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BerufsrechtGutachterliche Ausführungen sind von der Meinungsfreiheit gedeckt!
| Bei Ausführungen eines Gutachters zum Ergebnis einer vorangegangenen Behandlung handelt es sich in der Regel um ein Werturteil. Dies führt dazu, dass eine Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit des Gutachters einerseits und der von der Berufsordnung geschützten Rechtsgüter andererseits zu erfolgen hat (Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 14.02.2024, Az. 301 LBG-Z 1/23). |
Der Fall
Ein Bezirksverband der Zahnärzte in Bayern hat die Eröffnung eines berufsgerichtlichen Verfahrens gegen einen gutachterlich tätigen Kollegen beantragt. Der Bezirksverband war der Auffassung, dass der Kollege durch seine in verschiedenen Gutachten getätigten Ausführungen gegen seine Berufspflichten als Zahnarzt verstoßen habe. Berufsrechtlich hat ein Zahnarzt gegenüber allen Berufsangehörigen jederzeit kollegiales Verhalten zu zeigen. Gutachten hat ein Zahnarzt neutral, unabhängig und sorgfältig zu erstellen.
Die Entscheidung
Die Eröffnung eines berufsgerichtlichen Verfahrens wurde auch zweitinstanzlich abgelehnt. Das Gericht sah in der Sache einen Verstoß nicht als gegeben an. Für die Entscheidung, ob eine Äußerung die Grenze des rechtlich Zulässigen überschreitet, muss sorgfältig zwischen Tatsachenbehauptungen und Werturteilen unterschieden werden. Nach gefestigter Rechtsprechung handelt es sich bei Ausführungen eines Gutachters zu dem Ergebnis vorausgegangener Untersuchungen in der Regel um ein Werturteil und nicht um die Behauptung einer Tatsache. Allerdings unterliegt auch eine Meinungsäußerung gewissen Schranken. Diese liegen in den allgemeinen Gesetzen und damit auch in den Vorschriften der Berufsordnungen der Zahnärzte. Die das Grundrecht einschränkenden Vorschriften müssen ausgelegt und angewandt werden, welches eine Abwägung zwischen der Bedeutung der Meinungsfreiheit einerseits und des Rechtsguts, in dessen Interesse sie eingeschränkt werden soll, andererseits, erfordert. Der Senat ließ bei dieser Abwägung nicht unberücksichtigt, dass die angegriffenen Ausführungen im Rahmen der Erstattung von Gutachten verwendet worden sind, um die objektiv nicht angegriffenen folgenschweren Behandlungsfehler zu unterstreichen. Ferner wurden die Ausführungen keiner breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht und haben damit nur beschränkte Außenwirkung.
Fazit | Zu Recht stellt das Gericht klar, dass auch unverblümte Äußerungen eines Gutachters durch die Meinungsfreiheit gedeckt sein können. Eine Grenze liegt dabei in der sog. Schmähkritik, also in Äußerungen, die nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache vorantreiben sollen, sondern als polemische oder überstürzte Kritik die Diffamierung der Person in den Vordergrund stellen. |
AUSGABE: ZP 9/2024, S. 9 · ID: 50085962