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PatientenrechteNeues Notvertretungsrecht unter Eheleuten ab dem 01.01.2023 – das sollten Zahnärzte wissen

Abo-Inhalt05.12.20221360 Min. LesedauerVon RAin, FA MedR Dr. Christina Thissen, Münster

| Zum 01.01.2023 erhalten Ehepartner und Lebenspartner i. S. d. § 21 Lebenspartnerschaftsgesetz (LPartG) ein wechselseitiges Notvertretungsrecht in Gesundheitsangelegenheiten – eine Erleichterung, wenn keine Vorsorgevollmacht existiert. |

Bisherige Regelung erfordert Bestellung eines Betreuers

Wenn heute ein verheirateter Patient ohne Vorsorgevollmacht, der aufgrund seines akuten Gesundheitszustands z. B. einwilligungsunfähig ist, in einem Krankenhaus behandelt wird, muss der Ehegatte oder eingetragene Lebenspartner zunächst gerichtlich als Betreuer bestellt werden, um rechtsverbindlich über die weitere Behandlung entscheiden zu dürfen – ein umständliches Prozedere für alle Beteiligten.

Das neue Notvertretungsrecht ab dem 01.01.2023

Ab dem 01.01.2023 soll die Neuregelung des § 1358 BGB für Vereinfachung sorgen, indem Ehegatten und Lebenspartnern im Sinne des Lebenspartnerschaftsgesetzes ein wechselseitiges Notvertretungsrecht in Gesundheitsangelegenheiten eingeräumt wird. Dieses gilt auch uneingeschränkt für ausländische Patienten auf deutschem Staatsgebiet.

Berechtigungen der Ehepartner/eingetr. Lebenspartner ab 01.01.2023

Wenn ein Patient aufgrund von Bewusstlosigkeit oder Krankheit nicht in der Lage ist, seine Gesundheitsangelegenheiten selbst zu besorgen, wird der betreffende Ehepartner/eingetragener Lebenspartner demnach berechtigt,

  • in Untersuchungen, Heilbehandlungen oder Eingriffe einzuwilligen oder sie zu untersagen und für den Patienten die ärztliche Aufklärung entgegenzunehmen, inklusive Einsichtnahme in die Patientenakte,
  • Behandlungs-, Krankenhaus- oder eilige Rehabilitations/Pflegeverträge abzuschließen und durchzusetzen,
  • für einen Maximalzeitraum von sechs Wochen in freiheitsentziehende Maßnahmen einzuwilligen (z. B. Bettgitter, Fixierung oder Sedierung) und
  • Ansprüche aus Anlass der Erkrankung gegenüber Dritten geltend zu machen oder an die betreffenden Leistungserbringer abzutreten bzw. Zahlung unmittelbar an diese zu verlangen (z. B. gegen den Krankenversicherer auf Übernahme von Behandlungskosten)

Das Gesetz enthält keine Vertretungspflicht. Der betroffene Ehepartner/eingetragene Partner kann die Übernahme der Notvertretung auch ablehnen. In diesem Fall wird ein Betreuungsverfahren bei Gericht angeregt. Dies wird auch nötig in den Fällen, die vom Gesetz in § 1358 Abs. 3 BGB (neue Fassung ab dem 01.01.2023) vorgesehen sind, den sog. „Rückausnahmen der Notvertretung“ (vgl. folgende Übersicht).

In diesen Fällen scheidet die Notvertretung von vornherein aus

  • Die Ehegatten/eingetragenen Lebenspartner leben getrennt, d. h., eine häusliche Wohngemeinschaft besteht entweder tatsächlich nicht oder wird bei einer bislang fehlenden räumlichen Trennung vom Partner abgelehnt.
  • Dem behandelnden Arzt ist bekannt, dass der erkrankte Ehepartner die Vertretung durch den anderen Teil ablehnt.
  • Dem behandelnden Arzt ist eine Vorsorgevollmacht oder andere auch Gesundheitsangelegenheiten betreffende Vollmacht bekannt.
  • Es wurde bereits ein Betreuer gerichtlich bestellt.

Neue Informationsquellen für behandelnde Ärzte ...

Ärzte erhalten ab dem 01.01.2023 ein Einsichtsrecht in das Zentrale Vorsorgeregister, das bislang nur den Betreuungsgerichten zugänglich war. Patienten können dort einen Widerspruch gegen das Notvertretungsrecht eintragen lassen. Denn in den meisten Fällen, in denen das Notvertretungsrecht in Gesundheitsangelegenheiten zur Anwendung kommen wird, werden die behandelnden Ärzte den Patienten nicht selbst befragen können, ob er z. B. getrennt lebt oder eine Vorsorgevollmacht ausgestellt hat, die nicht seinen Partner ausweist. Sie werden also in weiten Teilen auf die Angaben des Ehepartners angewiesen sein, die einer Nachprüfung nur sehr eingeschränkt zugänglich sind.

... aber auch neue Pflichten!

Zwar haben Ärzte keine Nachforschungspflicht, aber § 1358 Abs. 4 BGB (neue Fassung) erlegt ihnen spezifische Bestätigungs-/Versicherungspflichten auf. Dies hängt vor allem damit zusammen, dass das Notvertretungsrecht automatisch sechs Monate nach erstmaligem Eintritt der Voraussetzungen erlischt.

Bestätigungs-/Versicherungspflichten für Ärzte ab 01.01.2023

  • Schriftliche Bestätigung, dass die Voraussetzungen des Vertretungsfalls nach § 1358 Abs. 1 BGB (neue Fassung) vorliegen, inkl. Angabe des Zeitpunkts, zu dem diese spätestens eingetreten sind.
  • Vorlage dieser schriftlichen Bestätigung an den Vertreter zusammen mit einer schriftlichen Erklärung über das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 1358 Abs. 1 BGB und dem Fehlen eines Ausschlussgrunds nach § 1358 Abs. 3 BGB.
  • Einholung einer schriftlichen Versicherung des Vertreters, dass das Notvertretungsrecht bislang nicht ausgeübt wurde und kein Ausschlussgrund nach § 1358 Abs. 3 BGB vorliegt.
Weiterführende Hinweise
  • Ein Musterformular zur Ehegattennotvertretung steht bei der Deutschen Krankenhausgesellschaft online zum Download unter iww.de/s7266 zur Verfügung.
  • Vorsorgevollmachten für die Praxis und Privates: So bleiben Sie im Krisenfall handlungsfähig! (ZP 09/2017, Seite 18)
  • Private Vorsorgevollmacht, Patientenverfügung mit Betreuungsverfügung – was zu regeln ist (ZP 10/2017, Seite 18)
  • Digitales Testament und digitale Vorsorgevollmacht – haben Sie daran gedacht? (ZP 11/2017, Seite 18)

AUSGABE: ZP 12/2022, S. 6 · ID: 48775144

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