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Aktienoptionen/MitarbeiterbeteiligungBAG kippt Verfallsklausel für Aktienoptionen nach Kündigung und ändert so Rechtsprechung
| „Gevestete“ Mitarbeiter-Aktienoptionen dürfen nach einer Kündigung durch den Arbeitnehmer nicht sofort oder beschleunigt verfallen, urteilt das BAG. Die Entscheidung führt zu einer Änderung der bisherigen BAG-Rechtsprechung und hat weitreichende Konsequenzen für Mitarbeiterbeteiligungsprogramme. |
Virtuelle Optionsrechte als Incentive für Arbeitnehmer
Virtuelle Optionsrechte basieren auf schuldrechtlichen Vereinbarungen, durch die Arbeitnehmer so gestellt werden, als seien sie unmittelbar am Unternehmen ihres Arbeitgebers beteiligt. Dadurch erhalten die beteiligten Mitarbeiter zwar keine „echte“ Beteiligung am Unternehmen, aber dennoch die Chance, an der Entwicklung des Unternehmens finanziell zu partizipieren. Einige Arbeitgeber bieten diese Möglichkeit als Anreiz, um Mitarbeiter zu gewinnen und langfristig zu binden. Dürfen die entsprechenden Optionsrechte erst nach dem Ablauf einer gewissen Frist ausgeübt werden, spricht man von „Vesting“. Die dem Mitarbeiter gewährten Optionsrechte werden dann gestaffelt in einer bestimmten Periode („Vesting-Periode“) schrittweise ausübbar.
Streit um Optionsrechte nach Ende des Arbeitsverhältnisses
Im BAG-Fall hatte der Mitarbeiter während seiner etwa zweijährigen Anstellung bei der Arbeitgeberin ein Angebot auf Zuteilung von solchen virtuellen Optionsrechten (sog. „Allowance Letter“) erhalten und dieses durch eine gesonderte Erklärung angenommen. Nach den Bestimmungen für Mitarbeiter-Aktienoptionen (Employee Stock Option Provisions „ESOP“) setzt die Ausübung der virtuellen Optionen, die zu einem Zahlungsanspruch gegen die Arbeitgeberin führen kann, deren Ausübbarkeit nach Ablauf der Vesting-Periode und ein sogenanntes Ausübungsereignis wie einen Börsengang voraus. Dabei werden die dem Arbeitnehmer zugeteilten virtuellen Optionen nach einer Mindestwartezeit von zwölf Monaten (sog. „Cliff“) innerhalb einer Vesting-Periode von insgesamt vier Jahren gestaffelt ausübbar. Die Vesting-Periode wird ausgesetzt, wenn und solange der Arbeitnehmer von seiner Pflicht zur Arbeitsleistung ohne Gehaltsanspruch entbunden ist.
Arbeitgeberin schrieb Verfallsklausel in Bestimmungen
Das Arbeitsverhältnis endete 2020 durch Eigenkündigung des Mitarbeiters. Für solche Fälle hatte die Arbeitgeberin eine Klausel vorgesehen, anhand der die bereits ausübbar gewordenen („gevesteten“) Optionsrechte nach einer Eigenkündigung verfallen sollten. Im Übrigen verfallen „gevestete“, aber noch nicht ausgeübte virtuelle Optionen sukzessive innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren nach Ende des Arbeitsverhältnisses.
Mitarbeiter macht „gevestete“ Optionsrechte nach Ausscheiden geltend
Zum Zeitpunkt des Ausscheidens des Mitarbeiters waren bereits 31,25 Prozent der ihm zugeteilten Optionsrechte gevestet. Diese machte er geltend und vertrat die Auffassung, die betreffenden Optionen seien nicht mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses verfallen. Die Arbeitgeberin lehnte den Anspruch unter Hinweis auf den Verfall der Optionsrechte ab.
Das BAG hat entschieden: Die „gevesteten“ virtuellen Optionen sind nicht verfallen (BAG, Urteil vom 28.05.2008, Az. 10 AZR 351/07, Abruf-Nr. 090605) .
BAG entscheidet: Verfallsklausel ist unwirksam
Das BAG stellte zunächst fest, dass es sich bei den ESOP-Bestimmungen um Allgemeine Geschäftsbedingungen i. S. v. § 305 Abs. 1 S. 1 BGB (AGB) handelt, die einer Inhaltskontrolle unterliegen. Bestimmt eine Verfallklausel, dass zugunsten des Arbeitnehmers bereits gevestete virtuelle Optionsrechte nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund einer Eigenkündigung sofort verfallen, benachteiligt diese den Arbeitnehmer unangemessen (§ 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB). Damit hält die Klausel einer Inhaltskontrolle nicht stand (BAG, Urteil vom 19.03.2025, Az. 10 AZR 67/24, Abruf-Nr. 247284).
Grund hierfür ist, dass es sich bei den durch teilweisen Ablauf der Vesting-Periode bereits „gevesteten“ Optionsrechten um eine Gegenleistung für die Arbeitsleistung handelt, die der Arbeitnehmer in dieser Zeit erbracht hat. Der Verfall bereits „erarbeiteter“ Optionsrechte berücksichtigt damit laut BAG nicht die Interessen des Arbeitnehmers. Denn dieser dürfte, um eine Vermögenseinbuße zu verhindern, das Arbeitsverhältnis nicht kündigen. Dies stelle eine unverhältnismäßige Kündigungserschwerung dar.
Auch eine Klausel, die vorsieht, dass die ausübbaren virtuellen Optionsrechte nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses doppelt so schnell verfallen, wie sie innerhalb der „Vesting-Periode“ progressiv entstanden sind bzw. angespart und erarbeitet wurden, ist laut dem zehnten Senat unwirksam. Diese lässt die Zeit, die der Arbeitnehmer durch Erbringung seiner Arbeitsleistung aufgebracht hat, unberücksichtigt, ohne dass besondere Interessen des Arbeitgebers die kürzere Verfallsfrist rechtfertigen würden.
Konsequenzen für Mitarbeiterbeteiligungsprogramme
Das BAG hat in der Entscheidung vom 28.05.2008 (Az. 10 AZR 351/07, Abruf-Nr. 090605) den sofortigen Verfall bereits „gevesteter“ Optionen, die während des Arbeitsverhältnisses noch nicht ausgeübt werden konnten, nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses für zulässig gehalten. Daran hält das BAG nun nicht mehr fest. Die geänderte BAG-Rechtsprechung ist bei der Gestaltung (virtueller) Mitarbeiterbeteiligungsprogramme zu berücksichtigen.
Arbeitgeber sollten (virtuelle) Optionspläne überprüfen und gegebenenfalls anpassen. Sie müssen ihre (virtuellen) Beteiligungsprogramme so gestalten, dass sie insbesondere den Vergütungscharakter bereits ausübbar gewordener Optionsrechte berücksichtigen.
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