FeedbackAbschluss-Umfrage

Prozesskostenhilfe Einmal bewilligt, immer bewilligt

Abo-Inhalt04.04.201635 Min. LesedauerVon Rechtsanwaltsfachangestellter Christian Noe B. A., Leipzig

| Prüft und bewilligt ein Gericht Prozesskostenhilfe (PKH), kann nicht später im Festsetzungsverfahren nach § 55 RVG erneut geprüft werden, ob es richtig war, sie zu bewilligen. Der PKH-Bezieher muss auf die Entscheidung vertrauen können. Dies gilt nach dem LAG Nürnberg auch, wenn mehrere Klagen getrennt erhoben wurden. |

Sachverhalt

Die Bevollmächtigte erhob insgesamt 13 eigenständige Lohnklagen für ausländische Arbeitnehmer und beantragte jeweils PKH. Die Verfahren wurden nicht miteinander verbunden und endeten vergleichsweise. PKH wurde gewährt und die Bevollmächtigte in allen Verfahren beigeordnet. Die Bevollmächtigte erhielt nach Abschluss, wie beantragt, über 13.000 EUR ausbezahlt. Die Staatskasse erhob sofortige Beschwerde: Die Bevollmächtigte hätte die Ansprüche im Wege der subjektiven Klagehäufung geltend machen müssen. Deshalb seien die 13 getrennten Festsetzungen aufzuheben und insgesamt nur knapp 1.900 EUR festzusetzen.

Leitsatz: LAG Nürnberg 22.10.15, 2 Ta 118/15

Mit der Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat das Gericht festgestellt, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung nicht mutwillig ist und somit nicht gegen die Pflicht zur kostensparenden Rechtsverfolgung verstößt. Im Kostenfestsetzungsverfahren nach § 55 RVG kann daher nicht (noch einmal) geprüft werden, ob die Rechtsverfolgung nicht kostengünstiger in einer Klage (ggf. im Wege der Klageerweiterung), statt in mehreren Klagen hätte erfolgen müssen (Abruf-Nr. 180654; gegen LAG München 23.7.12, 10 Ta 284/11; wie LAG Hessen 15.10.12, 13 Ta 303/12).

Entscheidungsgründe

Es war zulässig, dass das Gericht die Kosten in allen 13 Verfahren getrennt festgesetzt hat. Es muss (nur) im PKH-Bewilligungsverfahren prüfen, ob die Rechtsverfolgung mutwillig ist und das Verfahren kostensparend geführt wird (§ 11a Abs. 1 ArbGG, § 114 ff. ZPO).

Dies kann später im Festsetzungsverfahren nach § 55 RVG nicht noch einmal geprüft werden. Spätestens seit § 114 Abs. 2 ZPO am 1.1.14 in Kraft ist, hat der Urkundsbeamte keinen Raum mehr, nachträglich zu prüfen, ob die Rechtsverfolgung kostengünstiger möglich war.

Der Wortlaut „beabsichtigte Rechtsverfolgung“ zeigt, dass schon vor bzw. kurze Zeit nach Beginn des Verfahrens festzustellen ist, ob und wie PKH gewährt wird. Zwar sollen mehrere Ansprüche in einem Verfahren geltend gemacht werden. Aber ob es zulässig ist, diese getrennt geltend zu machen, entscheidet das Gericht ebenfalls verbindlich schon im PKH-Bewilligungsverfahren.

RVGprof_Grafik-PKH_ Mehrere Verfahren mit gleichen Ansprüchen_Noe.eps (© IWW Institut)
Bild vergrößern
© IWW Institut

Relevanz für die Praxis

Urkundsbeamte sind an die gerichtliche PKH-Entscheidung gebunden. Der Bevollmächtigte kann sich darauf verlassen: Ist PKH bewilligt, kann ihm nachträglich nicht vorgeworfen werden, dass er das Verfahren unwirtschaftlich geführt hat.

Hier muss gegebenenfalls der Richter rechtzeitig und damit bereits während des Bewilligungsverfahrens nachfragen, warum getrennt prozessiert wird.

Ob und wie intensiv dies geprüft wird, ist nicht Sache des Bevollmächtigten.

Daher kann seine Vergütung auch nicht gekürzt werden, nur weil der Bevollmächtigte mehrere getrennte Klagen erhoben hat.

Checkliste / Argumentationslinien für getrennte Verfahren

  • Verfahren hängen nicht zeitlich eng zusammen.
  • Es liegen unterschiedliche Einzelsachverhalte vor.
  • Es bestehen abweichende Forderungen der Mandanten und ihre unterschiedliche Bereitschaft, sich ggf. zu vergleichen.
  • Sie können begründen, dass die Gegenseite sich voraussichtlich nicht in gleicher Weise verteidigt und daher Interessenkonflikte zu erwarten sind.

An den seit dem 1.1.14 verschärften Pflichten der PKH-Bezieher, sich ändernde Einkommensverhältnisse oder einen Umzug mitzuteilen, ändert sich dadurch natürlich nichts.

Praxishinweis | Für das LAG Baden-Württemberg ist ein besseres Einkommen nur wesentlich, wenn es 100 EUR übersteigt und der PKH-Bezieher dadurch die Kosten zahlen kann (29.10.15, 4 Ta 26/15, Abruf-Nr. 182008).

Denken Sie beim Stichwort „Umzug“ auch an Folgendes: Zuletzt zeigten sich viele Gerichte tolerant, wenn vergessen wurde, eine neue Anschrift mitzuteilen (LAG Schleswig-Holstein, 2.9.15, 5 Ta 147/15; LAG Berlin-Brandenburg 5.1.16, 6 Ta 2302/15). Grob fahrlässig ist das in der Regel nicht und wenn, muss dies das Gericht nachweisen.

Weiterführende Hinweise

AUSGABE: RVGprof 5/2016, S. 82 · ID: 43919844

Favorit
Teilen
Drucken
Zitieren

Beitrag teilen

Hinweis: Abo oder Tagespass benötigt

Link
E-Mail
X
LinkedIn
Xing
Loading...
Loading...
Loading...
Heft-Reader
2016

Bildrechte