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GemeinnützigkeitVerstoß gegen satzungsmäßige Vermögensbindung kann Gemeinnützigkeit kosten

Abo-Inhalt01.08.2023458 Min. Lesedauer

| Ein Verstoß gegen die satzungsmäßige Vermögensbindung einer gemeinnützigen Körperschaft kann zur rückwirkenden Versagung der Gemeinnützigkeit führen. Dies zeigt ein Fall, den das FG Sachsen-Anhalt entschieden hat. Lernen Sie die Hintergründe der Entscheidung kennen, um in ähnlichen Fällen nicht die gleichen Fehler zu begehen wie die gemeinnützige Organisation im konkreten Fall. |

Die AO-Regelungen zur Vermögensbindung

Im Gemeinnützigkeitsrecht finden sich zwei Regelungen zur Vermögensbindung, nämlich in § 55 AO und in den §§ 60 und 61 AO:

Tatsächliche Vermögensbindung

§ 55 AO regelt die tatsächliche Vermögensbindung im Gemeinnützigkeitsrecht. Er gilt zunächst, solange die Körperschaft besteht und verpflichtet die Körperschaft, Mittel ausschließlich für die satzungsmäßigen Zwecke zu verwenden (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 AO). Verboten sind insbesondere Gewinnausschüttungen und andere unentgeltliche Zuwendungen an Gesellschafter oder Mitglieder sowie überhöhte Vergütungen (§ 55 Abs. 1 Nr. 3 AO).

Bei einem nicht nur geringfügigen Verstoß gegen diese Mittelbindungsvorschriften kann das Finanzamt die Gemeinnützigkeit entziehen – regelmäßig nur für das Jahr, in dem der entsprechende Verstoß erfolgte. Bei besonders schweren Verstößen kann es die Gemeinnützigkeit auch vollständig entziehen, d. h. rückwirkend für zehn Jahre. Der Umfang der Sanktion ist gesetzlich nicht geregelt. Das Finanzamt hat also einen Ermessensspielraum.

Satzungsmäßige Vermögensbindung

Die satzungsmäßige Vermögensbindung regelt § 61 AO. Diese Vermögensbindung gilt auch über das Bestehen der Körperschaft hinaus. Hier verlangt der Gesetzgeber zum einen eine tatsächliche künftige Bindung für steuerbegünstigte Zwecke. Das Vermögen muss also nach Auflösung oder Aufhebung der Körperschaft oder Wegfall der begünstigten Zwecke einer anderen steuerbegünstigten oder öffentlich-rechtlichen Körperschaft zufließen. Der Grundsatz der Vermögensbindung soll verhindern, dass Vermögen, das die Körperschaft aufgrund der steuerbegünstigten Tätigkeit erworben hat, für nicht steuerbegünstigte Zwecke verwendet wird.

Die Folge eines Verstoßes gegen die satzungsmäßige Vermögensbindung ist gesetzlich ausdrücklich geregelt. Wird die Bestimmung über die Vermögensbindung nachträglich so geändert, dass sie den Anforderungen nicht mehr entspricht, gilt sie von Anfang an als steuerlich nicht ausreichend (§ 61 Abs. 3 AO). Für diesen Fall regelt § 61 Abs. 3 AO ausdrücklich, dass die Körperschaft rückwirkend für bis zu zehn Jahre nachversteuert werden kann. Auf eine tatsächliche Mittelfehlverwendung kommt es also gar nicht an.

Wichtig | Auch der Verzicht auf die Gemeinnützigkeit führt deswegen zur Nachbesteuerung, wenn der Vermögensanfall nicht erfolgt. Da es ein formelles Verfahren für den Verzicht nicht gibt, kann er am unmittelbarsten durch eine Satzungsänderung eingeleitet werden, mit der die einschlägigen Regelungen zur Vermögensbindung gelöscht werden.

Der Fall vor dem FG Sachsen-Anhalt

Ein solcher Satzungsänderungsfall lag dem FG Sachsen-Anhalt zur Entscheidung vor.

Vermögensanfallklausel fällt Satzungsänderung zum Opfer

Dort hatte eine gemeinnützige Krankenhaus-GmbH im Zuge von Umstrukturierungen und eines Gesellschafterwechsels ihre Satzung geändert. Dabei war die Regelung zum Vermögensanfall entfallen. Später änderte die GmbH die Satzung erneut und fügte wieder eine hinreichende Vermögensanfallklausel ein. Das Finanzamt entzog dennoch rückwirkend für zehn Jahre die Gemeinnützigkeit, obwohl keine tatsächliche Mittelfehlverwendung erfolgt war. Das FG Sachsen-Anhalt gab dem Finanzamt Recht (FG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 19.04.2023, Az. 3 K 475/16, Abruf-Nr. 236419).

FG moniert schweren Verstoß gegen Vermögensbindung

Der Umfang der Sanktion ist gesetzlich nicht geregelt. Er liegt im Ermessen des Finanzamts. Bei schweren Verstößen gegen die Mittelbindungsvorgaben kann es der Körperschaft die Gemeinnützigkeit entziehen und sie rückwirkend für bis zu zehn Jahre nachversteuern. Ein solch schwerer Fall lag hier vor. Das FG begründet dies mit dem Grundsatz der Vermögensbindung (§ 61 Abs. 3 AO). Bei einer nachträglichen Aufhebung der satzungsmäßigen Vermögensbindung ist regelmäßig bereits steuerbegünstigt gebildetes Vermögen entstanden. Würde die Steuerbegünstigung der Körperschaft lediglich mit Wirkung für die Zukunft entfallen, könnte dieses Vermögen ohne weiteres für nicht steuerbegünstigte Zwecke verwendet werden. Der Grundsatz der Vermögensbindung liefe leer. Aus diesem Grund fingiert § 61 Abs. 3 S. 1 AO das Fehlen der satzungsmäßigen Vermögensbindung „von Anfang an“.

FG verneint bestimmte Formulierungsvorgaben für die Satzung

Das FG stellt klar, dass es keine wörtlichen Vorgaben für die Satzungsregelung zum Vermögensanfall gibt. Die Musterklausel aus Anlage 1 zu § 60 AO muss also nicht zwingend verwendet werden. Es genügt, wenn sich die satzungsmäßigen Voraussetzungen für die Steuervergünstigung aufgrund der Auslegung aller Satzungsbestimmungen ergeben. Dazu muss der Zweck, für den das Vermögen bei Auflösung oder Aufhebung der Körperschaft oder bei Wegfall ihres bisherigen Zwecks verwendet werden soll, in der Satzung so genau bestimmt sein, dass aufgrund der Satzung geprüft werden kann, ob der Verwendungszweck steuerbegünstigt ist.

Praxistipp | Es gibt aber keinen Grund, von der Musterklausel in Anlage 1 zu § 60 AO abzuweichen, weil sich daraus keine anderen Möglichkeiten bei der Mittelverwendung ergeben würden. Seit 2020 erlaubt § 58 Nr. 1 AO eine unbeschränkte Mittelweitergabe an andere gemeinnützige Körperschaften.

Satzungsmäßige Vermögensbindung gilt auch bei Gemeinnützigkeitsentzug

Die doppelte Vorgabe bei der Vermögensbindung – tatsächlich und durch die Satzung – kann zu einer Nachversteuerung führen, auch wenn die Gemeinnützigkeit bereits entzogen wurde. Weil die Vermögensbindung die Steuerbegünstigung überdauert, wird § 61 Abs. 3 S. 1 AO auch angewendet, wenn die Körperschaft im Zeitpunkt der Aufhebung der satzungsmäßigen Vermögensbindung gar nicht mehr steuerbegünstigt ist, weil sie die Steuerbegünstigung bereits aus anderen Gründen verloren hat.

Beispiel

Das Finanzamt hat einem Verein wegen Dauerverlusten in den steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben die Gemeinnützigkeit für die zurückliegenden drei Jahre entzogen. Der Verein verzichtet daraufhin per Satzungsänderung auf die Gemeinnützigkeit. Er wird für die zurückliegenden zehn Jahre nachversteuert, obwohl er aktuell gar nicht mehr gemeinnützig ist.

Tatsächliche Vermögensverwendung ist unerheblich

Die satzungsmäßige Vermögensbindung muss dabei unterschieden werden von der „tatsächlichen Geschäftsführung“. Bei der satzungsmäßigen Vermögensbindung kommt es auf einen tatsächlichen Verstoß nicht an. Die Änderung der entsprechenden Satzungsklausel reicht aus, um die Gemeinnützigkeit rückwirkend und bis zu einer erneuten Satzungsänderung zu entziehen.

Jede Änderung der Vermögensanfallsklausel ist schädlich

Dass die GmbH die Satzung erneut änderte, die Regelung zum Vermögensanfall also nur vorübergehend fehlte, spielte nach Auffassung des FG ebenfalls keine Rolle. Mit Eintragung der Satzung im Handelsregister sei die Änderung rechtswirksam geworden. Damit fehlte die satzungsmäßige Vermögensbindung als Voraussetzung für die Gewährung der Gemeinnützigkeit. Der rückwirkende Entzug der Gemeinnützigkeit war damit rechtens.

Entscheidung ist rechtskräftig

Leider bekommt der BFH keine Gelegenheit, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Die gGmbH hatte eine Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt (Az. V B 33/23), diese aber wieder zurückgenommen. Das Verfahren wurde durch Beschluss vom 20.07. eingestellt, das FG-Urteil ist damit rechtskräftig.

Fazit | Das Urteil des FG Sachsen-Anhalt zeigt, dass gemeinnützige Körperschaften bei Satzungsänderungen streng auf die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben achten müssen. Werden steuerlich relevante Klauseln geändert, sollten sie die Satzung unbedingt dem Finanzamt zur Prüfung vorlegen.

Weiterführender Hinweis
  • Beitrag „Ausstieg aus der Gemeinnützigkeit: Wie erreicht man sie und welche Auswirkungen ergeben sich?“ auf vb.iww.de → Abruf-Nr. 44395097

AUSGABE: VB 8/2023, S. 10 · ID: 47758108

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