MindestlohnSonderzahlungen auf den gesetzlichen Mindestlohn anrechnen – so gelingt es in der Praxis
| Die Frage, welche Lohnbestandteile auf den gesetzlichen Mindestlohn angerechnet werden dürfen, führt bei Sonderzahlungen des Arbeitgebers immer wieder zu Zweifelsfällen. Nun hat das LAG Baden-Württemberg darüber entschieden, ob der Arbeitgeber berechtigt ist, Einmalzahlungen wie Weihnachts- und Urlaubsgeld in monatliche Zahlungen aufzuteilen, um sie im jeweiligen Monat auf den Mindestlohn anzurechnen. LGP informiert Sie über das Urteil und liefert Gestaltungsmöglichkeiten für die Praxis. |
Geänderte Auszahlung und Anrechnung auf Mindestlohn
Im Arbeitsvertrag der Arbeitnehmerin war vereinbart, dass die Arbeitnehmerin jährlich jeweils ein halbes Monatsgehalt als Weihnachts- und Urlaubsgeld erhält. Die Zahlungen leistete der Arbeitgeber regelmäßig mit der Gehaltszahlung für Juni (Urlaubsgeld) und November (Weihnachtsgeld). Der Arbeitgeber ging im Jahr 2022 dazu über, Urlaubs- und Weihnachtsgeld auf zwölf gleiche Monatsbeträge aufzuteilen und zahlte die Teilbeträge jeweils mit dem monatlichen Gehalt aus. Er rechnete die Zahlungen auf den Mindestlohnanspruch der Arbeitnehmerin an. Dagegen wehrte sich die Arbeitnehmerin. Sie bestand darauf, dass die Zahlungen jeweils einmal jährlich zu leisten seien und nicht auf monatliche Teilbeträge aufgeteilt werden dürften.
Einseitige Umwandlung in ratierliche Zahlung ist unzulässig
Das LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 11.01.2024, Az. 3 Sa 4/23, Abruf-Nr. 239405) gab der Arbeitnehmerin Recht: Der Arbeitgeber war nicht berechtigt, die Auszahlungspraxis einseitig zu ändern. Infolgedessen hätte er die Zahlungen auch nicht auf den Mindestlohn anrechnen dürfen.
Zwar sei das arbeitsvertraglich vereinbarte Urlaubs- und Weihnachtsgeld als Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung und beim Mindestlohn grundsätzlich berücksichtigungsfähig. Allerdings hätten sich Arbeitgeber und Beschäftigte angesichts der Praxis, die Sonderzahlungen jeweils halbjährlich auszuzahlen, stillschweigend auf die langjährig praktizierten Auszahlungstermine geeinigt. Damit könne der Arbeitgeber die Zahlungen nur in diesen Monaten auf den Mindestlohn anrechnen. Für die anderen Monate, in denen der Arbeitgeber die anteilige Zahlung nicht hätte erbringen dürfen, sei eine Anrechnung auf den Mindestlohn unzulässig.
Das Recht des Arbeitgebers, als Schuldner (der Sonderzahlungen) eine Leistung gemäß § 271 Abs. 2 BGB im Zweifel auch vor einem vereinbarten Fälligkeitszeitpunkt zu erbringen, ist nach Ansicht des Gerichts auf diese Zahlungen nicht anwendbar. Denn hier liege eine Vereinbarung über bestimmte Auszahlungstermine vor; darüber hinaus habe die Arbeitnehmerin als Gläubigerin der Urlaubs- und Weihnachtsgeldzahlungen wegen der Zweckbestimmungen der Zahlungen (Zusatzentgelt für erhöhte urlaubs- und weihnachtsfestbedingte Aufwendungen) ein berechtigtes Interesse daran, dass die Zahlungen erst zum Fälligkeitstermin geleistet würden.
Das sind die Konsequenzen für die betriebliche Praxis
Für die betriebliche Praxis sind die Konsequenzen klar: Will der Arbeitgeber Sonderzahlungen wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld monatlich auf den Mindestlohn anrechnen, so muss er sich die ratierliche monatliche Auszahlung im Arbeitsvertrag vorbehalten. Eine entsprechende Klausel zur Aufteilung eines Weihnachtsgelds könnte etwa lauten:
Klausel / Arbeitsvertraglicher Vorbehalt der ratierlichen Auszahlung |
Der Arbeitgeber gewährt dem Arbeitnehmer ein Weihnachtsgeld in Höhe eines monatlichen Gehalts auf Basis der vereinbarten Arbeitszeit. Die Auszahlung erfolgt mit dem Gehalt für den Monat November. Der Arbeitgeber behält sich vor, das Weihnachtsgeld auf bis zu zwölf gleichmäßige Teilbeträge aufzuteilen und mit der monatlichen Gehaltsabrechnung auszuzahlen. |
Als Alternative kann der Arbeitgeber es auch bei einer jährlichen Zahlung belassen und dem Arbeitnehmer die bis dahin aufgelaufenen Plusstunden eines Zeitkontos auszahlen. Das setzt aber voraus, dass ein solches Arbeitszeitkonto im Arbeitsvertrag (oder ggf. im Rahmen einer betrieblichen oder tarifvertraglichen Regelung) vereinbart ist.
In diesem Fall würde der Arbeitgeber jeweils den vereinbarten Monatslohn als verstetigtes Entgelt zahlen und die geleisteten Mehrstunden auf dem Zeitkonto gutschreiben. § 2 Abs. 1 MiLoG lässt zu, dass die Fälligkeit des Mindestlohns bei Vereinbarung eines Zeitkontos um bis zu zwölf Monate aufgeschoben wird. Wird das Weihnachtsgeld jeweils Ende November ausgezahlt, so läge es nahe, den Abrechnungszeitraum des Zeitkontos jeweils auf November bis Oktober des Folgejahrs festzulegen und die per 31.10. aufgelaufenen Plusstunden ebenfalls im November zu vergüten. Das im November gezahlte Weihnachtsgeld könnte dann auf den Mindestlohnanspruch für diese Stunden angerechnet werden. Nachfolgend ein Beispiel für eine solche Klausel:
Klausel / Arbeitszeitkonto |
Der Arbeitgeber ist berechtigt, Über- und Unterschreitungen der vereinbarten Arbeitszeit als Plus- und Minusstunden einem Arbeitszeitkonto gutzuschreiben. Das Zeitkonto hat einen Ausgleichszeitraum von zwölf Monaten. Am Ende des Ausgleichszeitraums bestehende Plusstunden werden auf Basis des vereinbarten Stundenlohns ausgezahlt. |
Wichtig | Allerdings sind innerhalb des Zwölf-Monats-Zeitraums die Grenzen für den Aufbau von Plusstunden zu beachten: Gemäß § 2 Abs. S. 3 MiLoG dürfen pro Monat maximal 50 Prozent der vereinbarten Arbeitszeit (bezogen auf einen Monat) dem Zeitkonto gutgeschrieben werden.
Ausgabe: 05/2024, S. 111 · ID: 49971335
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