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KapitalgesellschaftenSteuerung der Unternehmensnachfolge bei der GmbH durch Einziehungs- und Abtretungsklauseln

Abo-Inhalt29.05.202417 Min. LesedauerVon Prof. Dr. Hans Ott, StB/vBP, Köln

| Im Gegensatz zu einer Personengesellschaft lässt sich die gezielte Unternehmensnachfolge beim Tode eines GmbH-Gesellschafters nicht durch Nachfolgeklauseln im Gesellschaftsvertrag regeln, da die freie Vererblichkeit von Geschäftsanteilen nach § 15 Abs. 1 GmbHG nicht ausgeschlossen werden kann. Verstirbt ein Gesellschafter, wird die GmbH nicht aufgelöst und die Anteile gehen auf sämtliche Erben über. Damit besteht die Gefahr einer Zersplitterung der Anteile, was vor allem in mittelständischen Gesellschaften zu einer Überfremdung führen kann. In der Praxis sehen Gesellschaftsverträge daher regelmäßig Einziehungs- und/oder Abtretungsklauseln vor, damit das weitere Schicksal von Geschäftsanteilen im Nachlass gezielt gesteuert werden kann. |

1. Freie Vererblichkeit der Geschäftsanteile

Beim Tode eines GmbH-Gesellschafters sind die Geschäftsanteile einer GmbH nach § 15 Abs. 1 GmbHG frei vererblich. Dies kann weder gesellschaftsvertraglich noch durch eine Verfügung von Todes wegen ausgeschlossen oder beschränkt werden. Die Folge ist, dass die Erben des verstorbenen Gesellschafters durch den Erbfall automatisch zu Gesellschaftern der GmbH werden, ohne dass es einer Mitwirkung der Gesellschaft oder der Mitgesellschafter bedarf. Sieht der Gesellschaftsvertrag keine besonderen Regelungen vor, kann damit z. B. folgende Situation eintreten:

Beispiel

An der A-GmbH sind X und Y zu jeweils 50 % beteiligt. X verstirbt und hinterlässt als Erben seine Ehefrau und zwei Kinder. Der Gesellschaftsanteil des X geht ungeteilt auf die aus der Ehefrau und den beiden Kindern bestehende Erbengemeinschaft über, womit sich der Gesellschafterkreis der A-GmbH schlagartig von zwei auf vier Gesellschafter erweitert.

Wenngleich nach § 18 Abs. 1 GmbHG zum Schutz der Gesellschaft mehrere Erben die Gesellschafterrechte (z. B. Stimmrechte) nur gemeinschaftlich ausüben können, liegt es auf der Hand, dass die angewachsene Zahl der Gesellschafter Konfliktpotenzial birgt und für die weitere Entwicklung der GmbH problematisch werden kann. Der Mitgesellschafter Y kann zwar der Erbengemeinschaft ein Kaufangebot im Hinblick auf die ererbten Anteile unterbreiten. Jedoch besteht für die Erbengemeinschaft grundsätzlich keine Verpflichtung, die Anteile an Y zu übertragen. Vielmehr kann sich diese auch dergestalt auseinandersetzen, dass nur einer der Erben (z. B. nur ein Kind des X) Gesellschafter der GmbH bleibt. Bei fehlenden satzungsmäßigen Vinkulierungsklauseln kann die Erbengemeinschaft schließlich den ererbten Anteil auch an fremde Dritte veräußern, womit sich die Gefahr einer Überfremdung der Gesellschaft erhöht.

Dieses Beispiel verdeutlicht, warum die freie Vererblichkeit der Anteile wirksam eingeschränkt werden sollte. Sofern der Gesellschaftsvertrag nicht bereits eine Einziehungs- und/oder Abtretungsklausel enthält, ist es regelmäßig empfehlenswert, solche Klauseln in den Vertrag aufzunehmen.

2. Wirkungsweise einer Einziehungsklausel

Die Einziehungsklausel sieht vor, dass beim Tode eines Gesellschafters die auf die Erben übergegangenen Anteile innerhalb einer bestimmten Zeit von der GmbH eingezogen werden können. Die Einziehungsklausel dient vielfach auch als Sanktion für den Fall, dass die Erben ihrer Verpflichtung aus einer ggf. im Gesellschaftsvertrag enthaltenen Abtretungsklausel nicht nachkommen. Die Einziehung setzt nach § 34 Abs. 1 GmbHG eine entsprechende gesellschaftsvertragliche Regelung voraus. Darüber hinaus bedarf die Einziehung nach § 46 Nr. 4 GmbHG grundsätzlich eines Gesellschafterbeschlusses und erfolgt regelmäßig gegen Zahlung einer Abfindung. Nach der Einziehung von Geschäftsanteilen ist nach § 40 Abs. 1 GmbHG eine neue Gesellschafterliste zum Handelsregister einzureichen. Daneben sind auch die gesetzlichen Regelungen zur Kapitalaufbringung (§§ 19 Abs. 2 und 30 Abs. 1 GmbHG) zu beachten. Danach darf eine Einziehung nur erfolgen, wenn die Stammeinlage auf den einzuziehenden Anteil voll erbracht ist.

Beachten Sie | Wurde z. B. bei der Gründung der GmbH eine Bareinlage nach § 7 Abs. 2 GmbHG nur teilweise erbracht, ist die satzungsmäßige Einziehungsklausel beim Tode eines Gesellschafters wirkungslos. Es bleibt dann nur der Ausweg, dass die übrigen Gesellschafter die noch offenen Einlagen vor der Einziehung selbst einzahlen, was jedoch regelmäßig nicht gewollt ist.

§ 34 Abs. 3 i. V. m. § 30 Abs. 1 GmbHG schreibt vor, dass die Zahlung einer Abfindung durch die Gesellschaft weder ganz noch teilweise zu einer unzulässigen Rückzahlung des Stammkapitals, also zu einer Rückzahlung des gebundenen Vermögens der GmbH, führen darf. Die Einziehung ist somit nur möglich, wenn die Abfindung aus dem das Stammkapital übersteigenden Gesellschaftsvermögen erbracht werden kann (z. B. aus einer freien Gewinn- oder Kapitalrücklage bzw. aus dem Gewinnvortrag oder dem Bilanzgewinn). Ein Einziehungsbeschluss, der gegen die Kapitalerhaltung verstößt, ist nichtig. Die Einziehung scheitert daher, wenn freies Vermögen für die Abfindung fehlt.

Praxistipp | Übersteigt das Stammkapital den gesetzlichen Mindestbetrag von 25.000 EUR, kann die Einziehung auch mit einer Herabsetzung des Stammkapitals auf 25.000 EUR nach den §§ 58 ff. GmbHG kombiniert werden. Alternativ könnte die Satzung auch eine Nachschusspflicht der Gesellschafter nach § 26 GmbHG oder die Bildung einer Gewinnrücklage vorsehen, aus der etwaige künftige Abfindungen an ausscheidende Gesellschafter gezahlt werden können. In der Praxis sind solche Satzungsregelungen jedoch eher selten anzutreffen.

Als Folge einer Einziehung geht der Geschäftsanteil vollständig unter, während das Stammkapital der GmbH der Höhe nach unverändert bleibt, sofern nicht gleichzeitig eine Kapitalherabsetzung vorgenommen wird. Nach der Einziehung stimmt der Betrag des Stammkapitals – entgegen § 5 Abs. 3 S. 2 GmbHG – nicht mehr mit der Summe der Nennbeträge der Geschäftsanteile überein, sodass mit dem Einziehungsbeschluss zwingend ein solcher Gleichlauf herbeigeführt werden muss. Dafür stehen folgende Maßnahmen zur Verfügung:

  • Aufstockung der Nennbeträge der verbleibenden Geschäftsanteile
  • Gesellschafterbeschluss über die Neubildung eines oder mehrerer Geschäftsanteile
  • Herabsetzung des Stammkapitals auf mindestens 25.000 EUR mit Gläubigeraufruf und Beachtung des Sperrjahres (§ 58 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 GmbHG)

Nach der Einziehung tritt bei den verbleibenden Gesellschaftern eine anteilige Aufwertung ihrer Geschäftsanteile ein:

Beispiel

An der X-GmbH sind die Gesellschafter A mit 44 % sowie B mit 36 % und C mit 20 % beteiligt. C verstirbt und sein Anteil wird eingezogen.
Lösung: Die Beteiligungen von A und B erhöhen sich jeweils im Verhältnis 44:36. Die Beteiligung des A erhöht sich damit um 44/80 von 20 % = 11 %, also von 44 % auf 55 %, während sich die Beteiligung des B um 36/80 von 20 % = 9 %, also von 36 % auf 45 % erhöht. Künftig ist A somit Mehrheitsgesellschafter der X-GmbH.

3. Abtretungsklausel

Die Abtretungsklausel sieht vor, dass die Erben im Rahmen einer Nebenleistungsverpflichtung nach § 3 Abs. 2 GmbHG die aufgrund der Erbfolge erworbenen Geschäftsanteile mit allen Rechten und Pflichten entweder an die Gesellschaft, an Mitgesellschafter (z. B. einen bestimmten Nachfolger) oder an Dritte gegen Zahlung einer Abfindung abtreten müssen. Im Gegensatz zu einer Einziehung geht der Geschäftsanteil nicht unter.

Sieht die Abtretungsklausel eine Abtretung der Anteile an die Gesellschaft vor, sind die zwingenden gesellschaftsrechtlichen Beschränkungen beim Erwerb eigener Anteile nach § 33 Abs. 1 und Abs. 2 GmbHG zu beachten. Der Erwerb eigener Anteile ist nur zulässig, wenn die Einlage vollständig geleistet ist und die GmbH im Zeitpunkt des Erwerbs in Höhe der Abfindung eine Rücklage hätte bilden können, ohne das Stammkapital oder eine nach dem Gesellschaftsvertrag zu bildende Rücklage zu mindern, die nicht zur Zahlung an die Gesellschafter verwandt werden darf (zum Erwerb eigener Anteile und zur Behandlung in der Handelsbilanz vgl. Ott, GStB 24, 60 ff.). Bei einem Verstoß gegen § 33 GmbHG besteht die Gefahr, dass die Abtretung an die GmbH leerläuft. Daher sollte neben der Abtretung an die GmbH z. B. auch eine Abtretung an Mitgesellschafter oder an fremde Dritte vorgesehen werden, weil in einem solchen Fall § 33 GmbHG nicht greift.

4. Ertragsteuerliche Folgen der Einziehungsklausel

4.1 Gesellschaftsebene

Nach dem BMF-Schreiben vom 27.11.13 (IV C 2 – S 2742/07/10009, BStBl I 13, 1615, Rn. 16 i. V. m. Rn. 9 ff.) wird die Einziehung auf der Gesellschaftsebene wie eine Herabsetzung des Nennkapitals nach § 28 Abs. 2 KStG behandelt:

  • In Höhe des Nennbetrags der eingezogenen Anteile ist – wie bei einer echten Kapitalherabsetzung – § 28 Abs. 2 KStG entsprechend anzuwenden mit der Besonderheit, dass abweichend von § 28 Abs. 2 S. 1 KStG ein etwaig bestehender Sonderausweis nicht zu mindern ist. Somit wird zunächst das steuerliche Einlagekonto i. S. v. § 27 KStG in einem ersten Schritt um den Nennbetrag der eingezogenen Anteile erhöht und in einem zweiten Schritt um denselben Betrag wieder verringert.
  • Übersteigt das gezahlte Einziehungsentgelt den Nennbetrag der eingezogenen Anteile, liegt eine Leistung der GmbH vor, die nach der Verwendungsreihenfolge gem. § 27 Abs. 1 S. 3 KStG zu einer Minderung des steuerlichen Einlagekontos führt, soweit die Leistung den maßgebenden ausschüttbaren Gewinn übersteigt. Es ist jedoch keine Kapitalertragsteuer einzubehalten und abzuführen, weil der Anteilseigner die Einziehung nicht als Kapitalertrag i. S. v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 EStG, sondern als Anteilsveräußerung i. S. v. § 17 EStG zu versteuern hat.
Merke | Ebenso wie beim Erwerb eigener Anteile wird im Schrifttum auch bei der Einziehung zu Recht bezweifelt, ob diese Handhabung der Finanzverwaltung eine gesetzliche Grundlage hat, weil der sachliche Anwendungsbereich des § 28 Abs. 2 KStG nur bei einer wirksamen Herabsetzung des Nennkapitals eröffnet ist (vgl. z. B. Dötsch/Werner, Die Körperschaftsteuer, § 28 KStG, Rn. 183 ff.). An einer solchen Herabsetzung des Nennkapitals fehlt es jedoch bei der Einziehung von Anteilen, sodass mangels Anwendung von § 28 Abs. 2 KStG lediglich eine Verringerung des steuerlichen Einlagekontos eintritt, soweit dieses rechnerisch auf den eingezogenen Anteil entfällt (vgl. Stimpel in: Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, 2. Aufl. 23, § 28 Rn. 122).

Erfolgt die Einziehung von Anteilen tatsächlich ohne Kapitalherabsetzung, weil z. B. der Nominalwert der verbleibenden Anteile aufgestockt wird, so tritt nach der Verwaltungsansicht die fingierte Herabsetzung des Nennkapitals definitiv nicht ein. Für diesen Fall sieht das o. a. BMF-Schreiben vom 27.11.13 in Rn. 17 in entsprechender Anwendung von § 28 Abs. 1 KStG eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln vor. Dies führt zu einer entsprechenden Minderung des steuerlichen Einlagekontos in Höhe eines etwaig vorhandenen Bestands und ggf. zu einem Sonderausweis i. S. v. § 28 Abs. 1 S. 3 KStG.

4.2 Gesellschafterebene

Nach dem BMF-Schreiben vom 27.11.13 (IV C 2 – S 2742/07/10009, BStBl I 13, 1615, Rn. 16) ist bei Anteilen i. S. v. § 17 EStG die Einziehung gegen Abfindung aus Sicht der GmbH wie der Erwerb eigener Anteile zu behandeln. Dementsprechend stellt die Einziehung nach Ansicht des FG Rheinland-Pfalz im Urteil vom 4.11.15 (1 K 1214/13, rkr.) sowie nach überwiegender Meinung im Schrifttum aus der Sicht des Anteilseigners eine Anteilsveräußerung dar (vgl. nur Levedag in: Schmidt, EStG, § 17 Rn. 28). Eine Mindermeinung spricht sich dagegen für die Annahme einer Teilliquidation aus (vgl. Wollweber/Ruske, GmbHR 15, 785). Bemerkenswert ist, dass ein Veräußerungstatbestand angenommen wird, obwohl die Einziehung im Gegensatz zu einer tatsächlichen Veräußerung keine Übertragung auf einen Erwerber voraussetzt, weil die Anteile mit der Einziehung mit sämtlichen damit verbundenen Mitgliedschaftsrechten und -pflichten ersatzlos untergehen. Eine Entscheidung des BFH hierzu liegt derzeit – soweit ersichtlich – nicht vor. Im Urteil vom 22.7.08 (IX R 15/08, BStBl II 08, 927) hatte der BFH diese Frage offengelassen.

Noch nicht abschließend geklärt ist, ob ein Gewinn oder Verlust bei der Einziehung den Erben oder noch dem Erblasser zuzuordnen ist. Ganz allgemein wird von einer Zurechnung bei den weichenden Erben ausgegangen. Einschlägige Rechtsprechung hierzu liegt jedoch – soweit ersichtlich – nicht vor. Für eine Erfassung noch beim Erblasser könnte jedoch sprechen, dass die Erben keine eigene Dispositionsmöglichkeit im Hinblick auf den ererbten Anteil haben und bereits der Erblasser durch die Aufnahme der Einziehungsklausel in den Gesellschaftsvertrag der GmbH die Einziehungsverpflichtung begründet hat. Damit besteht eine gewisse Parallele zur Fortsetzungsklausel bei einer Personengesellschaft, bei der nach dem BMF-Schreiben vom 14.3.06 (IV B 2 – S 2242- 7/06, BStBl I 06, 253, Tz. 69) die Versteuerung der Abfindung noch beim verstorbenen Gesellschafter erfolgt. Eine entsprechende Behandlung im Falle der Einziehungsklausel wird daher teilweise im Schrifttum vertreten (vgl. Ott, GmbHR 95, 567, 570 ff.; Winter, Die Vererbung von GmbH-Anteilen im Zivil- und Steuerrecht, Herne/Berlin 97, 177).

5. Ertragsteuerliche Folgen der Abtretungsklausel

5.1 Gesellschaftsebene

Für die Abtretung der Anteile an die GmbH gelten die oben skizzierten Rechtsfolgen bei der Einziehung entsprechend (vgl. BMF 27.11.13, IV C 2 – S 2742/07/10009, Rn. 9 ff.). Der Anteilsveräußerung beim Gesellschafter steht bei der Gesellschaft eine Herabsetzung des Nennkapitals in entsprechender Anwendung von § 28 Abs. 2 KStG gegenüber.

Gehen erbfallbedingt mehr als 50 % der Anteile auf einen Erwerber oder eine dem Erwerber nahestehende Person bzw. auf eine Gruppe von Erwerbern mit gleichgerichteten Interessen über, sieht die Finanzverwaltung – entgegen dem eindeutigen Gesetzeswortlaut – darin keinen Anwendungsfall des § 8c Abs. 1 S. 1 KStG (vgl. BMF-Schreiben v. 28.11.17, IV C 2 – S 2745 – a/09/10002 :004, BStBl I 17, 1645, Rn. 4). Im Falle einer unentgeltlichen vorweggenommenen Erbfolge ist das FG Münster im Urteil vom 4.11.15 (9 K 3478/13 F, EFG 16, 412) der Verwaltungsansicht nicht gefolgt und hat für die Nichtanwendung des § 8c Abs. 1 KStG keine Rechtsgrundlage gesehen.

Erwirbt die GmbH eigene Anteile, so stellt dies nach der Verwaltungsauffassung grundsätzlich einen dem Erwerb nach § 8c Abs. 1 S. 1 KStG vergleichbaren Sachverhalt dar, wodurch grundsätzlich ein Verlustuntergang nach § 8c Abs. 1 S. 1 KStG ausgelöst werden kann. Gleichwohl liegt ein schädlicher Anteilserwerb nur dann vor, wenn sich hierdurch die Beteiligungsquote eines Erwerbers oder einer Erwerbergruppe um mehr als 50 % erhöht (vgl. BMF 28.11.17, IV C 2 – S 2745 – a/09/10002 :004, BStBl I 17, 1645, Rn. 7).

Praxistipp | Liegt ein schädlicher Anteilserwerb von mehr als 50 % vor und kommt weder die Konzernklausel nach § 8c Abs. 1 S. 4 KStG, die Stille-Reserven-Klausel nach § 8c Abs. 1 S. 5 ff. KStG bzw. die Sanierungsklausel nach § 8c Abs. 1a KStG zur Anwendung, kann der Verlustuntergang unter den Voraussetzungen des § 8d KStG als fortführungsgebundener Verlustvortrag vermieden werden. Vor der Beschlussfassung über die Abtretung von Gesellschaftsanteilen sollte daher in der Praxis die Anwendung von § 8c KStG geprüft werden.

5.2 Gesellschafterebene

Der erbfallbedingte Übergang von Geschäftsanteilen auf die Erben löst bei diesen als unentgeltlicher Erwerb zunächst keine ertragsteuerlichen Folgen aus. Erst durch die Abtretung an die Gesellschaft oder an andere Personen realisiert der jeweilige Gesellschafter einen Veräußerungsvorgang. Das Veräußerungsentgelt wird den weichenden Erben zugerechnet, die damit auch den Tatbestand der Einkünfteerzielung verwirklichen. Bei der Gewinnermittlung werden nach § 17 Abs. 2 S. 5 EStG die Anschaffungskosten des Rechtsvorgängers zzgl. etwaiger nachträglicher Anschaffungskosten i. S. v. § 17 Abs. 2a EStG berücksichtigt. Ein Gewinn oder Verlust unterliegt dem Teileinkünfteverfahren.

Beachten Sie | Soweit aufgrund einer Einziehungs- oder Abtretungsklausel ein einkommensteuerpflichtiger Veräußerungsvorgang bei den Erben des verstorbenen Gesellschafters realisiert wird, kann zur Vermeidung einer Doppelbelastung mit Einkommen- und Erbschaftsteuer grundsätzlich eine Steuerermäßigung nach § 35b EStG beantragt werden. Danach wird die um sonstige Steuerermäßigungen gekürzte tarifliche Einkommensteuer (keine Anwendung bei Abgeltungsteuer) für solche Einkünfte ermäßigt, die sowohl der tariflichen Einkommensteuer als auch im VZ der Veräußerung oder in den vorangegangenen vier VZ als Erwerb von Todes wegen der Erbschaftsteuer unterlegen haben.

6. Sonstige ertragsteuerliche Auswirkungen

Bestand zu Lebzeiten des verstorbenen Gesellschafters im Verhältnis zur GmbH eine Betriebsaufspaltung, so kann die Einziehungs- oder Abtretungsklausel ggf. zum Wegfall der personellen Verflechtung führen mit der Folge, dass die Betriebsaufspaltung aufgelöst wird und eine Betriebsaufgabe beim Besitzunternehmen eintritt.

Befanden sich die Anteile des verstorbenen Gesellschafters noch in der siebenjährigen Sperrfrist nach § 22 Abs. 1 UmwStG, so löst der erbfallbedingte Anteilsübergang als unentgeltliche Rechtsnachfolge keine Sperrfristverletzung und damit keine rückwirkende Besteuerung eines Einbringungsgewinns I aus. Der Rechtsnachfolger tritt vielmehr nach § 22 Abs. 6 UmwStG in die siebenjährige Sperrfristverhaftung ein (vgl. Ott, GStB 23, 219, 221).

Beachten Sie | Die anschließende Einziehung bzw. Abtretung der Anteile bewirkt jedoch als Veräußerungsvorgang eine Sperrfristverletzung i. S. d. § 22 Abs. 1 S. 1 UmwStG. Nach dem Beispiel in Rn. 22.41 UmwSt-Erlass soll der Einbringungsgewinn I noch vom ursprünglichen Einbringenden (d. h. vom verstorbenen V) zu versteuern sein (so z. B. auch Patt in: Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 22 UmwStG, Rn. 106).

Beispiel

V hat zum 1.1.01 seinen Betrieb (Buchwert: 100.000 EUR, gemeiner Wert: 450.000 EUR) nach § 20 Abs. 2 S. 2 UmwStG gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten zu Buchwerten in die V-GmbH eingebracht und dafür eine Beteiligung von 50 % an der V-GmbH erhalten. Die erhaltenen Anteile mit Anschaffungskosten gem. § 20 Abs. 3 S. 1 UmwStG von 100.000 EUR sind sperrfristbehaftet. Im Januar 03 verstirbt V und seine Anteile an der V-GmbH gehen im Wege der Erbfolge auf seinen Erben E über. Aufgrund einer gesellschaftsvertraglichen Abtretungsklausel hat E die erhaltenen Anteile am 1.7.03 an A gegen eine Abfindung abgetreten.
Lösung: Aufgrund des Erbfalls im Jahr 03 tritt E nach § 22 Abs. 6 UmwStG als Rechtsnachfolger des V in die noch laufende siebenjährige Sperrfrist ein. Die Veräußerung der Anteile an A im Jahr 03 stellt eine Sperrfristverletzung nach § 22 Abs. 1 S. 1 UmwStG dar und löst die rückwirkende Besteuerung des Einbringungsgewinns I bei V aus. Der Einbringungsgewinn I wird nach § 22 Abs. 1 S. 3 UmwStG wegen des Ablaufs eines Zeitjahres um 1/7 gekürzt. Die von A gegen Abfindung erworbenen Anteile sind bei diesem nicht mehr sperrfristverhaftet.
Im Schrifttum wird zu Recht vertreten, dass die Versteuerung des Einbringungsgewinns I beim originär Einbringenden im Widerspruch zur gesetzlichen Fiktion steht, wonach der unentgeltliche Rechtsnachfolger als Einbringender i. S. d. § 20 Abs. 1 bis 5 UmwStG gilt und somit auch den Einbringungsgewinn I zu versteuern hat (vgl. nur Schmitt in: Schmitt/Hörtnagl, UmwG/UmwStG, 10. Aufl. 24, § 22 UmwStG, Rn. 178). Einschlägige Rechtsprechung hierzu existiert allerdings nicht.
Fortsetzung der Lösung: Der Einbringungsgewinn I gilt nach § 22 Abs. 1 S. 4 UmwStG als nachträgliche Anschaffungskosten der sperrfristbehafteten Anteile an der V-GmbH, die bei der Ermittlung des Gewinns aus der Veräußerung der Anteile an der V-GmbH im Jahre 03 bei E zu berücksichtigen sind.
Beachten Sie | Die V-GmbH kann nach § 23 Abs. 2 UmwStG auf Antrag in Höhe des versteuerten Einbringungsgewinns einen steuerneutralen Erhöhungsbetrag in Form einer Buchwertaufstockung (zusätzliches Abschreibungspotenzial) erhalten (vgl. dazu Ott, GStB 23, 27, 30 ff.).

7. Erbschaftsteuerliche Behandlung

Der erbfallbedingte Übergang von GmbH-Anteilen führt bei den Erben grds. zu einem steuerpflichtigen Erwerb i. S. d. § 10 ErbStG. Die Anteile werden dabei nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren i. S. der §§ 199 bis 203 BewG bewertet. Grundsätzlich können der Verschonungsabschlag nach § 13a ErbStG oder die Verschonungsbedarfsprüfung nach § 28a ErbStG in Anspruch genommen werden. Voraussetzung dafür ist nach § 13a Abs. 6 ErbStG, dass der Erbe hinsichtlich der Anteile die Behaltensfrist von fünf bzw. sieben Jahren einhält.

Soweit die ererbten Anteile innerhalb der Behaltensfrist aufgrund einer Einziehungsklausel entgeltlich eingezogen oder aufgrund einer Abtretungsklausel an andere Gesellschafter oder die Gesellschaft abgetreten werden, entfallen die Steuervergünstigungen nach § 13a ErbStG rückwirkend. Von einer rückwirkenden Versteuerung ist jedoch nach § 13a Abs. 6 S. 3 und 4 ErbStG abzusehen, wenn der Veräußerungserlös innerhalb von sechs Monaten in begünstigungsfähiges Vermögen i. S. d. § 13b Abs. 2 ErbStG investiert wird.

Im Falle einer Einziehungs- oder Abtretungsklausel sehen die Gesellschaftsverträge vielfach zur Schonung der Liquidität der Gesellschaft eine sog. Minderabfindung vor, die geringer als der Verkehrswert bzw. der nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren ermittelte Wert ist. Obwohl ein Erbe den Anteil des verstorbenen Gesellschafters zunächst von Todes wegen erwirbt, bestimmt sich im Falle einer Minderabfindung der steuerpflichtige Erwerb nach der Sonderregelung des § 10 Abs. 10 S. 2 ErbStG nur nach der Höhe des Abfindungsanspruchs, wenn der Wert, der sich für den Anteil zur Zeit des Todes des Erblassers nach § 12 ErbStG ergibt, höher ist als der im Gesellschaftsvertrag festgelegte Abfindungsanspruch.

Merke | Voraussetzung für die Anwendung des § 10 Abs. 10 S. 2 ErbStG ist, dass jeweils aufgrund einer im Zeitpunkt des Todes des Erblassers bestehenden Regelung im Gesellschaftsvertrag der Erbe den auf ihn von Todes wegen übergegangenen GmbH-Geschäftsanteil unverzüglich nach dem Erwerb (d. h. in zeitlicher Nähe zum Todestag) an die Mitgesellschafter überträgt oder der Geschäftsanteil von der Gesellschaft eingezogen wird. Auf sachlichen Gründen oder ungewöhnlichen Ereignissen beruhende Verzögerungen sind im Hinblick auf die Unverzüglichkeit unschädlich (vgl. dazu Gottschalk in: Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 10 Rn. 276, Stand: 11/23).

Im Falle einer Minderabfindung wird der Erbe so behandelt, als habe er erbschaftsteuerlich keine GmbH-Anteile erworben, sondern ausschließlich den Abfindungsanspruch. Weil in diesem Fall keine nach § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG begünstigten Anteile übergehen, erübrigt sich beim Erben eine Bewertung der Anteile nach § 12 ErbStG. Die Steuervergünstigungen nach §§ 13a, 13b ErbStG kommen nicht zur Anwendung.

Bei den Mitgesellschaftern, die den Anteil des verstorbenen Gesellschafters gegen Abfindungszahlung erwerben, führt die aufgrund der Minderabfindung bewirkte Werterhöhung der Anteile nach § 7 Abs. 7 S. 2 und S. 3 i. V. m. § 10 Abs. 10 S. 2 ErbStG zu einer Schenkung nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 ErbStG bzw. § 7 Abs. 7 S. 1 ErbStG. Dabei kommt es auf einen Bereicherungswillen nicht an (vgl. R E 10.13 Abs. 2 i. V. m. Abs. 3 S. 2 ErbStR).

Im Fall der Minderabfindung besteht zwischen der Einziehungs- und Abtretungsklausel ein gravierender Unterschied im Hinblick auf die Gewährung der Verschonungsregelungen nach den §§ 13a, 13b, 19a und 28a ErbStG (z. B. bei Beteiligung des verstorbenen Gesellschafters von mehr als 25 % oder bei einer Poolvereinbarung):

  • Im Falle der Abtretungsklausel stehen die vorgenannten Vergünstigungen von vornherein nicht den Erben zu, sondern nach R E 3.4 Abs. 3 S. 4 ErbStR entweder der Gesellschaft (bei Abtretung an die Gesellschaft) oder den anderen Gesellschaftern, die bereichert werden (bei Abtretung an Mitgesellschafter). Die den Anteil des verstorbenen Gesellschafters erwerbenden Mitgesellschafter erhalten begünstigtes Vermögen i. S. v. § 13b ErbStG, sodass nach R E 10.13 Abs. 3 S. 4 ErbStR die oben genannten Steuervergünstigungen bei diesen zur Anwendung kommen. Damit werden zielgerichtet diejenigen Gesellschafter entlastet, die zwecks Vermeidung einer Nachsteuer das Unternehmen fortzuführen haben. Ist Erwerber des Anteils die GmbH, so kommt nach R E 3.4 Abs. 3 S. 6 ErbStR die erbschaftsteuerliche Tarifbegrenzung nicht zur Anwendung, weil von § 19a ErbStG nur natürliche Personen entlastet werden.
  • Im Falle der Einziehungsklausel geht der auf die Erben übergegangene Anteil nach § 34 GmbHG unter und die Erben erhalten einen grundsätzlich der Erbschaftsteuer unterliegenden Abfindungsanspruch. Ist die Abfindung geringer als der sich nach § 12 ErbStG ergebene steuerliche Wert, unterliegt die dadurch eintretende Werterhöhung der Anteile der verbleibenden Gesellschafter nach R E 3.4 Abs. 3 S. 8 ErbStR als Schenkung auf den Todesfall des Erblassers an diese Gesellschafter der Besteuerung. Da die Mitgesellschafter selbst keine Geschäftsanteile erwerben, ist dieser Erwerb nach R E 3.4 Abs. 3 S. 9 ErbStR nicht nach § 13a, 13c, 19a oder 28a ErbStG begünstigt.

Vor diesem Hintergrund sollte von einer Einziehungsklausel Abstand genommen werden und stattdessen – oder zumindest wahlweise – eine Abtretungsklausel in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen werden.

8. Zusammenfassung

Aufgrund der freien Vererblichkeit der Geschäftsanteile beim Tode eines Gesellschafters besteht bei einer mittelständischen GmbH die Gefahr, dass eine Zersplitterung der Anteile und eine Überfremdung der Gesellschafter eintreten kann. Zur gezielten Steuerung der Unternehmensnachfolge sowie zur Sicherung einer größtmöglichen Flexibilität ist daher regelmäßig empfehlenswert, im Gesellschaftsvertrag eine Einziehungs- und/oder Abtretungsklausel vorzusehen.

Während die Einziehung von Anteilen aus Sicht der „weichenden“ Gesellschafter einen Veräußerungsvorgang darstellt, liegt nach der Verwaltungsansicht bei der GmbH eine Kapitalmaßnahme vor. Die Einziehung führt zum Untergang der Anteile, ohne dass die erbschaftsteuerlichen Steuervergünstigungen wie z. B. nach § 13a ErbStG gewährt werden. Dies gilt auch für die Werterhöhung der Anteile der verbleibenden Gesellschafter im Falle einer Minderabfindung. Im Gegensatz dazu bleibt der GmbH-Anteil bei der Abtretung bestehen und wird auf die vorgesehenen Nachfolger gegen Abfindung an die Erben übertragen. Für die „weichenden“ Erben liegt eine Anteilsveräußerung nach § 17 EStG vor. Im Falle einer gesellschaftsvertraglich vorgesehenen Minderabfindung erhalten die den Anteil erwerbenden Mitgesellschafter begünstigtes Vermögen i. S. v. § 13b ErbStG, sodass nach R E 10.13 Abs. 3 S. 4 ErbStR die Steuervergünstigungen nach den §§ 13a ff. ErbStG zur Anwendung kommen.

AUSGABE: GStB 6/2024, S. 217 · ID: 49891759

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