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Geringfügige BeschäftigungSo lassen sich im Jahr 2024 Geringfügigkeitsgrenze und Mindestlohn unter einen Hut bringen
| Im Jahr 2022 hat der Gesetzgeber die Regelungen zur geringfügigen Beschäftigung reformiert und die Geringfügigkeitsgrenze an den jeweils geltenden Mindestlohn bei einer Arbeitszeit von durchschnittlich zehn Stunden/Woche geknüpft. Das führt dazu, dass bei zehn Stunden Wochenarbeitszeit die geschuldete Arbeitszeit (und der dafür zu vergütende Mindestlohn) auf Jahresbasis leicht über der Geringfügigkeitsgrenze liegt. Das wirft Fragen der rechtssicheren Umsetzung auf. LGP erläutert, wie Betriebe Geringfügigkeitsgrenze und Mindestlohn im Jahr 2024 unter einen Hut bringen. |
Das sind die arbeitsrechtlichen Grundlagen
Bei der Vereinbarung einer Wochenarbeitszeit von zehn Stunden/Woche ergibt sich, dass der Arbeitnehmer von Woche zu Woche Arbeitszeit im Umfang von zehn Stunden/Woche schuldet; nach den Bestimmungen des Mindestlohnrechts ist diese Stundenanzahl auch vom Arbeitgeber zu vergüten.
Lässt man einen derartigen Vertrag über das ganze Kalenderjahr „durchlaufen“, dann errechnet sich für ein Kalenderjahr (je nach Anzahl der Kalendertage bzw. vertraglich vereinbarten Arbeitstage) bei angenommen
- 261 Arbeitstagen (Montag bis Freitag) eine Arbeitszeit von 522 Stunden/Jahr (365 Tage : 7 x 5 = 261 Tage; 261 Tage : 5 Tage/Woche = 52,2 Wochen; 52,2 Wochen x 10 Stunden = 522 Stunden/Jahr) bzw.
- bei 262 Arbeitstagen (Schaltjahr wie z. B. 2024) von 524 Stunden (366 Tage : 7 x 5 = 262 Tage; 262 Tage : 5 Tage/Woche = 52,4 Wochen; 52,4 Wochen x 10 Stunden = 524 Stunden/Jahr).
Sozialversicherungsrechtliche Problematik steckt dahinter
Die Geringfügigkeitsgrenze bezieht sich auf eine Obergrenze der Arbeitszeit von maximal 520 Stunden/Jahr, multipliziert mit dem ab 01.01.2024 geltenden Mindestlohn von 12,41 Euro/Stunde, im Ergebnis also 6.456 Euro/Jahr.
Der Arbeitnehmer kann aufgrund der Bestimmungen des Mindestlohnrechts für alle arbeitsvertraglich vereinbarten Arbeitsstunden Mindestlohn verlangen; eine Unterschreitung würde einen Verstoß gegen das Mindestlohngesetz darstellen. Somit würde die mindestlohnkonforme Auszahlung der vereinbarten Arbeitszeit zur Überschreitung der Geringfügigkeitsgrenze führen:
Beispiel: Überschreitung der Geringfügigkeitsgrenze | |
Mehr als 6.456 Euro/Jahr werden fällig | 6.478,02 Euro/Jahr Lohnanspruch |
262 Arbeitstage x 2 Stunden/Tag x 12,41 Euro | 6.502,84 Euro/Jahr Lohnanspruch (Schaltjahr wie z. B. 2024) |
Auch mindestlohnrechtliche Problematik steckt dahinter
Werden dem Arbeitnehmer (etwa im Rahmen eines verstetigten Entgelts von 12 x 538 Euro/Monat) nur 6.456 Euro (Geringfügigkeitsgrenze) ausgezahlt, wird der Stundenlohn von 12,41 Euro/Stunde knapp verfehlt, was einen Verstoß gegen das Mindestlohngesetz darstellen würde.
6.456 Euro/Jahr : (261 Arbeitstage x 2 Stunden/Tag) | 12,37 Euro/Stunde |
6.456 Euro/Jahr : (262 Arbeitstage x 2 Stunden/Tag) | 12,32 Euro/Stunde |
So gehen Arbeitgeber in der Praxis am geschicktesten vor
Die obige Problematik lässt sich dadurch „bereinigen“, dass im Arbeitsvertrag eindeutig auf die Geringfügigkeitsgrenze Bezug genommen wird. Da die vereinbarte Arbeitszeit aufgrund der Bestimmungen des Nachweisgesetzes im Arbeitsvertrag festgelegt sein muss, muss erkennbar werden, dass insoweit nicht die Bestimmungen des allgemeinen Arbeitsrechts die geschuldete Arbeitszeit definieren, sondern die des Sozialversicherungsrechts.
Formulierungsvorschlag / „Geringfügigkeitsmaß“ bei Arbeitszeit |
... auf das zulässige „Geringfügigkeitsmaß“ begrenzt |
Mit obiger Formulierung wird die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit sozusagen auf das Maß „zurechtgestutzt“, das sozialversicherungsrechtlich unbedenklich möglich ist. In der pragmatischen Umsetzung einer solchen Regelung muss der Arbeitgeber dann allerdings darauf achten, dass der Arbeitnehmer auch tatsächlich entsprechend weniger Arbeitszeit leistet. Der Arbeitgeber hat insoweit ein Weisungsrecht (§ 106 GewO); die Art der Reduzierung der Arbeitszeit muss nicht vertraglich vereinbart werden.
Die Reduzierung der vereinbarten Arbeitszeit auf das zulässige „Geringfügigkeitsmaß“ könnte etwa dadurch erfolgen, dass bei einer (rein rechnerischen) gleichmäßigen Verteilung der Arbeitszeit von zehn Stunden/Woche auf die Wochentage Montag bis Freitag (= zwei Stunden/Tag als Basis eines für den Arbeitnehmer geführten Arbeitszeitkontos) jährlich ein Arbeitstag aus der Soll-Arbeitszeit „herausgenommen“ wird. So könnte z. B. jeweils der erste oder letzte Arbeitstag eines Kalenderjahrs mit „null“ Soll-Arbeitszeit ausgewiesen werden. Für den Rest des Jahres würden dann ganz normal für jeden Wochentag Montag bis Freitag rechnerisch zwei Stunden/Tag hinterlegt.
Wird die Arbeitszeit rechnerisch auf weniger als fünf Arbeitstage verteilt, so müsste die Arbeitszeit an einem Arbeitstag (z. B. wiederum der erste oder letzte planmäßige Arbeitstag des Kalenderjahrs) entsprechend gekürzt werden.
Wichtig | In Schaltjahren – also auch 2024 – kann eine höhere Kürzung nötig sein als in normalen Jahren mit 365 Kalendertagen – ggf. Kürzung um zwei Tage statt einen Tag, je nach Anzahl der zu kalkulierenden Arbeitstage.
- Arbeitsvertrag für geringfügig Beschäftigte bis 538 Euro → Abruf-Nr. 49740821
AUSGABE: LGP 1/2024, S. 27 · ID: 49809960