Sie sind auf dem neuesten Stand
Sie haben die Ausgabe Apr. 2024 abgeschlossen.
Doppelbesteuerung von RentenVerfassungsbeschwerden als unzulässig verworfen – was nun?
| Im Mai 2021 hatte der BFH zwei Urteile zur möglichen Doppelbesteuerung von Renten veröffentlicht. Deren Fazit: Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder aus berufsständischen Versorgungswerken werden im Grundsatz nicht zu hoch besteuert. Die unterlegenen Kläger hatten dagegen Verfassungsbeschwerde eingelegt. Und die Finanzverwaltung ließ betroffene Steuerbescheide hinsichtlich des streitigen Punkts vorläufig ergehen (BMF 30.8.21, V A 3 – S 0338/19/10006 :001). Nun hat das BVerfG die beiden Verfassungsbeschwerden aber nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG 7.11.23, 2 BvR 1140/21 und 2 BvR 1143/21). |
1. Hintergrund
Bis 2004 wurden Renten nur mit dem Ertragsanteil der Einkommensteuer unterworfen, der bei vielen Rentnern lediglich zwischen 18 und 22 % lag. Pensionäre – also insbesondere ehemalige Beamte – mussten ihre Altersbezüge hingegen voll versteuern. Das BVerfG (6.3.02, 2 BvL 17/99) hat in dieser Rechtslage eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung gesehen und den Gesetzgeber zu einer Neuregelung spätestens mit Wirkung ab 2005 verpflichtet. Diesem Auftrag ist der Gesetzgeber mit dem Alterseinkünftegesetz nach-gekommen.
Seit dem 1.1.05 sind nicht nur Pensionen, sondern auch Rentenbezüge im Grundsatz voll einkommensteuerpflichtig, wobei der Gesetzgeber sehr langfristig wirkende Übergangsregelungen geschaffen hat. Diese sehen vor, dass bei Rentnern, die bis einschließlich 2005 in den Rentenbezug eingetreten sind, auf Dauer ein Betrag von 50 % ihrer damaligen Rente steuerfrei bleibt. Für Rentner, deren Rentenbezug später begonnen hat oder beginnt, vermindert sich der für den Freibetrag maßgebende Prozentsatz. Erst Rentner, die ab 2040 (bzw. laut geplantem Wachstumschancengesetz in 2058) in den Rentenbezug eintreten werden, müssen ihre gesamte Rente versteuern.
Insgesamt ist das Verfahren der Überleitung zur vollen Besteuerung – verbunden mit einer Überleitung zur möglichst vollständigen Ermäßigung der Altersvorsorgebeiträge in der Aktivphase – weder vom BFH noch vom BVerfG beanstandet worden. Beide Gerichte sind der Auffassung, der Gesetzgeber habe nun einmal einen breiten Spielraum bei der Festlegung der Rahmenbedingungen für die Einkommensteuer und diesen habe er in noch zulässiger Weise ausgenutzt. Allerdings könne es durchaus Einzelfälle einer unzulässigen Doppelbesteuerung geben – so bereits der BFH (21.6.16, X R 44/14). Eine solche doppelte Besteuerung ist gegeben, wenn die Summe der voraussichtlichen steuerfrei bleibenden Rentenzuflüsse geringer ist als Summe der aus versteuertem Einkommen aufgebrachten Altersvorsorgeaufwendungen.
Eine mögliche Doppelbesteuerung könnte beispielsweise Personen betreffen, die zunächst als Angestellter und später viele Jahre gewerblich oder freiberuflich tätig waren und auf Antrag bei der Deutschen Rentenversicherung (DRV) bis zum Eintritt in den Ruhestand pflichtversichert geblieben sind. Denn als Gewerbetreibender oder Freiberufler gab es einerseits keine steuerfreien Zuschüsse zur Altersversorgung, andererseits konnten die Beiträge zumindest nach dem alten Recht der Rentenbesteuerung bis 2004 nur sehr begrenzt steuerlich abgezogen werden. Auch Freiberufler, die freiwillig hohe Beiträge in ihr Versorgungswerk eingezahlt haben, könnten betroffen sein. Vor allem diejenigen, die nicht von der Öffnungsklausel profitieren, könnten einer – teilweisen – Doppelbesteuerung unterliegen.
Nach der Öffnungsklausel gilt die Besteuerung mit dem – niedrigeren – Ertragsanteil, soweit die Renten auf bis zum 31.12.04 geleisteten Beiträgen beruhen, die oberhalb des Betrags des Höchstbeitrags zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt wurden und der Steuerpflichtige nachweist, dass der Betrag des Höchstbeitrags mindestens zehn Jahre überschritten wurde.
Bereits in dem oben zitieren Urteil aus 2016 haben die Richter des BFH ausgeführt, dass der Steuerzahler die Beweislast für die Doppelbesteuerung trägt.
Im Jahre 2021 musste der BFH erneut entscheiden. Doch wiederum hält er die grundsätzliche Systematik der Rentenbesteuerung für rechtens, also den begrenzten Abzug der Altersvorsorgeaufwendungen im Erwerbsleben, verbunden mit der nur teilweisen Steuerbefreiung der Renten in der Auszahlungsphase. Eine doppelte Besteuerung zeichne sich erst für spätere Rentnerjahrgänge ab. Zwar könne es Einzelfälle geben, bei denen schon heute eine Doppel- oder Übermaßbesteuerung eintritt. Doch den Nachweis einer solchen Doppel- oder Übermaßbesteuerung müsse der Steuerpflichtige selbst erbringen. Dabei hat der BFH die Anforderungen an einen solchen Nachweis sehr hoch gesetzt (BFH 19.5.21, X R 33/19 und X R 20/21).
2. BFH (19.5.21, X R 33/19)
Der Kläger war während seiner aktiven Erwerbstätigkeit überwiegend selbstständig als Steuerberater tätig. Auf seinen Antrag hin war er in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig. Er zahlte seine Rentenbeiträge größtenteils aus eigenem Einkommen. Dabei konnte er diese Aufwendungen nur begrenzt als Sonderausgaben abziehen. Seit 2007 erhält der Kläger eine Altersrente. Im vorliegenden Verfahren wandte er sich gegen deren Besteuerung im Jahr 2008. Das FA hatte die Rente mit einem Besteuerungsanteil von 54 % der Einkommensteuer unterworfen, sodass also ein steuerfreier Teil von 46 % verblieb.
2.1 Doppelbesteuerung
Doch der BFH konnte im Streitfall keine Doppelbesteuerung erkennen. Eine doppelte Besteuerung wird vermieden, wenn die Summe der voraussichtlich steuerfrei bleibenden Rentenzuflüsse („steuerfreier Rentenbezug“) mindestens ebenso hoch ist wie die Summe der aus dem bereits versteuerten Einkommen aufgebrachten Rentenversicherungsbeiträge. Dabei ist das Nominalwertprinzip maßgebend. Der Auffassung des Klägers, nach der die zwischen der früheren Beitragszahlung und dem heutigen bzw. künftigen Rentenbezug eintretende Geldentwertung im Rahmen der Berechnung zu berücksichtigen sei, folgte der BFH nicht. Infolgedessen können Wertsteigerungen der Renten – unabhängig davon, ob sie inflationsbedingt sind oder eine reale Erhöhung darstellen – besteuert werden.
2.2 Steuerfreier Rentenbezug
Zum steuerfreien Rentenbezug gehören im Übrigen nicht nur die jährlichen Rentenfreibeträge des Rentenbeziehers, sondern auch die eines etwaig länger lebenden Ehegatten aus dessen Hinterbliebenenrente. Alle anderen Beträge, die die Finanzverwaltung ebenfalls als „steuerfreien Rentenbezug“ in die Vergleichsrechnung einbeziehen möchte, bleiben allerdings nach Auffassung des BFH unberücksichtigt. Sie dienen anderen – überwiegend verfassungsrechtlich gebotenen und daher für den Gesetzgeber nicht dispositiven – Zwecken und können daher nicht nochmals herangezogen werden, um eine doppelte Besteuerung von Renten rechnerisch zu vermeiden. Damit bleibt insbesondere auch der Grundfreibetrag bei der Berechnung des „steuerfreien Rentenbezugs“ unberücksichtigt. Das Gleiche hinsichtlich des Sonderausgabenabzugs für die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung, der Beitragsanteile des Rentenversicherungsträgers zur Krankenversicherung der Rentner, des Werbungskosten-Pauschbetrags und des Sonderausgaben-Pauschbetrags.
Fazit | Bei Anwendung dieser Berechnungsgrundsätze hatte die Revision des Steuerzahlers keinen Erfolg. Angesichts des „noch recht hohen“ Rentenfreibetrags von 46 % der Rentenbezüge des Klägers ergab sich keine doppelte Besteuerung – so der BFH. Diese zeichne sich allerdings für spätere Rentnerjahrgänge, für die der Rentenfreibetrag nach der gesetzlichen Übergangsregelung immer weiter abgeschmolzen wird, ab. Denn auch diese Rentnerjahrgänge haben erhebliche Teile ihrer Rentenbeiträge aus versteuertem Einkommen geleistet. |
3. BFH (19.5.21, X R 20/21)
Der Kläger war als Zahnarzt Pflichtmitglied eines berufsständischen Versorgungswerks, blieb allerdings freiwilliges Mitglied in der gesetzlichen Rentenversicherung. Er erhielt im Streitjahr 2009 von der Deutschen Rentenversicherung Bund eine Altersrente und Zusatzleistungen aus der dortigen Höherversicherung. Zudem bezog er mehrere Rürup-Renten, ebenso zahlreiche Renten aus privaten Kapitalanlageprodukten. Das FA setzte für die gesetzliche Altersrente einschließlich der Leistungen der Höherversicherung den sich nach der gesetzlichen Übergangsregelung ergebenden Besteuerungsanteil von 58 % an. 42 % der ausgezahlten Rente blieben steuerfrei.
3.1 Öffnungsklausel
Im Hinblick auf die hohen Beitragsleistungen des Klägers in zwei Versorgungssysteme wandte das FA die Öffnungsklausel an. Diese ermöglicht es, in bestimmten Konstellationen die Rente zumindest teilweise mit dem günstigeren Ertragsanteil zu versteuern. Die Rürup-Renten des Klägers brachte das FA mit dem Besteuerungsanteil, die sonstigen privaten Leibrenten mit dem Ertragsanteil in Ansatz. Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab.
Die Kläger hielten die Entscheidung der Vorinstanz aus mehreren Gründen für unzutreffend. Sie meinten, die gesetzliche Altersrente, eine der Rürup-Renten und diverse Renten aus privaten Versicherungen würden unzulässigerweise doppelt besteuert, weil nach ihren Berechnungen die aus versteuertem Einkommen erbrachten Beiträge höher seien als der steuerfreie Teil der zu erwartenden Rentenzahlungen.
Der BFH sah dies anders. Er entschied unter anderem, dass die Leistungen aus der freiwilligen Höherversicherung zur gesetzlichen Altersrente (§ 269 Abs. 1 SGB VI) als Teil der Rente einheitlich mit den regulären Rentenbezügen zu versteuern sind. Dass jene Leistungen sozialversicherungsrechtlich zu einer überdurchschnittlichen Versorgung aus der gesetzlichen Rentenversicherung führen und ausschließlich aus eigenen Beiträgen des Versicherten finanziert wurden, erachtete der BFH als unerheblich.
Dagegen teilte der BFH die Auffassung der Kläger, dass die gesetzliche Öffnungsklausel, die bei überobligatorisch hohen Einzahlungen in ein Altersvorsorgesystem der Gefahr einer doppelten Besteuerung von Renten vorbeugen soll, nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut nur auf Antrag des Steuerpflichtigen anwendbar ist. Sie hätte danach im Streitfall keine Anwendung finden dürfen, weil die Kläger keinen entsprechenden Antrag gestellt hatten. Trotzdem blieb ihre Revision auch in diesem Punkt ohne Erfolg, denn die unzutreffende Anwendung der Öffnungsklausel verletzte die Kläger nicht in ihren Rechten. Die ihnen durch die Anwendung der Öffnungsklausel zu Unrecht gewährte Entlastung fiel nämlich höher aus als der Betrag, der ohne Geltung der Öffnungsklausel für das Streitjahr als doppelt besteuert anzusehen wäre. Die Frage, ob Steuerpflichtige, die bewusst keinen Antrag auf Anwendung der gesetzlichen Öffnungsklausel zur niedrigeren Besteuerung ihrer Altersrente stellen, überhaupt eine doppelte Besteuerung rügen können, musste daher offenbleiben.
3.2 Steuerfreier Rentenbezug
Der BFH stellte zudem auch hier klar, dass zum steuerfreien Rentenbezug nicht nur die jährlichen Rentenfreibeträge des Rentenbeziehers, sondern auch die eines etwaig länger lebenden Ehegatten aus dessen Hinterbliebenenrente zu rechnen sind. Im Streitfall war daher auch der steuerfrei bleibende Teil einer späteren – bei statistischer Betrachtung wahrscheinlichen – Witwenrente der Klägerin zu berücksichtigen.
Regelmäßige Anpassungen einer der Basisversorgung dienenden gesetzlichen oder Rürup-Rente sind nach Auffassung des BFH auch in der Übergangsphase in voller Höhe und nicht – wie von den Klägern begehrt – mit dem geringeren individuellen Besteuerungsanteil zu berücksichtigen. Der BFH bestätigte insoweit seine bisherige Rechtsprechung.
Hinsichtlich der streitigen Renten des Klägers aus privaten Kapitalanlageprodukten außerhalb der Basisversorgung konnte der BFH keine doppelte Besteuerung feststellen. Die für diese Renten geltende Ertragsanteilsbesteuerung kann nach Ansicht des X. Senats bereits systematisch keine doppelte Besteuerung hervorrufen, weil der durch das Gesetz festgelegte Ertragsanteil in zulässiger Weise die Verzinsung der Kapitalrückzahlung für die gesamte Dauer des Rentenbezugs typisiert. Diese Art der Besteuerung verlangt nicht, dass die Beitragszahlungen in der Ansparphase steuerfrei gestellt werden.
4. Die Verfassungsbeschwerden und ihre Ablehnung
Gegen die beiden Entscheidungen des BFH hatten die unterlegenen Kläger im Juni 2021 Verfassungsbeschwerde eingelegt. Die Verfassungsbeschwerden wurden offenbar umfassend begründet. Unter anderem verwiesen die Kläger darauf, dass in die Berechnungsformel des BFH auch die Hinterbliebenenrente einbezogen wurde. Dadurch werde in das Gebot der Folgerichtigkeit eingegriffen. Das heißt: Wenn eine mögliche Doppelbesteuerung der Rente des Ehemanns geprüft wird, dürfe nicht eine eventuelle Witwenrente einbezogen werden, denn diese stehe naturgemäß nicht ihm, sondern der länger lebenden Ehefrau und damit einem anderen Steuerpflichtigen zu.
Doch die Karlsruher Richter sehen die Verfassungsbeschwerden als nicht hinreichend begründet an (§ 23 Abs. 1 S. 2, § 92 BVerfGG). Die Beschwerdeführer hätten die gerügten Grundrechtsverstöße nicht hinreichend dargelegt. So hätten sie keine Vergleichsgruppen gebildet, zwischen denen eine Ungleichbehandlung bestehen soll. Stattdessen hätten sie sich unmittelbar auf eine Verletzung des Folgerichtigkeitsgebots bezogen. Der bloße Verweis auf das Folgerichtigkeitsgebot entbinde jedoch nicht davon, zunächst eine Ungleichbehandlung darzulegen, sofern diese nicht auf den ersten Blick offensichtlich ist. Die Beschwerdeführer hätten auch nicht ansatzweise dargelegt, inwieweit die Entscheidung des BFH, wonach die Beiträge zu den verschiedenen Sparten der gesetzlichen Sozialversicherung gleichrangig in die Berechnung des abziehbaren Teils der Vorsorgeaufwendungen einzustellen seien, die Mindestvoraussetzungen ihres menschenwürdigen Daseins tangiert.
5. Wie geht es nun weiter?
5.1 Wie werden die FÄ reagieren?
Die Finanzverwaltung wird zu dem Thema sicherlich bald Stellung nehmen. Es ist wahrscheinlich, dass die Vorläufigkeitsvermerke in den Einkommensteuerbescheiden bald aufgehoben werden und in aktuellen Bescheiden keine Vorläufigkeitsvermerke mehr ergehen werden. Sofern Einsprüche eingelegt wurden, werden die Einspruchsführer wohl bald gebeten, diese zurückzunehmen oder die Einsprüche werden gleich per Allgemeinverfügung zurückgewiesen.
5.2 Was können Betroffene tun?
Auch wenn die BFH-Urteile und die Beschlüsse des BVerfG enttäuschend sind: Es bleibt dabei, dass eine Doppelbesteuerung im Einzelfall möglich ist. Eine solche liegt aber erst vor, wenn die steuerfreien Rentenbezüge geringer sind als der aus versteuertem Einkommen geleistete Teil der Altersvorsorgeaufwendungen. Oder andersherum: Eine doppelte Besteuerung wird vermieden, wenn die Summe der voraussichtlich steuerfrei bleibenden Rentenzuflüsse („steuerfreier Rentenbezug“) mindestens ebenso hoch ist wie die Summe der aus dem bereits versteuerten Einkommen aufgebrachten Rentenversicherungsbeiträge.
Wer der Ansicht ist, dass eine Doppelbesteuerung seiner Renten nach den Parametern des BFH eintritt, weil ein entsprechender „Einzelfall“ vorliegt, sollte gegen aktuelle Steuerbescheide Einspruch einlegen bzw. vorhandene Einsprüche aufrechterhalten. Es muss aber eine konkrete Berechnung beigefügt werden, die die Doppelbesteuerung aufzeigt. Dem Einspruch müssen im Übrigen geeignete Unterlagen (Versicherungsverlauf, Steuerbescheide und Steuererklärungen für die Jahre der Einzahlungsphase) beigefügt werden.
Dazu der BFH (19.5.21, X R 33/19): „Aus diesem Grund ist der Steuerpflichtige insbesondere gehalten, dem FG seine Erwerbsbiographie und seinen Rentenversicherungslauf zu unterbreiten. Zudem trägt er die Feststellungslast für die frühere einkommensteuerrechtliche Behandlung der Altersvorsorgeaufwendungen durch Vorlage der Einkommensteuerbescheide oder der Rentenversicherungsverläufe in seinem konkreten Einzelfall. Ausnahmsweise ist bei einer fehlenden Möglichkeit oder bei Unzumutbarkeit der Darlegung einzelfallbezogener Angaben der Anteil der aus versteuertem Einkommen geleisteten Altersvorsorgeaufwendungen nach sachgerechten Maßstäben zu schätzen.“ Das heißt: Es müssen alle Steuerbescheide der Vergangenheit vorgelegt werden. Das können mitunter 45 Jahre sein. Alternativ kann zumindest der Verlauf der Rentenversicherung dargestellt werden, aus denen das FG im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht die weiteren Tatsachen herleiten muss (so BFH-Richter Nöcker in NWB 2016, 3432).
5.3 Beweisführung
Für die Berechnung einer möglichen Doppelbesteuerung gilt das Nominalwertprinzip. Es sind – etwas vereinfacht gesprochen – die tatsächlich eingezahlten und begünstigen Vorsorgeaufwendungen – mit den später tatsächlich gezahlten und teilweise befreiten Rentenbeträgen zu vergleichen. Weder sind Beträge auf- oder abzinsen noch ist eine Inflation zu berücksichtigen.
Auch sind nicht die reinen „Entgeltpunkte“ zu berücksichtigen. Von einigen Experten, aber auch von den Klägern im Verfahren X R 33/19 wurde die Auffassung vertreten, in der Erwerbsphase werden keine Rentenbeträge in Geld, sondern reine Entgeltpunkte erworben. Die tatsächliche Höhe der Rente kristallisiert sich erst viel später heraus. Doch der BFH hat sich nicht in die „Niederungen“ der Finanz- und Versicherungsmathematik begeben.
Zum steuerfreien Rentenbezug gehören nicht nur die jährlichen Rentenfreibeträge des Rentenbeziehers, sondern auch die eines etwaig länger lebenden Ehegatten aus dessen Hinterbliebenenrente. Allerdings ist in der Praxis – und damit auch bei der Berechnung – zu berücksichtigen, dass eine Hinterbliebenenrente gekürzt oder überhaupt nicht gezahlt wird, wenn Witwer oder Witwe eigenes Einkommen beziehen oder bezogen haben, das entsprechend angerechnet wird. Gegebenenfalls ist also nur ein gekürzter Betrag bei der Prüfung einer eventuellen Doppelbesteuerung anzusetzen.
Alle anderen Beträge, die die Finanzverwaltung ebenfalls als „steuerfreien Rentenbezug“ in die Vergleichsrechnung einbeziehen möchte, bleiben nach Auffassung des BFH unberücksichtigt. Sie dienen anderen – überwiegend verfassungsrechtlich gebotenen und daher für den Gesetzgeber nicht dispositiven – Zwecken und können daher nicht nochmals herangezogen werden, um eine doppelte Besteuerung von Renten rechnerisch zu vermeiden. Damit bleibt insbesondere auch der Grundfreibetrag, der das steuerliche Existenzminimum jedes Steuerpflichtigen sichern soll, bei der Berechnung des „steuerfreien Rentenbezugs“ unberücksichtigt. Das ist ein Punkt zugunsten der Steuerzahler.
Haben Steuerpflichtige vor dem 1.1.05 mindestens zehn Jahre lang Beiträge geleistet, die insgesamt über den Jahreshöchstbeitrag in der gesetzlichen Rentenversicherung (West) hinausgingen, können sie beantragen, dass die auf diesen Beiträgen beruhende Rente nicht mit dem hohen Besteuerungsanteil, sondern mit dem wesentlich günstigeren Ertragsanteil versteuert wird (sog. Öffnungsklausel nach § 22 Nr. Buchst. a Doppelbuchst. b S. 2 EStG). Die Auswirkungen der Öffnungsklausel sind bei der Berechnung einer eventuellen Doppelbesteuerung zu berücksichtigen.
5.4 Kreis der potenziell Betroffenen
Die wohl bemerkenswerteste Aussage ergab sich seinerzeit aus der Pressemitteilung des BFH: „Diese (Anmerkung der Red.: „doppelte Besteuerung“) zeichne sich allerdings für spätere Rentnerjahrgänge, für die der Rentenfreibetrag nach der gesetzlichen Übergangsregelung immer weiter abgeschmolzen wird, ab.“
Der Gesetzgeber hat zunächst darauf reagiert, indem der Abzug von Altersvorsorgeaufwendungen bereits seit 2023 und nicht erst ab 2025 – im Rahmen der Höchstbeträge – mit 100 % erfolgt. Er wird zudem reagieren, indem die Besteuerungsanteile der Renten, der Versorgungsfreibetrag und der Altersentlastungsbetrag angepasst werden. Nicht erst in 2040, sondern erst in 2058 soll der Besteuerungsanteil von Renten bei 100 % liegen. Dies sollte mit dem Wachstumschancengesetz bereits längst beschlossene Sache sein, doch das Gesetz „hängt“ noch im Vermittlungsausschuss.
Aber blicken wir nicht in die Zukunft, sondern in die Gegenwart und ein Stück weit in die Vergangenheit. In den Streitfällen ging es um die Rentenjahrgänge 2007 bzw. 2009. Insofern könnten die früheren und die heutigen Rentenjahrgänge also bereits von der Doppelbesteuerung betroffen sein. Zwar hat der BFH dazu keine weiteren Aussagen getroffen und in den entschiedenen Fällen zudem eine Doppelbesteuerung verneint. Zu denken ist aber beispielsweise an folgende Fälle, wenn es um eine mögliche Doppel- oder Übermaßbesteuerung von Renten geht:
- Betroffen sein könnten zum Beispiel Freiberufler, die über mehrere Jahre freiwillig hohe Beiträge (oberhalb des jeweiligen Höchstsatzes zur gesetzlichen Rentenversicherung) in ihr Versorgungswerk einbezahlt haben, ohne von der Öffnungsklausel profitiert zu haben. Die Öffnungsklausel erlaubt es unter bestimmten Voraussetzungen, die Rente zu einem gewissen Betrag nur mit dem – niedrigeren – Ertragsanteil zu besteuern.Freiberufler mit hohen freiwilligen Einzahlungen
- Auch können Personen betroffen sein, die zum Beispiel nach einer Scheidung einmalig einen hohen Beitrag ins Versorgungswerk eingezahlt haben, um ihren Rentenanspruch wieder aufzufüllen.
- Tendenziell sind im Übrigen Männer – aufgrund ihrer statistisch niedrigeren Lebenserwartung – eher von einer Doppelbesteuerung betroffen als Frauen.Männer eher als Frauen
- Und auch bei Personen, bei denen eine Versorgung von Hinterbliebenen nicht zu erwarten ist, zumeist also bei Ledigen, kann sich eine Doppelbesteuerung tendenziell eher ergeben als bei Verheirateten.
- Zu prüfen wäre wohl auch der Fall, dass ein Steuerpflichtiger vor einigen Jahren ins Ausland verzogen ist, nunmehr seine Rente (in Deutschland) versteuern muss, von der steuerlichen Abziehbarkeit der Vorsorgeaufwendungen seit 2005 aber nicht oder nicht hinreichend profitieren konnte.
Wie eingangs erwähnt könnte eine mögliche Doppelbesteuerung auch Personen betreffen, die zunächst als Angestellter und später viele Jahre gewerblich oder freiberuflich tätig waren und auf Antrag bei der Deutschen Rentenversicherung bis zum Eintritt in den Ruhestand pflichtversichert geblieben sind. Doch bei aller Pauschalbetrachtung: Letztlich bleibt Rentnern, die eine mögliche Doppelbesteuerung prüfen möchten, nichts anderes übrig, als diese im Einzelfall zu berechnen. Und anders als erhofft oder von einigen vielleicht auch erwartet, ist die Doppelbesteuerung kein Massenphänomen. Selbst wenn sie rechnerisch ermittelt wird, dürfte es zudem eher um zwei- bis dreistellige Summen pro Monat als um höhere Beträge gehen.
6. Mustereinspruch und Berechnungsschema
Die Berechnung einer möglichen Doppelbesteuerung von Renten ist zugegebenermaßen schwierig. Dazu muss einerseits anhand der Steuerbescheide vergangener Jahre ermittelt werden, in welcher Höhe die Rentenbeiträge steuerlich entlastet wurden, und andererseits in welcher Höhe die Renteneinkünfte nun „befreit“ werden. Das heißt, anhand der voraussichtlichen Lebenserwartung nach der Sterbetafel sind die prognostizierte Rentenhöhe und der steuerfreie Rentenanteil zu berechnen. Doch es hilft nichts: BFH und Finanzverwaltung verlangen den Nachweis einer möglichen Doppelbesteuerung – die Feststellungs- oder Beweislast liegt beim Steuerpflichtigen und nicht beim FA.
Eine Doppelbesteuerung liegt vor, wenn die steuerfreien Rentenbezüge geringer sind als der aus versteuertem Einkommen geleistete Teil der Altersvorsorgeaufwendungen. Da kommen viele Faktoren zusammen. Das im Anschluss vorgestellte – zugegebenermaßen vereinfachende – Schema kann möglicherweise helfen, eine mögliche Doppelbesteuerung zu begründen und sollte dem Einspruch beifügt werden.
Der Einspruch selbst könnte wie folgt begründet werden:
Muster / Einspruch |
Eigene Anschrift: … An das Finanzamt: Steuernummer: … Einkommensteuerbescheid … vom … Sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren, gegen den oben genannten Einkommensteuerbescheid (nebst Bescheid über die Festsetzung von Kirchensteuer und des Solidaritätszuschlags) lege ich/legen wir hiermit fristgerecht E i n s p r u c h ein und begründe(n) ihn wie folgt: Laut Steuerbescheid haben Sie folgende Rente [genaue Bezeichnung] in Höhe von (...) EUR dem zu versteuernden Einkommen hinzugerechnet, mithin also (…) EUR versteuert. Die Rente ist teilweise jedoch aus bereits versteuertem Einkommen aufgebaut worden. Oder anders ausgedrückt: Während der Erwerbsphase/Aktivphase sind entsprechende Beiträge zur Altersvorsorge nur im geringen Maße steuerlich abgezogen worden, während die Rente nunmehr relativ hoch besteuert wird. Somit liegt eine verfassungsrechtlich unzulässige Doppelbesteuerung vor. Zur Begründung meines/unseres Einspruchs füge ich/fügen wir Ihnen in Kopien aller mir/uns noch zur Verfügung stehenden Einkommensteuerbescheide der vergangenen Jahre sowie – ebenfalls in Kopie – alle vorhandenen Rentenbezugsmitteilungen und auch die Rentenberechnungen der Deutschen Rentenversicherung und/oder des Versorgungswerks bei. Beigefügt habe ich/haben wir Ihnen auch ein Berechnungsschema, das nach unserem Dafürhalten den Ausführungen der Urteile des BFH vom 19.5.21 (X R 33/19; X R 20/21) entspricht. Anhand des Schemas wird die unzulässige Doppelbesteuerung deutlich. Damit bin ich/sind wir unserer Feststellungs- und Nachweispflicht, wie sie der BFH in seinen Urteilen gefordert hat, umfassend – und weit über das eigentlich erforderliche Maß – nachgekommen. Mit freundlichen Grüßen (Unterschrift) |
Beachten Sie | Bei dem Mustereinspruch handelt es sich um einen Vorschlag, der individuelle Ausführungen und die Beratung durch einen Steuerberater, Rechtsanwalt oder anderweitig zur Hilfe in Steuersachen Befugten nicht ersetzen kann. Es kann keinerlei Gewähr dafür gegeben werden, dass die Finanzverwaltung den Einspruch als begründet ansieht und/oder ein Ruhen des Verfahrens gewährt.
Mit dem folgenden Berechnungsschema kann eine eventuelle Doppelbesteuerung nachgewiesen werden.
Berechnung einer eventuellen Doppelbesteuerung von Renten | |||||
Datum/Jahre/Prozent | EUR | EUR | |||
1. | Beiträge Rentenversicherung, Versorgungswerk bis 2004 insgesamt (nur eigene bzw. Arbeitnehmerbeiträge) | = | |||
2. | davon im Rahmen der Höchstbeträge berücksichtigt (abgezogen) als Sonderausgaben/Vorsorgeaufwendungen | Steuerliche Einkommensminderung in der Erwerbsphase* | = | ||
3. | Beiträge Rentenversicherung, Versorgungswerk ab 2005 insgesamt (nur eigene bzw. Arbeitnehmerbeiträge) | = | |||
4. | davon im Rahmen der Höchstbeträge berücksichtigt (abgezogen) als Sonderausgaben/Vorsorgeaufwendungen | Steuerliche Einkommensminderung in der Erwerbsphase* | = | ||
5. | Summe 2. + 4. = | = | |||
6. | Eingezahltes Rentenkapital 1. + 3. = | Summe 1. + 3. = | = | ||
7. | Damit „Rentenstock“ aus versteuertem Einkommen aufgebaut in Höhe von | Differenz 6. − 5. | = | ||
8. | Rentenbeginn am: | ||||
9. | Voraussichtliche/durchschnittliche Lebenserwartung laut „Sterbetafel“: | ||||
10. | Rente pro Jahr | = | |||
11. | Besteuerungsanteil in %** | z. B. 70 % | |||
12 | Rentenfreibetrag damit | z. B. 30 % | |||
13. | Rentenfreibetrag in EUR | = | |||
14. | Der steuerunbelastete Teil der Rente beträgt somit | Rentenfreibetrag laut Zeile 13 × voraussichtliche Lebenserwartung in Jahren lt. Zeile 9 | = | ||
15. | Voraussichtliche/durchschnittliche Lebenserwartung des Ehegatten laut „Sterbetafel“ ab dem Zeitpunkt des „statistischen Ablebens“ des anderen Ehegatten | ||||
16. | Eventuelle Hinterbliebenenrente pro Jahr*** | = | |||
17. | Besteuerungsanteil in % (wie oben) | z. B. 70 % | |||
18. | Rentenfreibetrag damit | z. B. 30 % | |||
19. | Rentenfreibetrag in EUR | = | |||
20. | Der steuerunbelastete Teil der Rente beträgt somit | Rentenfreibetrag laut Zeile 19 × voraussichtliche Lebenserwartung in Jahren laut Zeile 15 | = | ||
21. | Summe aus 14. und 20. | = | |||
22. | Höherer Wert aus Zeile 7 und Zeile 21 | = | |||
23. | Wenn der Wert laut Zeile 7 höher ist als der Wert laut Zeile 14 oder bei Verheirateten laut Zeile 22, könnte eine teilweise unzulässige Besteuerung der Rente („Doppelbesteuerung“) vorliegen, da die Summe der Rententeilbeträge, die dem Rentner hier nach der statistischen Lebenserwartung steuerunbelastet zufließen werden, höher wären als der aus versteuertem Einkommen geleistete Teil der Altersvorsorgeaufwendungen. |
Anmerkungen
* Anhand der Steuerbescheide sollte der Wert möglichst genau ermittelt werden. Falls dies nicht möglich ist: Für die Jahre bis 2004 kann er gegebenenfalls mit höchstens 5.000 EUR pro Jahr geschätzt werden. Denn in den 90er Jahren waren abziehbar: Grundhöchstbetrag 2.610 DM + Vorwegabzug 6.000 DM + halber Grundhöchstbetrag 1.305 DM. Bei Zusammenveranlagung waren die Beträge zu verdoppeln, jedoch waren sie zum Beispiel bei Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit (§ 19 EStG) zu kürzen. Zudem ist zu beachten, dass die Höchstbeträge früher gemeinsam für alle Vorsorgeaufwendungen galten, also auch für Beiträge zur Kranken- und Arbeitslosenversicherung. Die Beiträge zu den verschiedenen Sparten der gesetzlichen Sozialversicherung sind gleichrangig in die Berechnung des abziehbaren Teils der Altersvorsorgeaufwendungen einzustellen, sodass letztlich in dem meisten Fällen nicht 5.000 EUR, sondern umgerechnet vielleicht nur ein Abzugsbetrag von 3.000 EUR oder noch weniger auf die Rentenversicherung entfiel.
** Haben Sie vor dem 1.1.05 mindestens zehn Jahre lang Beiträge zur Altersversorgung geleistet, die über den Jahreshöchstbeitrag in der gesetzlichen Rentenversicherung (West) hinausgingen, können Sie beantragen, dass die auf diesen Beiträgen beruhende Rente nicht mit dem hohen Besteuerungsanteil, sondern mit dem wesentlich günstigeren Ertragsanteil versteuert wird (sog. Öffnungsklausel nach § 22 Nr. Buchst. a Doppelbuchst. bb S. 2 EStG).
*** Es ist zu berücksichtigen, dass eine Hinterbliebenenrente („Witwenrente“) gekürzt oder überhaupt nicht gezahlt wird, wenn Witwer oder Witwe eigenes Einkommen beziehen oder bezogen haben, das entsprechend angerechnet wird. Gegebenenfalls ist also nur ein gekürzter Betrag einzutragen.
Wie erwähnt ist das Berechnungsschema noch sehr vereinfacht. Es kann aber möglicherweise helfen, um einen Einspruch nicht von vornherein als unbegründet abzulehnen. Das besondere Augenmerk muss letztlich auf die exakte Berechnung der – geringen – steuerlichen Entlastung in der Aktivphase gelegt werden, insbesondere bei den Jahren vor 2005. Und hier helfen sicherlich die alten Steuerbescheide am besten weiter. Fügen Sie diese dem Einspruch bei, und zwar nebst Rentenmitteilungen und allen Unterlagen, die Sie jemals von Ihrer Rentenversicherung oder dem Versorgungswerk erhalten haben. Hier gilt der Praktikertipp: Viel (Papier) hilft viel.
Um die Wirkweise – ebenfalls stark vereinfacht – darzustellen, sollen folgende Beispiele helfen:
Beispiel 1: Mögliche Doppelbesteuerung |
Herr Müller, ledig, hat in seiner Aktivphase insgesamt 500.000 EUR aus eigenen Mitteln in seine Altersversorgung eingezahlt. Steuerlich ausgewirkt haben sich 175.000 EUR, sodass 325.000 EUR Altersversorgung aus versteuertem Einkommen aufgebaut worden sind. Bei Renteneintritt betrug die Rente 2.778 EUR pro Monat, also rund 33.330 EUR pro Jahr. Die statistische Lebenserwartung lag bei Rentenbeginn bei 15 Jahren, sodass die Rente auf 15 Jahre berechnet rund 500.0000 EUR beträgt. Einzahlung und Auszahlung gleichen sind also aus. |
Steuerunbelasteter Rentenbetrag ist geringer als Altersvorsorgeaufwendungen Steuerlich gefördert wurden 175.000 EUR der Rente, ungefördert blieben 325.000 EUR. Versteuert werden bei einem Besteuerungsanteil von 65 % bzw. einem „freien Anteil“ von 35 % mithin 325.000 EUR (500.000 EUR × 65 %), sodass 175.000 EUR steuerfrei bleiben. Der voraussichtlich steuerunbelastet zufließende Rentenbetrag von 175.000 EUR ist also geringer als die früheren Altersvorsorgeaufwendungen, die in Höhe von 325.000 EUR aus versteuertem Einkommen erbracht wurden. Es könnte also eine Doppelbesteuerung vorliegen. |
Beispiel 2: Keine Doppelbesteuerung |
Herr Meier, ledig, hat in seiner Aktivphase insgesamt 300.000 EUR in seine Altersversorgung aus eigenen Mitteln eingezahlt. Steuerlich ausgewirkt haben sich 150.000 EUR, sodass 150.000 EUR Altersversorgung aus versteuertem Einkommen aufgebaut worden sind. Bei Renteneintritt betrug die Rente 2.500 EUR pro Monat, also 30.000 EUR pro Jahr. Die statistische Lebenserwartung lag bei Rentenbeginn bei 20 Jahren, sodass die Rente auf 20 Jahre berechnet rund 600.000 EUR beträgt. Steuerunbelasteter Rentenbetrag ist höher als Altersvorsorgeaufwendungen Steuerlich gefördert wurden 150.000 EUR der Rente, ungefördert blieben 150.000 EUR. Versteuert werden bei einem Besteuerungsanteil von 60 % bzw. einem „freien Anteil“ von 40 % mithin 360.000 EUR (600.000 EUR × 40 %), sodass 240.000 EUR steuerfrei bleiben. Der voraussichtlich steuerunbelastet zufließende Rentenbetrag von 240.000 EUR ist also höher als die früheren Altersvorsorgeaufwendungen, die in Höhe von 150.000 EUR aus versteuertem Einkommen erbracht wurden. Eine Doppelbesteuerung liegt nicht vor. |
Das letzte Wort ist wohl doch noch nicht gesprochen Fazit | Sicherlich ist in Sachen „Rentenbesteuerung“ noch nicht für alle Fälle das letzte Wort gesprochen. Beispielsweise liegt beim BVerfG eine Beschwerde unter dem Az. 2 BvR 2212/22 vor. Hintergrund: Es gibt nicht nur Rentner, die so früh wie möglich ihre Rente beziehen wollen. Es gibt auch solche, die nach Erreichen der Regelaltersgrenze (65 Jahre plus × Monate) noch weiterarbeiten und die Rente erst später in Anspruch nehmen wollen. Diesbezüglich hat der BFH entschieden, dass der steuerlich maßgebende Rentenbeginn immer das Jahr der tatsächlichen Bewilligung ist, auch wenn bereits früher ein Rentenanspruch besteht und dieser auf Antrag des Berechtigten hinausgeschoben wird. Nach diesem Jahr des Beginns der aufgeschobenen Altersrente richtet sich der Besteuerungsanteil (BFH 31.8.22, X R 29/20). Fazit: Steuerzahler, die später in Rente gehen, werden vom Fiskus bestraft, weil der Besteuerungsanteil ihrer Rente dauerhaft höher ist, als wenn sie mit Erreichen der Regelaltersgrenze in den Ruhestand gegangen wären. Gegen das Urteil des BFH ist besagte Verfassungsbeschwerde erhoben worden. Und noch ein Wort zu Folgerenten: Bezieht ein Freiberufler zunächst eine klassische Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung und erst einige Zeit später die Rente aus einem berufsständischen Versorgungswerk, so liegen zwei eigenständige Renten vor, für die jeweils gesondert der Besteuerungsanteil zu ermitteln ist. Die Rente aus dem Versorgungswerk ist keine Folgerente zur gesetzlichen Rente, sodass bei dem späteren Bezug der höhere Besteuerungsanteil anzuwenden ist (FG Hamburg 12.5.22, 5 K 46/21). |
AUSGABE: PFB 4/2024, S. 103 · ID: 49915069