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GesetzesreformWachstumschancengesetz: Die „echten“ Neuerungen für die Gestaltungsberatung – Teil 1
| Nach langem Hin und Her hat das Wachstumschancengesetz (WChG) nun bekanntlich doch am 27.3.24 das Licht der Welt erblickt (BGBl I 24, Nr. 108). Ein Innovations- und Wachstumsmotor sollte es werden. Nach den vielen Querelen im Gesetzgebungsverfahren ist ein Sammelsurium an gesetzlichen Änderungen übrig geblieben, die in weiten Teilen der Tagespresse nicht als „großer Wurf“gewertet werden. Doch unterschätzen sollte man die Reform nicht, für die proaktive Beratung gibt das Werk schon einiges her. Aber wo genau spielt die Musik? Wo stecken die „echten“ Neuerungen, die es bei der Gestaltungsberatung zu beachten gilt? Im Teil 1 geben wir Ihnen detaillierte Hinweise zu ausgewählten Änderungen wie Sonderabschreibung, degressiver AfA bei Wohngebäuden oder der Erweiterungen beim Mietwohnungsneubau nach § 7b EStG an die Hand, die nahezu jeden Ihrer Mandanten betreffen. Im zweiten Teil geht es dann um wichtige Neuerungen im betrieblichen Bereich, die man für die optimale Beratung Ihrer Mandanten unbedingt im Blick haben sollte. |
1. Sonderabschreibung § 7g EStG wird ausgeweitet
Für abnutzbare bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens können Betriebe, die die Gewinngrenze von 200.000 EUR im Jahr, das der Investition vorangeht, nicht überschreiten, im Jahr der Anschaffung/Herstellung und in den folgenden vier Jahren eine Sonderabschreibung nach § 7g Abs. 5 EStG in Anspruch nehmen. Die Sonderabschreibung kann dabei beliebig auf den Fünf-Jahres-Zeitraum verteilt werden.
Merke | Bei Personengesellschaften kommt die Sonderabschreibung des § 7g Abs. 5 EStG für Wirtschaftsgüter des Gesamthands- und des Sonderbetriebsvermögens in Betracht. |
1.1 Neu: Anhebung der Sonderabschreibung
Nach der Altfassung waren diese Sonderabschreibungen bis zu insgesamt 20 % der AK/HK zulässig. Nach der Neufassung wurde diese Grenze nun auf 40 % der Investitionskosten angehoben.
Beachten Sie | Die Inanspruchnahme von Sonderabschreibungen nach § 7g Abs. 5 EStG setzt nicht voraus, dass für das insoweit begünstigte Wirtschaftsgut zuvor ein Investitionsabzugsbetrag gem. § 7g Abs. 1 EStG geltend gemacht wurde. Beide steuerlichen Förderinstrumente gelten unabhängig voneinander.
Die Sonderabschreibung von bis zu 40 % der Anschaffungs- oder Herstellungskosten ist erstmals für solche Wirtschaftsgüter anzuwenden, die nach dem 31.12.23 angeschafft oder hergestellt werden. Allerdings ist hinsichtlich der (unveränderten) Gewinngrenze des § 7g Abs. 1 EStG weiterhin auf das Vorjahr der Investition abzustellen.
1.2 BFH muss Gewinngrenzenbegriff klären!
Fraglich ist deshalb, nach welchen Grundsätzen nun die Gewinngrenze i. H. v. 200.000 EUR zu ermitteln ist:
- Nach Auffassung des FG Baden-Württemberg (2.5.23, 10 K 1873/22) ist unter „Gewinn“ i. S. v. § 7g Abs. 1 EStG der Steuerbilanzgewinn und nicht der steuerliche Gewinn i. S. v. § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG zu verstehen. Nach dieser Auffassung findet daher keine Korrektur um außerbilanzielle Positionen wie nicht abziehbare Betriebsausgaben (z. B. GewSt-Rückstellung gem. § 4 Abs. 5b EStG) oder einkommensteuerfreie Einnahmen (z. B. Teileinkünfteverfahren gem. § 3 Nr. 40 EStG) statt.Vor Gericht und auf hoher See ...
- Nach Auffassung des FG Niedersachsen (9.5.23, 2 K 202/22) ist dagegen der Betrag (ohne Berücksichtigung von Abzügen und Hinzurechnungen gemäß § 7g Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 EStG) maßgeblich, welcher auch der Besteuerung zugrunde zu legen ist. Nach dieser Auffassung wären also außerbilanzielle Korrekturen der Steuerbilanz sowie Hinzu- und Abrechnungen bei der EÜR zu berücksichtigen (so auch BMF 15.6.22, IV C 6 - S 2139-b/21/10001 :001, BStBl I 22, 945 Tz. 13).
Der BFH wird diese Frage in den zu den obigen Entscheidungen anhängigen Revisionsverfahren klären. Da die Verfahren an unterschiedlichen Senaten anhängig sind (III R 38/23; X R 16/23; X R 17/23), ist eine Anrufung des Großen Senats des BFH und eine entsprechend lange Verfahrensdauer nicht auszuschließen. Auf jeden Fall sollten entsprechende Veranlagungen durch einen Einspruch und den Antrag auf Zwangsruhe offengehalten werden.
2. Befristete degressive AfA für Wohngebäude
Revitalisiert wurde die Möglichkeit einer degressiven Abschreibung für (Wohn-)Gebäude. Gegenüber dem ursprünglichen Gesetzentwurf wurde zwar im Vermittlungsausschuss der AfA-Prozentsatz von 6 % auf 5 % abgeschmolzen, dennoch dürfte die Neuregelung in der Beratungspraxis eine herausgehobene Stellung einnehmen. Umso wichtiger ist es hier, auf die Fallstricke der Neuregelung zu achten.
2.1 Geometrisch-Degressiver AfA-Satz
Bei der geometrisch-degressiven AfA des § 7 Abs. 5a EStG n. F. beläuft sich – im Gegensatz zur arithmetisch-degressiven AfA des § 7 Abs. 5 EStG – die Abschreibung nur im ersten Jahr auf 5 % der Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten. Zu Beachten ist zudem, dass im ersten Jahr die AfA zeitanteilig gewährt wird, also nur bei Anschaffung im Januar in voller Höhe erfolgt.
Beachten Sie | Der erhöhte Abschreibungssatz von 5 % gilt wirtschaftlich betrachtet nur im ersten Jahr. Im zweiten Jahr wird auf Basis des Restbuchwerts am Ende des ersten Jahres abgeschrieben, sodass der Satz effektiv nur noch 4,75 % auf Basis des Abschreibungsbetrags beträgt. Im dritten Jahr beträgt der Abschreibungssatz dann nur noch 4,5125 % der ursprünglichen Anschaffungskosten. Hohe degressive Abschreibungen in den Anfangsjahren werden also in den späteren Jahren durch geringere Abschreibungen „bestraft“. Der Steuerpflichtige hat ein Wahlrecht, zur linearen AfA zu wechseln; diese erfolgt dann vom Restwert des Gebäudes ohne Verlängerung der Fiktion des § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 und 2a EStG von 34 Jahren, d. h. die Jahre der Inanspruchnahme der degressiven AfA sind dann von der Restnutzungsdauer abzuziehen und aus dem verbleibenden Zeitraum ein linearer AfA-Satz zu bilden (zum idealen Zeitpunkt des Wechsels zur linearen AfA: s. Hoberg, BBP 24, 6).
2.2 Begünstigte Objekte
Die degressive AfA kann für alle Wohngebäude, die in einem Mitgliedstaat der EU oder des EWR belegen sind, in Anspruch genommen werden, sofern es sich um einen Neubau handelt. Eine Einschränkung auf Gebäude einer bestimmten Energieeffizienzklasse wie im § 7b EStG (siehe hierzu unten) erfolgte in der finalen Gesetzesfassung nicht. Im Weiteren differenziert die Regelung zwischen Fällen der Herstellung und solchen der Anschaffung:
§ 7 Abs. 5a EStG | |
1.10.23 bis 30.9.29 | |
Beginn der Herstellung | Anschaffung |
|
|
- In Herstellungsfällen muss mit dieser nach dem 30.9.23 und vor dem 1.10.29 begonnen werden bzw. worden sein.
- In Anschaffungsfällen ist die Inanspruchnahme der degressiven AfA nur dann möglich, wenn der obligatorische Vertrag nach dem 30.9.23 und vor dem 1.10.29 rechtswirksam abgeschlossen wird bzw. wurde.
2.3 Herstellung des Wohngebäudes
Als Beginn der Herstellung bei Gebäuden gilt das Datum in der nach den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften einzureichenden Baubeginnsanzeige. Auf den Zeitpunkt der Stellung des Bauantrags wie in den Fällen der „alten“ degressiven Gebäude-AfA gem. § 7 Abs. 5 EStG kommt es nicht an.
In Fällen des Erwerbs eines teilfertigen Objekts ist es unerheblich, wer genau die Bauanzeige gestellt hat. Es findet insoweit eine objektbezogene Betrachtung statt. Ist deshalb für ein Gebäude die Bauanzeige nach dem 30.9.23 und vor dem 1.10.29 erfolgt, kann auch der Erwerber eines unbebauten Grundstücks oder der Erwerber eines teilfertigen Gebäudes die degressive AfA nach Fertigstellung des Objekts in Anspruch nehmen. Zu den begünstigten Herstellungskosten zählen in diesem Fall auch die (anteiligen) Anschaffungskosten des teilfertigen Gebäudes. Bei unentgeltlichem Erwerb vom Bauherren wirkt die Herstellungsqualifikation sowohl bei Einzel- als auch bei Gesamtrechtsnachfolge fort (§ 11d EStDV).
Beachten Sie | Das gilt auch, wenn die Bauanzeige im maßgeblichen Zeitpunkt von einer Personengesellschaft oder einer Gemeinschaft gestellt worden ist und nach dem 1.10.29, bevor das Gebäude fertiggestellt ist, weitere Personen der Gesellschaft oder Gemeinschaft beitreten. Werden jedoch weitere Personen nach der Fertigstellung des Gebäudes Gesellschafter, handelt es sich für diese nicht mehr um eine Herstellung, sondern um eine Anschaffung.
Der Steuerpflichtige trägt die Nachweispflicht für den Zeitpunkt des Beginns der Herstellung. Bei genehmigungsfreien Bauvorhaben muss der Steuerpflichtige daher zum einen der zuständigen Baubehörde den Baubeginn freiwillig anzeigen und zudem dem Finanzamt gegenüber eine entsprechende Erklärung abgeben. Ein entsprechendes Vorgehen dürfte bei im EU-/EWR-Ausland belegenen Objekten maßgeblich sein.
2.4 Anschaffung des Wohngebäudes
Im Fall der Anschaffung ist die Inanspruchnahme der degressiven Absetzung für Abnutzung nur dann möglich, wenn der obligatorische Vertrag nach dem 30.9.23 und vor dem 1. 10.29 rechtswirksam abgeschlossen wird. Damit auch in Fällen der Anschaffung nur neue Gebäude von der Regelung umfasst werden, muss der Steuerpflichtige das Gebäude zudem bis zum Ende des Jahres der Fertigstellung anschaffen – der Zeitpunkt der Bauanzeige bzw. des Beginns der Gebäudeherstellung ist in Anschaffungsfällen unerheblich. Für die Inanspruchnahme der degressiven Abschreibung i. S. d. § 7 Abs. 5a EStG im Fall der Anschaffung müssen also Fertigstellung und Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht in einem Kalenderjahr liegen.
Der Steuerpflichtige hat das Gebäude in dem Zeitpunkt angeschafft, in dem die Lieferung ausgeführt worden ist (§ 9a EStDV). Dies ist der Fall, wenn er zumindest das wirtschaftliche Eigentum erlangt hat, wenn „Besitz, Gefahr, Nutzungen und Lasten“ auf ihn übergegangen sind. Dieser Zeitpunkt kann regelmäßig eindeutig den maßgebenden (notariell beurkundeten) Vereinbarungen zwischen Veräußerer und Erwerber entnommen werden.
Schwieriger wird es schon festzustellen, wann denn die Fertigstellung des Gebäudes erfolgte. Ein Gebäude ist grundsätzlich fertiggestellt, wenn es entsprechend seiner Zweckbestimmung genutzt werden kann. Bei Gebäuden kommt es insoweit auf den Bebauungszustand an. Ein Wohngebäude ist fertiggestellt,
- wenn es nach Abschluss der wesentlichen Bauarbeiten bewohnbar (BFH 27.6.95, IX R 130/90, BStBl II 96, 215)
- bzw. wenn es objektiv bezugsfertig ist (BFH 26.1.99, IX R 53/96).
Ein Haus oder eine Wohnung kann im Allgemeinen dann als bezugsfertig angesehen werden, wenn die wesentlichen Bauarbeiten durchgeführt worden sind. Dazu gehört, dass die Türen und Fenster eingebaut, die Anschlüsse für Strom- und Wasserversorgung, Heizung sowie die sanitären Einrichtungen vorhanden sind und die Möglichkeit zur Einrichtung einer Küche besteht. Unerheblich ist, dass noch geringfügige Restarbeiten ausstehen.
Beispiel |
Schlussabnahme des Objekts bereits in 2023 erfolgt |
Die Möglichkeit der Inanspruchnahme der degressiven AfA gem. § 7 Abs. 5a EStG ist für den I nicht eröffnet. Das Objekt war bereits im Dezember 2023 fertiggestellt. Da der Erwerb bzw. Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an der Wohnung erst im Jahr 2024 erfolgte, sind die Voraussetzungen einer Anschaffung im Jahr der Fertigstellung nicht erfüllt.
Beachten Sie | Umgekehrt reicht die tatsächliche Nutzung eines Gebäudes oder einzelner Gebäudeteile (vor Bezugsfertigkeit) nicht für einen Abschluss der Herstellung. Hinsichtlich der Fertigstellung kommt es insoweit darauf an, ob die Benutzung des Gebäudes nach der Verkehrsauffassung zumutbar ist (BFH 3.2.00, I B 45/99). Allerdings kann bei abschnittsweiser Herstellung („Errichtung in Bauabschnitten“) eine Fertigstellung schon mit Blick auf einzelne Teile des Gesamtgebäudes vorliegen (BFH 20.12.12, III R 40/11, BStBl II 13, 340).
2.5 Wesentliche Änderungen von Bestandsimmobilien
Durch Umbaumaßnahmen kann aus einer Bestandsimmobilie auch ein gänzlich neues Wirtschaftsgut werden. Beispielsweise kann die Errichtung eines Anbaus in Verbindung mit einer Neugestaltung des Dachaufbaus zu einer faktischen Zweitherstellung führen (BFH 26.10.06, IX B 9/06). Auch in diesen Fällen kommt gem. § 7 Abs. 5b EStG die Herstellung eines neuen Gebäudeteils und somit die Anwendung der AfA-Grundsätze des § 7 Abs. 5a EStG in Betracht.
Merke | Die Aufteilung eines bestehenden Mehrfamilienhauses in Eigentumswohnungen führt zwar zu einem insoweit neuen selbstständigen Gebäudeteil i. S. d. § 7 Abs. 5b EStG, jedoch stellt dies keinen Fall der Herstellung eines Gebäudeteils dar. |
2.6 Gestaltungsspielräume
Die zwischen Herstellungs- und Anschaffungsfällen differenzierenden Tatbestandsvoraussetzungen können bei bereits in der Vergangenheit in Gang gesetzten Herstellungsfällen zur Hebung eines entsprechenden degressiven AfA-Potenzials gestalterisch genutzt werden.
Beispiel |
A, B und C errichten gemeinsam in der Rechtsform einer GbR ein Projekt mit 12 Wohneinheiten. Beabsichtigt ist die zukünftige gemeinsame Vermietung der Wohneinheiten. Die GbR wird hieraus entsprechende Überschusseinkünfte gem. § 21 Abs. 1 EStG erzielen. Der Herstellungsbeginn des Objekts begann unstreitig bereits vor dem 30.9.23, die Fertigstellung ist für das III. Quartal des Jahres 2024 geplant. A, B und C fragen bei Ihnen an, ob die Möglichkeit der Inanspruchnahme der degressiven AfA gem. § 7 Abs. 5a EStG besteht. |
Die Voraussetzungen der Inanspruchnahme der degressiven AfA gem. § 7 Abs. 5a EStG für Herstellungsfälle ist aufgrund des Herstellungsbeginns vor dem 30.9.23 nicht eröffnet. A, B und C könnten jedoch durch einen entsprechenden Anschaffungsvorgang im Jahr 2024 die Möglichkeit der degressiven AfA gem. § 7 Abs. 5a EStG eröffnen.
Beachten Sie | Insoweit ist durch die Rechtsprechung anerkannt, dass auch der Fall einer Einlage in ein Betriebsvermögen einen anschaffungsähnlichen Vorgang darstellt, der zur Inanspruchnahme der degressiven AfA gem. § 7 Abs. 5 S. 1 EStG berechtigt (BFH 18.5.10, X R 07/08, BStBl II 14, 13). Es ist kein Grund ersichtlich, welcher gegen die Anwendung der Rechtsprechungsgrundsätze auch für Fälle der Neuregelung des § 7 Abs. 5a EStG spricht. Voraussetzung wäre lediglich, dass die Anschaffung bis zum Ende des Jahres der Fertigstellung des Objekts erfolgt.
Gründung einer gewerblich geprägten GmbH & Co. KG als Gestaltungsoption |
3. Erweiterung § 7b EStG
Im Zusammenhang mit der Einführung der degressiven AfA für Wohnungsbauten ist auch § 7b Abs. 1 S. 1 EStG ergänzt worden. Hiernach ist es möglich, dass Sonderabschreibungen für Mietwohnungsneubau neben der degressiven AfA für Wohngebäude nach § 7 Abs. 5a EStG in Anspruch genommen werden können. Um im Zusammenspiel der Regelungen zusätzliche Investitionspotenziale für neue Wohngebäude zu eröffnen, wurde zudem der zeitliche Anwendungsbereich der Sonderabschreibung für Mietwohnungsneubau verlängert. Danach können die Sonderabschreibungen – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – nun auch in Anspruch genommen werden, wenn durch Baumaßnahmen aufgrund eines nach dem 31.12.22 und vor dem 1.10.29 (bislang 1.1.27) gestellten Bauantrags oder einer in diesem Zeitraum getätigten Bauanzeige neue, bisher nicht vorhandene Wohnungen hergestellt werden.
Für aufgrund eines nach dem 31.12.22 und vor dem 1.10.29 gestellten Bauantrags oder einer in diesem Zeitraum getätigten Bauanzeige hergestellte Wohnungen sind darüber hinaus auch die Kostenbezugsgrößen (Baukostenobergrenze und maximale Bemessungsgrundlage) angehoben worden:
- Die maximalen AK/HK betragen nunmehr 5.200 EUR (JStG 2022: 4.800 EUR) je qm WohnflächeKostenbezugsgrößen wurden angehoben
- Die Bemessungsgrundlage beträgt nunmehr maximal 4.000 EUR (JStG 2022: 2.500 EUR) je qm Wohnfläche
Beachten Sie | Die Änderungen des § 7b EStG treten bereits rückwirkend zum 1.1.23 in Kraft. Allerdings dürften hiermit aufgrund des zeitlichen Anwendungsbereichs der Sonderabschreibung für Mietwohnungen mit einem Bauantrag / einer Bauanzeige nach dem 31.12.22 (zusätzliche Voraussetzung: Effizienzhaus 40!) kaum praxisrelevante Änderungen gegenüber der Altregelung (Bauanträge/Bauanzeige vor dem 1.1.22) verbunden sein.
4. Erweiterte Gewerbesteuerkürzung – Anhebung der Unschädlichkeitsgrenze bei PV-Anlagen
Die Anwendung der erweiterten Kürzung i. S. d. § 9 Nr. 1 S. 2 ff. GewStG setzt die ausschließliche Betätigung der Gewerbetreibenden in Form der Verwaltung oder Nutzung eigenen Grundbesitzes voraus. Das Gesetz lässt jedoch weitere (unschädliche) Tätigkeiten zu, die jedoch nicht an der Begünstigung teilnehmen, d. h. der GewSt-Pflicht unterfallen. Dahin gehend wurde der Katalog dieser unschädlichen Tätigkeiten mit dem Fondsstandortgesetz (FoStoG) vom 3.6.21 (BGBl I 21, 1489) um Einnahmen aus Stromlieferungen aus Anlagen i. S. d. § 3 Nr. 21 EEG (z. B. PV-Anlage) ergänzt, sofern die Einnahmen hieraus pro Wj. nicht höher als 10 % der Einnahmen aus der Gebrauchsüberlassung des Grundbesitzes sind und nicht aus Lieferungen an Letztverbraucher stammen, die nicht Mieter sind.
Beachten Sie | Hierzu zählen auch Einnahmen aus dem Betrieb von Ladestationen für Elektrofahrzeuge/-fahrräder, wobei diese auch durch Lieferungen an „Nichtmieter“ erfolgen können.
4.1 Unschädlichkeitsgrenze wird ab Erhebungszeitraum 2023 angehoben
Um den Ausbau der Solarstromerzeugung und den Betrieb von Ladesäulen weiter voranzutreiben, wurde rückwirkend ab dem Erhebungszeitraum 2023 bei der erweiterten Kürzung für Grundstücksunternehmen die Unschädlichkeitsgrenze des § 9 Nr. 1 S. 3 Buchst. b GewStG von 10 % auf 20 % angehoben.
Merke | Ausgangsgröße für die Berechnung der prozentualen Grenzen sind die Einnahmen aus der Gebrauchsüberlassung des gesamten eigenen Grundbesitzes des Grundstücks- bzw. Wohnungsunternehmens. Abzustellen ist hierbei auf die Höhe der vereinbarten Miet- und Pachteinnahmen inklusive sämtlicher umlagefähiger Betriebskosten. Die Umsatzsteuer bleibt bei der Ermittlung der Einnahmen außer Ansatz (Nettobetrachtung). |
Maßgeblich ist damit die Summe der Einnahmen des gesamten Grundbesitzes des Unternehmens, auch wenn z. B. eine Stromlieferung (PV-Anlage) an Mieter nur in einzelnen Objekten erfolgt.
4.2 Verhältnis zu § 3 Nr. 72 EStG weiter unklar!
Keinen Hinweis erhält das Gesetz zum Verhältnis der erweiterten Kürzung i. S. d. § 9 Nr. 1 S. 2 ff. GewStG zu den Neuregelungen des § 3 Nr. 72 EStG. Da § 9 Nr. 1 S. 3 Buchst. b GewStG zum einen nicht auf die (Gewerbe-)Steuerbarkeit der erzielten Einnahmen abstellt und zum anderen der „Unschädlichkeitskatalog“ des § 9 Nr. 1 S. 2 u. 3 GewStG rein tätigkeitsbezogen formuliert ist, muss davon ausgegangen werden, dass die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 72 EStG nicht auf die Ermittlung der Unschädlichkeitsgrenze durchschlägt. Das heißt, entsprechende (steuerfreie) Stromlieferungen sind im Rahmen der nun auf 20 % angehobenen obigen Grenze mit zu berücksichtigen. Es besteht daher weiterhin das Risiko, dass nach § 3 Nr. 72 EStG steuerfreie Einnahmen zu einer Versagung der erweiterten Grundstückskürzung führen können.
5. Kurzüberblick zu weiteren beratungsrelevanten Änderungen
5.1 Geschenke, § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 S. 2 EStG
Aufwendungen für Geschenke an Personen, die nicht Arbeitnehmer des Steuerpflichtigen sind, dürfen den Gewinn bisher nicht mindern, wenn die Anschaffungs- oder Herstellungskosten der dem Empfänger im Wirtschaftsjahr zugewendeten Gegenstände insgesamt 35 EUR nicht übersteigen. Dieser Betrag wird auf 50 EUR angehoben. Die Änderung gilt erstmals für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.23 beginnen.
5.2 Private Nutzung von Elektrofahrzeugen, § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 Nr. 3, 5 EStG
Nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 Nr. 3 EStG (1 %-Regelung) ist bei der privaten Nutzung eines reinen Elektrofahrzeugs nur ein Viertel der Bemessungsgrundlage (Bruttolistenpreis) und nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 3 Nr. 3 EStG (Fahrtenbuchregelung) nur ein Viertel der Anschaffungskosten oder vergleichbarer Aufwendungen anzusetzen. Dies gilt bislang jedoch nur, wenn der Bruttolistenpreis des Kraftfahrzeugs nicht mehr als 60.000 EUR beträgt. Der Höchstbetrag wurde für Elektro-Pkw, die nach dem 31.12.23 angeschafft werden, auf 70.000 EUR angehoben. Dies gilt entsprechend bei der Überlassung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs an Arbeitnehmer (§ 8 Abs. 2 S. 2, 3 und 5 EStG).
Beachten Sie | Das Gesetz schreibt keine Anschaffung eines Neuwagens vor. Auch der Erwerb eines „gebrauchten“ Elektrofahrzeugs könnte daher von der Anhebung des Höchstbetrags (maßgebend ist jedoch nach wie vor der Bruttolistenpreis zum Zeitpunkt der Erstzulassung) profitieren. Ein Wechsel allein des Nutzungsberechtigten dürfte jedoch nicht ausreichen, um die Neuregelung in Anspruch zu nehmen (vgl. BMF 5.11.21, IV C 5 – S 2334/19/10009 :003, Rz. 22).
5.3 Befristete Wiedereinführung der degressiven AfA, § 7 Abs. 2 S. 1 EStG
Zur Unterstützung der Wirtschaft wird nun (wieder) die degressive Abschreibung für bewegliche Wirtschaftsgüter revitalisiert, die nach dem 31.3.24 und vor dem 1.1.25 angeschafft oder hergestellt worden sind. Der AfA-Satz darf hierbei höchstens das Zweifache des bei der linearen AfA in Betracht kommenden Prozentsatzes betragen und 20 % nicht übersteigen.
Beachten Sie | Die Regelung wurde nicht mit denen der Corona-Steuerhilfegesetze harmonisiert, sodass nunmehr ein steuerlicher „Flickenteppich“ in der zeitlichen Anwendung des § 7 Abs. 2 EStG besteht:
Anschaffung/Herstellung beweglicher WG | |||
Steuerlicher „Flickenteppich“ | Bis 31.3.23 | 1.4.24 bis 31.12.24 | Ab 1.1.25 |
Degressive AfA gem. § 7 Abs. 2 EStG möglich; AfA-Satz max. 25 %/2,5-Fache der linearen Afa | Keine degressive AfA möglich | Degressive AfA gem. § 7 Abs. 2 EStG möglich; AfA-Satz max. 20 %/2-Fache der linearen Afa | Keine degressive AfA möglich |
5.4 Befristete Anhebung der Mindestbesteuerung beim Verlustvortrag, § 10d Abs. 2 EStG
Bis zu einem Sockelbetrag von 1 Mio. EUR (2 Mio. EUR bei Ehegatten) ist ein Verlustvortrag für jedes Verlustvortragsjahr unbeschränkt möglich. Für den Teil, der den Sockelbetrag überschreitet, ist der Verlustvortrag auf 60 % des Gesamtbetrags der Einkünfte des Verlustvortragsjahres beschränkt. Zeitlich befristet für die Jahre 2024 bis 2027 wird der Verlustvortrag auf 70 % des Gesamtbetrags der Einkünfte des Verlustvortragsjahres beschränkt. Die Erweiterungen des Verlustvortrags gelten auch für die Körperschaftsteuer (§ 8 Abs. 1 KStG i. V. m. § 31 Abs. 1 S. 1 KStG). Ab dem Jahr 2028 soll die Prozentgrenze für die sog. Mindestgewinnbesteuerung wieder auf 60 % zurückfallen.
Beachten Sie | Eine (ursprünglich vorgesehene) Änderung der Regelungen zum Verlustrücktrag erfolgte nicht, es bleibt jedoch bei der Ausweitung des Verlustrücktrags auf zwei Jahre.
5.5 Anhebung der Freigrenze für private Veräußerungsgeschäfte, § 23 Abs. 3 S. 5 EStG
Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften bleiben steuerfrei, wenn der im Kalenderjahr erzielte Gesamtgewinn weniger als 600 EUR beträgt (Freigrenze). Die Freigrenze wird ab dem VZ 2024 auf 1.000 EUR erhöht.
Beachten Sie | Werden Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt und hat jeder von ihnen Veräußerungsgewinne erzielt, steht jedem Ehegatten die Freigrenze einzeln zu.
5.6 Leistungen an KGaA, § 7 Abs. 9 ErbStG
Auf reißerischen „YouTube-Kanälen“ und ähnlichen Plattformen wird es schon als „das“ Gestaltungsmodell gefeiert: Die disquotale Einlage in eine KGaA, welche eine (vermeintliche) Gesetzeslücke ausnutzt und nicht steuerbare Vermögensverschiebungen zwischen Angehörigen ermögliche. Und in der Tat hat das FG Hamburg mit Entscheidung vom 11.7.23 (3 K 188/21) ein solches Gestaltungsmodell anerkannt.
Allerdings hat hier (wie so oft) der BFH das letzte Wort, die Revision ist unter dem Az. II R 23/23 anhängig. Und es ist zumindest nicht unwahrscheinlich, dass der BFH die Auffassung des FG Hamburg nicht teilen und sich der weit überwiegenden Auffassung in der Literatur anschließen wird, dass das Modell keines ist (siehe Wachter, DB 19, 1167). Um hier Vorsorge zu betreiben, hat nun der Gesetzgeber reagiert und durch Einfügung eines § 7 Abs. 9 ErbStG ausdrücklich geregelt, dass auch disquotale Einlagen in eine KGaA entsprechend den Grundsätzen des § 7 Abs. 8 ErbStG (Einlagen in KapG und Genossenschaften) zu schenkungsteuerbaren Zuwendungen führen. Zumindest für die aktuelle Gestaltungsberatung ist dieses Modell damit „tot“.
AUSGABE: GStB 6/2024, S. 199 · ID: 50042181