Alternative zu implantatgestützter Restauration, Brückenversorgung oder kieferorthopädischem Lückenschluss
  • Prothetik:
    • Prinzip der verkürzten Zahnreihe statt obligater Zahnersatzausdehnung bis einschließlich der zweiten Molaren
    • Reparaturen von festsitzendem Zahnersatz statt Neuanfertigung
  • Implantologie:
    • Modifikationen bei der Anzahl, Größe, Form und Standardisierung von Implantaten bzw. Abutments (z. B. kurze Implantate statt Augmentationen, einfachere Fixierung einer Unterkiefertotalprothese mit einem Einzelimplantat)
Quellen
  • [1] C. Herstatt und R. Tiwari, WiSt - Wirtschaftswissenschaftliches Studium, Heft 11, Nov. 2015, doi.org/10.15358/0340-1650-2015-11-649.
  • [2] Staehle HJ. Frugale Zahnmedizin – Ressourceneinsparungen mit Fokussierung auf Kernfunktionen und Patientenbedürfnisse [Frugal dentistry-saving resources with a focus on core functions and patient needs]. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz. 2021 Aug;64(8):1001-1010. German. doi.org/10.1007/s00103-021-03377-y.
  • [3] Vortrag „Frugale Zahnmedizin“, Medienportal der Universität Freiburg, Zugriff am 30.04.2023, iww.de/s8020.

AUSGABE: ZR 6/2023, S. 19 · ID: 49424661

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