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HonorarpolitikVier Irrtümer und eine Wahrheit über den richtigen Preis
| Honorarpolitik ist gerade gefühlt nicht Ihre Baustelle? Im Moment schlucken Ihre Mandanten jeden Preis? Und trotzdem ist meine Empfehlung, sich genau jetzt mit der eigenen Honorarpolitik zu befassen! Zum einen, weil es durch Automatisierung und KI massive Auswirkungen auf unsere Dienstleistungen und damit auf unser Honorar geben wird. Zum anderen, weil es gerade in unserem Beruf um langfristige Kundenbeziehungen geht und unser Ziel die langfristige Zufriedenheit unserer Mandanten sein sollte. Insbesondere sollten Sie sich von den vier Hauptirrtümern in der Honorarpolitik befreien! |
Die vier Irrtümer der Honorarpolitik
Beim Blick auf den Preis vergessen wir gerne, dass es eigentlich um die Leistung geht, die hinter dem Preis steht. Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist die Grundlage für die Honorarakzeptanz durch den Mandanten. Doch diese vier Irrtümer sorgen dafür, dass häufig nur verschämt über den Preis und schon gar nicht über die Leistungen (Mandanten-Nutzen) gesprochen wird.
Irrtum Nr. 1: Unsere Leistungen sind ein lästiges „Muss“
Das ist in den meisten Fällen ein klarer Fall von Projektion. Es gibt wenig Berufe, die sich ihrer selbst so unsicher sind wie wir. Niemand weiß so recht, woher das kommt – einen harten, sachlichen Grund gibt es schlicht nicht. Am unangenehmen Thema Steuern kann es nicht liegen – der Bestatter, der Arzt oder der Anwalt sind ja durchaus wertgeschätzt. Eine Erklärung kann in der Besonderheit liegen, dass wir in sehr viel höherem Maße von Dauerkunden abhängig sind als manch andere Branche. Die Angst ist offenbar immer noch groß, dass der Mandant geht, wenn es ihm zu teuer wird. Doch hören wir auf, uns ständig selbst kleinzumachen.
Irrtum Nr. 2: Der Mandant will nur billig
Mandanten wollen möglichst wenig bezahlen. Grundsätzlich ist das ja auch nicht strafbar. Jeder Mensch versucht, mit seinen Ressourcen hauszuhalten. Ein Unternehmer wäre ein schlechter, wenn er nicht auf seine Kosten achten würde. Und wieder die Fokussierung auf den Preis. Wir alle wissen, dass wir nie die beste Qualität zum billigsten Preis bekommen können. Und ja, es gibt diese Ausnahmemenschen, die das immer wieder versuchen. Die wollen Sie aber um keinen Preis der Welt als Mandanten haben. Konzentrieren wir uns also auf die „normalen“ Menschen.
Praxistipp | Auf Versuche der „Preisdrücker“ gibt es nur eine Antwort: „Sie können eine qualitativ höherwertige Dienstleistung bei uns zu einem höheren Preis bekommen. Oder Sie können eine qualitativ niedrigere Qualität zu einem niedrigeren Preis bekommen. Die Entscheidung liegt bei Ihnen.“ Die subtile Botschaft: Einen Preis-Limbo gibt es mit uns nicht! |
Irrtum Nr. 3: Der Mandant hätte am liebsten all-inclusive
Rechnungswesen und Steuern lassen sich kaum mandantengerecht einfach und kurz erklären. Aber das ist auch gar nicht notwendig. Denn es geht ja um das Ergebnis für den Mandanten – nicht um den Prozess. Und hier entscheidet der Mandant, welches Ergebnis er „kaufen“ möchte. Ihre Aufgabe ist es, ihm eine passende Auswahl anzubieten und ihm klar zu zeigen, wie der Zusammenhang zwischen Ergebnis und Preis aussieht. Eigentlich müsste es also nicht Preis-Leistungs-Verhältnis heißen, sondern Preis-Ergebnis-Verhältnis.
Irrtum Nr. 4: Wir dürfen doch nur Mittelgebühr
Auf den ersten Blick ist die Möglichkeit verlockend, sich einfach auf die StBVV zurückzuziehen und damit alle Honorardiskussionen zu vermeiden. Nach meiner Erfahrung hat das allerdings noch nie funktioniert. Das liegt auch daran, dass die StBVV für Normalsterbliche nicht nachvollziehbar ist (für die meisten Berufsangehörigen und sehr viele Mitarbeiter übrigens auch nicht). Je vielfältiger unsere Dienstleistungen und insbesondere auch die verschiedenen Stufen der Arbeitsteilung mit dem Mandanten werden, desto weniger hilft die starre und oft nicht aktuell angepasste StBVV. Die Mittelgebühr-Rechtsprechung konterkariert den Steuerberater als Unternehmer. Denn so wird der Deckungsbeitrag zum Zufall. Verstehen Sie mich nicht falsch: Wo die StBVV passt, ist sie als Grundlage und „Richtsatzsammlung“ durchaus wertvoll. Die individuelle Anpassung an Sie und Ihre Mandanten ist allerdings aus meiner Sicht ein Schlüsselfaktor für Ihren Gewinn.
In fünf Schritten zu Klarheit und Transparenz beim Honorar
Die Irrtümer zu erkennen ist das eine, wie aber eine Honorarpolitik aussieht, die diese Irrtümer vermeidet, ist das andere und das wird am besten mit den Begriffen Klarheit und Transparenz beschrieben.
Klarheit und Transparenz |
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Diese Klarheit und Transparenz herzustellen ist grundsätzlich einfach, jedoch im Detail durchaus herausfordernd. Denn für jede einzelne Dienstleistung gilt es nun, diese vier Punkte abzuarbeiten. Das Ergebnis: Ein Dienstleistungskatalog, der sowohl intern als auch extern Verwendung findet (KP-Sonderausgabe 2024: Dienstleistungskataloge in der Steuerkanzlei). Hier ist eine Kurzanleitung, wie Sie sich dem „perfekten“ Honorarsystem schrittweise annähern.
Schritt Nr. 1: Planen Sie Projekte realistisch!
Genau wie beim Preis-Leistungs-Verhältnis geht es auch bei der Projektplanung darum, sich zu Beginn zu überlegen, welches Ergebnis Sie erreichen wollen. Daraus ergeben sich Budgets für Zeit und sonstigen Aufwand. So weit die Theorie.
Praxistipp | Drehen Sie den Spieß um. Fragen Sie sich zuerst, welche Zeit Sie aufwenden können. Eine Stunde pro Woche? Ein geblockter Tag für den Start? Reicht. Ganz ehrlich. Niemand hetzt Sie. Die Honorarsituation ist bei Ihnen wahrscheinlich gerade nicht dramatisch. Wenn doch (mehr als zwei Jahre keine Anpassung der Dauerhonorare, Gewinnquote unter 20 %), sollten Sie sich wirklich Zeit nehmen. Das Geld, das Sie mit der Honoraranpassung auf Dauer pro Stunde, die Sie aufgewendet haben, verdienen, können Sie mit „normaler“ Arbeit kaum toppen. |
Schritt Nr. 2: Definieren Sie das Basismodul!
In diesem Schritt geht es um die Beantwortung der Frage: Welche Leistungen brauchen alle Mandanten? Strukturieren Sie zunächst grob. Sie bieten in der Regel drei Dienstleistungsbereiche an:
- Deklaratorik (Fibu, Lohn, Abschluss, Steuererklärungen)
- Alltagsberatung (Standardfälle wie Immobilienkauf oder Rechtsformwahl)
- Strategische Beratung – (Unternehmensnachfolge, Vermögensaufbau etc.)
Die Deklaratorik ist der einfachste Teil – also ein guter Startpunkt. Außerdem gibt es hier bereits eine gewisse Struktur in fast jeder Kanzlei.
Praxistipp | Schreiben Sie für Fibu und Co. in Form einer Mindmap oder einer Tabelle im ersten Schritt gemeinsam mit den zuständigen Mitarbeitenden auf, was für Einzelschritte/Teilleistungen in dieser Dienstleistung auf jeden Fall für alle Mandanten heute anfallen. Das ist Ihr Standard, von dem Sie ausgehen. Ich nenne das gerne „Darunter tun wir es nicht.“ Ihr eigener Qualitätsanspruch muss hier erfüllt werden. Versuchen Sie in dieser Phase noch nicht, die Dienstleistung zu „optimieren“. Auch Preise spielen hier noch keine Rolle. Alltagsberatung und strategische Beratung folgen – wenn für den „großen Wurf“ im Moment keine Zeit ist, können Sie das auch im Wege des Learning-by-Doing erledigen. Wenn eine Beratung ansteht, kümmern Sie sich um die Honorarfrage, dann aber gleich grundsätzlich. |
Schritt Nr. 3: Definieren Sie spezifische Module!
In meinen Honorarcoachings ist dieses Thema der absolute Dauerbrenner. Hier geht es um alle Dienstleistungsbestandteile, die nicht jeder Mandant in Anspruch nimmt. Sie werden feststellen, dass Sie auf zwei Kategorien von Leistungen treffen. Bestimmte Mandanten unterliegen aufgrund ihrer Geschäftstätigkeit besonderen Regulatorien oder Verpflichtungen (z. B. Baulohn), die nicht über die Leistungen des Basismoduls abgedeckt werden. Andere Mandanten wünschen explizit oder eignen sich für Zusatzberatungen (z. B. Unternehmensplanung). Diese zusätzlichen Bedarfe decken Sie mit spezifischen Modulen ab.
Schritt Nr. 4: Den Nutzen für den Mandanten hervorheben
Module bieten den Vorteil, dass Sie nicht jede „Unterleistung“ einzeln mit einem ausformulierten Nutzen versehen müssen. Ein Modulnutzen reicht meist aus. Für die Module, die Sie forcieren wollen, denken Sie sich natürlich einen besonderen Nutzen aus. Warum zum Beispiel soll Ihr Mandant ein Herbstgespräch buchen oder sich um sein Testament kümmern? Die wichtigsten Grundnutzen Ihrer Dienstleistung sind:
- Sicherheit: Für Entscheidungen und bei gesetzlichen Pflichten und Fristen
- Zeitersparnis: Die Delegation der Aufgaben lässt Zeit für die wichtigen Dinge im Unternehmen
- Nervenersparnis: Keine persönliche Auseinandersetzung mit Behörden und deren Vertretern
Schritt Nr. 5: Schriftliche Spielregeln vereinbaren
Aus meiner Sicht sind verbindlich vereinbarte Spielregeln der ganz entscheidende Schritt in Richtung Klarheit und Transparenz, der gerne vernachlässigt wird. Denn, ob im Endeffekt der Gewinn aus der Dienstleistung wie gewünscht ausfällt, hängt zu einem großen Teil davon ab, wie gut Ihr Mandant im Prozess mit Ihnen zusammenarbeitet. Allerdings hat er auch ein Anrecht zu erfahren, wie genau seine Mitwirkung aussehen soll.
Praxistipp | Sie und Ihre Mitarbeitenden sind die Experten für den Prozess zum gewünschten Ergebnis der Dienstleistung. Also geben Sie diesen Prozess auch vor. Es geht um Themen wie Anlieferung der Unterlagen/Informationen (Zeitpunkt, Qualität), um die Reaktionszeit bei Rückfragen, um die Zahlungsmodalitäten, … |
Zu den Spielregeln gehören auch die Konsequenzen. Was passiert, wenn die Spielregeln nicht eingehalten werden? Jammern und Wehklagen hat ja schon in der Bibel nichts genützt. Es geht auch nicht darum den Mandanten zu „erziehen“, er ist schon erwachsen. Es geht darum, ihr oder ihm leidenschaftslos klarzumachen, welche Folgen die Entscheidungen haben.
Beispiel |
Ein Mandant reicht einen Beleg nicht ein? Unsere Haltung: Er ist erwachsen und hat nach reiflicher Überlegung entschieden, den Beleg nicht einzureichen. Wahrscheinlich hatte er gerade Wichtigeres zu tun. Das akzeptieren wir natürlich. Die Folge: Wir können den Beleg nicht verbuchen. Also ab aufs Privatkonto ohne Vorsteuer. Wir sind nicht „sauer“, wir setzen nur die Entscheidungen des Mandanten um. Der Mandant hat gar keine Belege eingereicht? Dann gibt es eben keine FiBu, keinen Abschluss und keine Erklärungen. |
Die Wahrheit – Die Kalkulation ist der einfachste Teil
Der letzte Schritt beim Aufbau Ihres Honorarsystems sind die „Preisschilder“. Aber bedenken Sie: Preise sind nicht für die Ewigkeit. Sie können sie jederzeit wieder ändern. Mandanten haben viel weniger auf dem Schirm, was eine Dienstleistung einmal gekostet hat, als Sie denken.
Abrechnungsart festlegen
Doch bevor Sie die Preisschilder schreiben, müssen Sie entscheiden, wie Sie abrechnen wollen.
Abrechnungsarten im Überblick |
Vorschuss oder nicht? Mandanten lieben finale Rechnungen – Steuerberater Risikominimierung. In der Praxis sind die Vorschüsse mit genauer Abrechnung eher auf dem Rückzug wohl wegen des Handling-Aufwands in der Kanzlei. |
Ausgangspunkt ist Ihre bisherige Abrechnungspraxis. Wie rechnen Sie bisher ab? Und wo sehen Sie ganz dringenden Änderungsbedarf? Meist geht es eher darum, dass bei den „Sonderleistungen“, also den späteren Individual- bzw. Wunschleistungen, etwas bisher gar nicht abgerechnet wurde. Für eine Bepreisung, die zu den Modulen passt, lautet meine Empfehlung:
Praxistipp | Verzichten Sie ab sofort auf den Ausweis der Zehntel auf Ihrer Honorarrechnung! Ihr Mandant kann damit nichts anfangen – es ist aber die einzige Position auf der Rechnung, die schnell vergleichbar ist. Ich nenne das gern die „Beton-Zehntel“. Insbesondere beim Jahresabschluss schränkt Sie der Ausweis in Ihrer Flexibilität ein. |
- Für das Basispaket nehmen Sie den Preis, den Sie bisher auch berechnet haben. Sie erinnern sich – das Grundpaket gibt es ja bei Ihnen unausgesprochen schon. Der Gegenstandswert bleibt der Umsatz – die „Zehntel“ vereinheitlichen Sie nach oben.
- Für die Individual-Module kommen Festbeträge infrage (wahlweise auch als Zehntel oder Zwanzigstel aus der StBVV).
- Für die Wunschmodule nehmen Sie einen Zuschlag zum Basispaket. Für eine laufende Kostenrechnung bietet sich nach der Erfahrung ein Zuschlag von 10 bis 20 % an.
Preishöhe festlegen – die Honorarformel
Sie legen den Preis fest. Der Mandant akzeptiert oder eben nicht. Natürlich gibt es Obergrenzen, ab der Mandanten „aussteigen“. Aber glauben Sie mir: 80 % der Steuerberater kratzen noch nicht mal an diesen Grenzen.
Mit folgender Formel können Sie jedes Honorar intern kalkulieren:
Beispiel | |
Zielhonorar | = Ihr Stundensatz |
× (Stunden [Worst Case] + Sicherheitszuschlag) | |
× Risikozuschlag (Faktor) | |
|
Bauen Sie auf Ihre Erfahrungswerte. In mindestens 80 % der Fälle brauchen Sie für Fibu, Bilanz etc. bei vergleichbaren Mandanten auch vergleichbar viel Zeit. Den Unterschied macht eher die Qualität der Zusammenarbeit aus als unterschiedliche Sachverhalte.
Praxistipp | Insbesondere der Übergang bei bestehenden Mandanten zu einem neuen/anders gestalteten/höheren Honorar kann eine besondere Herausforderung sein. Daher ist es meist einfacher, zunächst für „neue“ Mandanten zu denken. |
Zum Abschluss
Indem Sie sich nicht von den vier Irrtümern narren lassen, sondern Klarheit und Transparenz in der Honorarpolitik anstreben, erreichen Sie sowohl qualitativ als auch quantitativ ein neues Honorarniveau.
Die neue Struktur Ihres Dienstleistungsangebots | ||
Im Hinblick auf die Klarheit und Transparenz für die Mandanten und zur Erleichterung des Angebotsgesprächs haben sich folgende Kategorien bewährt: | ||
Basismodul | Individual-Module | Wunschmodule |
Alle gesetzlich vorgeschriebenen Komponenten und alle Komponenten, die Sie in Ihrer Kanzlei als unabdingbar festlegen. Das Motto: Darunter tun wir es nicht. | Alle Komponenten, die sich aufgrund der individuellen Sachlage beim Mandanten gesetzlich ergeben. Sie resultieren nicht daraus, dass Sie dem Mandanten irgendetwas verkaufen wollen, sondern aus seinen Entscheidungen (Bargeldberührung, Auslandssachverhalte, Statistiken, Bausachverhalte, Reporting etc.). | Alle Module, die der Mandant aktiv wünscht (Kostenrechnung, Soll-Ist-Vergleich, kürzerer Buchungsrhythmus etc.) |
Für das Basispaket nehmen Sie den Preis, den Sie bisher auch berechnet haben. | Festbeträge, wahlweise auch als Zehntel oder Zwanzigstel aus der StBVV | Zuschlag zum Basispaket |
Auf dieser Grundlage realisieren Sie spielend die vier G der Honorarpolitik:
- Glasklar: Mandanten können und wollen sich keine finanzielle Ungewissheit leisten. Ein gut gestaltetes Honorar bedient dieses Sicherheitsbedürfnis. Daher kennt der Mandant das Honorar auch, bevor Sie mit Ihrer Dienstleistung beginnen.
- Ganz transparent: Ihre Preisgestaltung ist durch den Mandanten nachvollziehbar. Mandanten schätzen es, wenn sie verstehen, wovon ihre Kosten abhängen.
- Gerecht und fair: Jeder zahlt dasselbe für dieselbe Dienstleistung. Abzocke gibt es nicht – auf beiden Seiten!
- Gewinnbringend: Sie und Ihre Mitarbeitenden wollen von der Kanzlei leben. Das Honorar ist so bemessen, dass es den Mitarbeitern möglich ist, den angestrebten Deckungsbeitrag zu erreichen.
AUSGABE: KP 11/2024, S. 195 · ID: 49984317