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Haftung„Kontoleihe“: Vorsicht Falle bei der Duldung von Zahlungseingängen für eine andere Person
| In der Praxis ist immer wieder der Fall zu beobachten, dass jemand Zahlungseingänge für einen Freund oder für den Ehegatten auf dem eigenen Bankkonto vereinnahmt. Zuweilen geschieht dies im guten Glauben, etwa weil der Freund vorgaukelt, er hätte gerade „technische Probleme“ mit seinem eigenen Bankkonto und es wäre daher nett, wenn ein Auftraggeber das ausstehende Honorar auf das Konto des Freundes überweisen könne. Oder der getrennt lebende Ehemann gibt an, er hätte seinen Arbeitgeber gebeten, seinen Lohn auf das Konto der Ex-Partnerin zu überweisen, damit seine Unterhaltsverpflichtung ohne Umwege erfüllt werden könne. Doch Vorsicht: Wer Zahlungseingänge dieser Art duldet, sollte sich mit der „Kontoleihe“ und ihren Auswirkungen beschäftigen. |
Inhaltsverzeichnis
1. Sachverhalte und Entscheidungen
. 240436
In der oben geschilderten Situation kann – und wird – es geschehen, dass der „gutgläubigen“ Mandantin eines Tages ein Duldungsbescheid des Finanzamts zugestellt wird, mit dem sie aufgefordert wird, die Steuerschulden des Freundes oder des (Ex-)Partners zu begleichen. Dass ein solcher Duldungsbescheid oftmals rechtens ist, hat der BFH in jüngster Zeit wiederholt entschieden (BFH 23.8.22, VII R 21/21, Abruf-Nr. 233663; BFH 21.11.23, VII R 11/20, Abruf-Nr. 240436).
1.1 Fall 1
Die Ehefrau räumt ihrem Ehemann eine Vollmacht für ihr Konto ein. Der Ehegatte betreibt einen Hausmeisterservice und lässt Einnahmen für Winterdienst- und Gartenarbeiten dem Konto seiner Ehefrau gutschreiben. Nachdem das Finanzamt davon erfährt, stellt es der Ehefrau einen Duldungsbescheid zu, mit dem sie aufgefordert wird, Steuerschulden ihres Ehemanns von über 40.000 EUR zu begleichen. In einem solchen Fall ist der Duldungsbescheid nach Auffassung des BFH im Grundsatz rechtens. Die Begründung findet sich im Anfechtungsgesetz in Verbindung mit § 166 BGB. Bei einer wissentlichen Benachteiligung von Gläubigern mittels der „Kontoleihe“ muss der Kontoinhaber für den Schuldner einstehen.
Als „wissentliche Benachteiligung“ kann es schon ausreichen, wenn dem Ehemann eine Kontovollmacht erteilt wurde und im Anschluss eine weitere Prüfung des Kontogeschehens unterblieben ist. Die Ehefrau hätte kontrollieren müssen, was auf ihrem Konto geschieht, um eine Wissenszurechnung nach § 166 BGB zu umgehen. Mit einer solchen Kontrolle wäre ihr nichts Unzumutbares abverlangt worden – so der BFH im o. g. Urteil vom 23.8.22. Verschließt sie die Augen davor, dass der Schuldner ihr Konto seinen Kunden gegenüber angegeben und damit veranlasst hat, dass ihm zustehende Zahlungen auf dieses Konto eingegangen sind, kann sie anschließend per Duldungsbescheid in Anspruch genommen werden.
1.2 Fall 2
Der Ehemann ist im Angestelltenverhältnis tätig. Er hat jedoch noch Umsatzsteuerschulden beim Finanzamt aus einer gewerblichen Tätigkeit. Der Ehemann ist überschuldet, sodass das Finanzamt nicht bei ihm pfänden kann bzw. Pfändungsversuche fruchtlos bleiben. Er bittet seinen Arbeitgeber, das Nettogehalt unmittelbar auf das Konto seiner ehemaligen Frau zu überweisen, damit er seiner Unterhaltsverpflichtung „ohne Umwege“ nachkommen kann. Sowohl der Chef als auch die Ex-Partnerin sind damit einverstanden.
Als das Finanzamt von der Zahlung des Gehalts auf das Konto der Ehefrau erfährt, erlässt es gegenüber dieser einen Duldungsbescheid und pfändet die Guthaben auf deren Konto, soweit sie die Überweisungen ihres Ehemanns bzw. dessen Steuerschulden betreffen (§ 191 Abs. 1 AO i. V. m. § 3 Abs. 1 AnfG). Das Finanzamt führt im Wesentlichen aus, dass die Überweisungen des Ehemannes vorsätzlich mit dem Ziel der unmittelbaren Benachteiligung der Gläubiger vorgenommen worden seien. Die Ehefrau sei daher als Kontoinhaberin nach § 11 Abs. 1 AnfG verpflichtet, die Vollstreckung so zu dulden, als gehörten die gutgeschriebenen Beträge noch zum Vermögen des Ehemannes. Die Tatsache, dass das Gehalt beim Ehemann ohnehin nicht pfändbar gewesen wäre, weil keine pfändbaren Einkommensanteile vorgelegen hätten, sei egal.
Die Richter des BFH geben dem Finanzamt auch in einem Fall wie dem hier genannten Recht (BFH 21.11.23, VII R 11/20). Die Begründung: Der Ehemann hat seine Gläubiger benachteiligt. Eine solche objektive Gläubigerbenachteiligung stellt auch die von ihm – über den Arbeitgeber – veranlasste Einzahlung auf das Konto der Ehefrau dar.
Theoretischer Pfändungsschutz für das Arbeitseinkommen hier ohne Belang |
Zwar hatte der Ehemann die Möglichkeit, ein Pfändungsschutzkonto i. S. d. § 850k ZPO einzurichten, wodurch die auf dieses Konto überwiesenen Beträge vor dem Zugriff der Gläubiger grundsätzlich geschützt gewesen wären. Aber dies stellt lediglich einen hypothetischen Geschehensablauf dar. Der Gesetzgeber hat mit der Einführung des Pfändungsschutzkontos klargestellt, dass Pfändungsschutz nur noch auf eigenen Konten des Schuldners gewährt werden kann und ein Pfändungsschutz für Gutschriften auf Konten Dritter nicht gegeben ist.
Auch die Behauptung, der Ehemann habe kein anderweitiges Einkommen oder Vermögen, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, führt zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung. Denn auch insoweit greift die Überlegung ein, dass sich der Ehemann seines Schutzes selbst entzogen hat.
Im vorliegenden Fall war dem Ehemann bewusst, dass er Steuerschulden hatte, die er nicht begleichen konnte, und sein Lohn auf sein Geheiß hin jeden Monat auf ein fremdes Konto überwiesen wurde. Er nutzte das Konto der Ehefrau, weil er über andere Konten nicht verfügte. Damit hat er zumindest billigend in Kauf genommen, dass die auf das Konto eingezahlten Beträge dem Zugriff des Finanzamts entzogen wurden. Des Weiteren hatte die Ehefrau Kenntnis i. S. d. § 3 Abs. 1 S. 1 AnfG von der Gläubigerbenachteiligungsabsicht des Ehemannes. Sie hat ihrem Ehemann damit ihr Konto „geliehen“.
2. Relevanz für die Praxis
Ein Konto sollte niemals einem Angehörigen oder einem Freund für dessen Zahlungseingänge überlassen werden. Auf den ersten Blick mag das ohne Risiko erscheinen, doch die Finanzämter sind wachsam. Und auch die Zivilgerichte werten den Gläubigerschutz regelmäßig höher als das vermeintliche Interesse des Kontoinhabers (siehe z. B. BGH 10.9.15, IX ZR 215/13).
Dabei ist durchaus eine Verschärfung der Vorgehensweise der Finanzbehörden, aber auch der Rechtsprechung zu erkennen. So kam der BFH zwar bereits mit Urteil vom 30.6.20 (VII R 63/18, BStBl II 21, 191) zu dem Ergebnis, dass die Aufforderung an einen Drittschuldner (z. B. Kunde), mit schuldbefreiender Wirkung auf ein Bankkonto eines anderen zu leisten, eine anfechtbare Rechtshandlung i. S. der §§ 1 ff. des Anfechtungsgesetzes sein kann. Der Erlass eines Duldungsbescheides gegenüber dem Kontoinhaber, mit dem dieser aufgefordert wird, die Steuerschulden des Freundes, Bruders oder Ehegatten zu begleichen, sei dann geboten.
Allerdings ließen sich dem damaligen Urteil noch einige Ansätze entnehmen, um sich gegen einen Duldungsbescheid erfolgreich zur Wehr setzen zu können. So hatte der BFH seinerzeit die bloße Erteilung einer Kontovollmacht wohl noch nicht als allein ausreichend betrachtet, um einen Duldungsbescheid zu rechtfertigen. Den aktuellen Urteilen zufolge scheint der BFH aber jetzt eine strengere Marschrichtung zu verfolgen.
Immerhin hat das FG Münster mit Urteil vom 20.3.19 (7 K 2071/18 AO) entschieden, dass ein Minderjähriger im Rahmen einer Duldungsverpflichtung nicht verpflichtet ist, Wertersatz für Steuerrückstände eines Elternteils zu leisten. Eine Zurechnung der Gläubigerbenachteiligungsabsicht von Vater oder Mutter kommt nicht in Betracht.
Praxistipp | Im Fall 2 hätte der Ehemann übrigens gut daran getan, ein Pfändungsschutzkonto (P-Konto) einzurichten. Auf diesem genießt ein Schuldner für sein Guthaben einen automatischen Basispfändungsschutz in Höhe seines Pfändungsfreibetrages gemäß § 850c ZPO. Jeder Kunde kann von seiner Bank oder Sparkasse verlangen, dass sein Girokonto als P-Konto geführt wird. Im Urteilsfall hingegen konnte das Finanzamt als Gläubiger auf das Konto der Ehefrau komplett zugreifen und auch die Beträge unterhalb der Pfändungsfreigrenze einziehen. |
AUSGABE: GStB 8/2024, S. 279 · ID: 50074376