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GewerbesteuerHinzurechnung von Mieten für Standflächen bei Imbissbetrieben im Reisegewerbe

Abo-Inhalt27.05.20246 Min. LesedauerVon Dipl.-Finw. (FH) Gerrit Uphues, LL. M., Köln

| Bereits mit Urteil vom 17.8.23 hatte sich der BFH mit der Hinzurechnung von Aufwendungen eines Anbieters von Ferienimmobilien beschäftigt (vgl. Uphues, GStB 24, 133). Nunmehr hat der BFH ein weiteres Urteil zu § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG veröffentlicht (BFH 12.10.23, III R 39/21). Streitig war die gewerbesteuerrechtliche Behandlung von Mieten für Standflächen bei einem Imbissbetrieb im Reisegewerbe. |

1. Der praktische Fall

Die A-GmbH erbringt mit Verkaufsständen an ständig wechselnden Orten gastronomische Leistungen. Für die Verkaufsstände mietet sie jeweils für einzelne Tage bis hin zu mehreren Wochen Standplätze auf Märkten, Festivals etc. Die Speisen werden in den Ständen selbst zubereitet. Hierfür erforderliche Betriebsmittel wie Wasser und Strom werden vom Vermieter gestellt. Das FA setzte den Gewerbesteuermessbetrag für 2014 und 2015 zunächst erklärungsgemäß fest. Nach einer Betriebsprüfung für die Jahre 2013 bis 2015 erhöhte es die nach § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG hinzuzurechnenden Mieten für langfristige Anmietungen und Standmieten. Der Einspruch der A-GmbH blieb erfolglos. Das FG gab der Klage, mit der die A-GmbH eine Herabsetzung der bei den Hinzurechnungen berücksichtigten Mieten begehrte, insoweit statt, als in den Standmieten nicht offen ausgewiesene, aber tatsächlich angefallene und im Schätzungswege zu ermittelnde Betriebskosten enthalten waren. Im Übrigen wies es die Klage als unbegründet ab. Und der BFH sah die Sache ähnlich.

2. Lösung

2.1 Gewerbesteuerliche Hinzurechnung gem. § 8 Nr. 1 GewStG

Die A-GmbH stellt einen stehenden Gewerbebetrieb i. S. d. § 2 Abs. 1 GewStG dar. Nach § 8 Nr. 1 GewStG in der in den Erhebungszeiträumen 2014 und 2015 geltenden Fassung werden dem Gewinn aus Gewerbebetrieb ein Viertel der Summe aus den dort unter den Buchst. a bis f benannten Aufwendungen hinzugerechnet, soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind und soweit die Summe den Betrag von 100.000 EUR übersteigt. Hinzugerechnet wird dabei auch ein Viertel aus der Hälfte der Miet- und Pachtzinsen (einschließlich Leasingraten) für die Benutzung der unbeweglichen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die im Eigentum eines anderen stehen (§ 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG).

2.2 Die Entscheidung des BFH vom 12.10.23, III R 39/21

Der BFH kam entsprechend der Vorinstanz zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen für eine gewerbesteuerliche Hinzurechnung der Mieten für die angemieteten Standplätze gem. § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG vorliegen. Die Vorinstanz ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Standplätze bei unterstelltem Eigentum der A-GmbH zu deren Anlagevermögen gehört hätten.

Beachten Sie | Die Grundsätze, nach denen sich bestimmt, ob ein Wirtschaftsgut dem Anlagevermögen zuzuordnen wäre, hat der BFH zuletzt im Beschluss vom 23.3.22 (III R 14/21, BStBl II 22, 559, Rz. 18 ff.) ausführlich dargestellt. Der BFH hat u. a. ausgeführt, dass im Rahmen der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung für die Zuordnung eines gemieteten oder gepachteten Wirtschaftsguts zum Anlage- oder Umlaufvermögen das Eigentum des Mieters oder Pächters voraussetzungslos fingiert wird. Entsprechend sei auch die Dauer des fiktiv angenommenen Eigentums auf die tatsächliche Dauer des jeweiligen Miet- und Pachtverhältnisses zu begrenzen. Die auf Basis des fiktiv angenommenen Eigentums vorzunehmende Zuordnung des Wirtschaftsguts müsse den konkreten Geschäftsgegenstand des Unternehmens berücksichtigen und sich so weit wie möglich an den betrieblichen Verhältnissen des Steuerpflichtigen orientieren. Daher kommt es insoweit entscheidend auf die tatsächlichen Feststellungen und die tatsächliche Würdigung des Finanzgerichts an.

Bei Zugrundelegung dieser Rechtsgrundsätze sei das Finanzgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für eine Hinzurechnung der Mietaufwendungen vorliegen. Wegen der Voraussetzungslosigkeit der Eigentumsfiktion komme es – entgegen der Auffassung der A-GmbH – insbesondere nicht darauf an, ob es im Reisegewerbe Vergleichsbetriebe gibt, die mit in ihrem Eigentum stehenden Standplätzen arbeiten, und ob die A-GmbH eine Wahlmöglichkeit zwischen einer Anmietung und einem Erwerb der Standplätze hatte (BFH 8.12.16, IV R 24/11, BStBl II 22, 276, Rz. 16).

Beachten Sie | Der Annahme von Anlagevermögen steht nicht entgegen, dass die Standplätze von der A-GmbH regelmäßig nur für kurze Zeit – nach den Feststellungen des FG für die Dauer von einzelnen Tagen bis hin zu mehreren Wochen – angemietet wurden. Auch eine regelmäßige Anmietung nur für kurze Zeit unterschiedlicher Standflächen bewirkt deren Zuordnung zum (fiktiven) Anlagevermögen, wenn sich die deren wiederholte kurzfristige Anmietung als Surrogat einer langfristigen Nutzung solcher Standflächen darstellt.

Das Finanzgericht hat laut BFH auch den Geschäftsgegenstand der A-GmbH zutreffend berücksichtigt. Die A-GmbH ist schließlich auf die ständige Verfügbarkeit solcher Standflächen angewiesen, da es ihr sonst nicht möglich wäre, ihre Produkte an die Kunden zu verkaufen. Als Reisegewerbetreibende orientiert sich die A-GmbH daran, dass sie ihre Verkaufsstände möglichst häufig auf umsatzstarken Standplätzen aufstellen kann. Insofern ist sie – anders als zum Beispiel ein Produktionsbetrieb, der seine Produkte nur für insgesamt wenige Tage im Erhebungszeitraum auf den dafür vorgesehenen Fachmessen präsentieren will (vgl. dazu BFH 20.10.22, III R 35/21, BFH/NV 23, 714) – nicht auf einen ganz bestimmten Standort angewiesen, sondern kann vergleichbare Standplätze an verschiedenen Orten gegeneinander austauschen. Dabei ist es unerheblich, ob viele Veranstaltungen nicht regelmäßig oder nur in größeren Zeitabständen stattgefunden haben.

Schließlich kam der BFH zu dem Ergebnis, dass die Mietzinsen auch nicht zu den Herstellungskosten der von ihr vertriebenen Produkte gehören; deshalb seien die Mietzinsen auch aus diesem Grund nicht von der Hinzurechnung ausgeschlossen.

Handelsrechtlicher Herstellungskostenbegriff

Der handelsrechtliche Herstellungskostenbegriff ist unabhängig von der Art der Einkünfte und der Art ihrer Ermittlung auch für das Einkommensteuerrecht maßgebend (BFH 30.7.20, III R 24/18, BStBl II 22, 279, Rz. 32). Nach § 255 Abs. 2 S. 1 HGB sind Herstellungskosten die Aufwendungen, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung eines Vermögensgegenstands, seine Erweiterung oder für eine über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstehen. Dazu gehören die Materialkosten, die Fertigungskosten und die Sonderkosten der Fertigung sowie angemessene Teile der Materialgemeinkosten, der Fertigungsgemeinkosten und des Werteverzehrs des Anlagevermögens, soweit dieser durch die Fertigung veranlasst ist (§ 255 Abs. 2 S. 2 HGB). Forschungs- und Vertriebskosten dürfen nicht einbezogen werden (§ 255 Abs. 2 S. 4 HGB). Das Einbeziehungsverbot des § 255 Abs. 2 S. 4 HGB betrifft neben den Einzelkosten des Vertriebs auch die Vertriebsgemeinkosten (Tiedchen in MüKo Bilanzrecht, § 255 HGB Rz. 116, m. w. N).

Der Grund für das Einbeziehungsverbot von Vertriebskosten ist im Vorsichtsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 Hs.  1 HGB) und im Realisationsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 Hs. 2 HGB) zu suchen, da diese Kostenbestandteile von zweifelhafter Werthaltigkeit sind und der eigentliche Wertsprung erst mit der tatsächlichen Umsatzrealisation erfolgt. Daher ist im Abgrenzungsbereich zwischen Herstellungs- und Vertriebskosten der Werthaltigkeit der Kostenbestandteile besonderes Gewicht beizumessen. Ist eine überwiegende Zuordnung zum Fertigungsbereich oder die Werthaltigkeit nicht gegeben, so ist aufgrund der expliziten Regelung in § 255 Abs. 2 S. 4 HGB und des im Bilanzrecht verankerten Vorsichtsprinzips das Einbeziehungsverbot verbindlich. Dies zugrunde gelegt, waren die Mietaufwendungen für die von der A-GmbH für ihre Verkaufsstände genutzten Standflächen nicht als Teil der Herstellungskosten der von ihr verkauften Waren zu qualifizieren.

Fazit | Mit dem Besprechungsurteil bestätigt der BFH seine Rechtsprechung zur Zuordnung angemieteter Wirtschaftsgüter zum (fiktiven) Anlagevermögen. Demnach ist eine Hinzurechnung von Mieten für Standflächen eines im Reisegewerbe tätigen Imbissbetriebs nach § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG unabhängig davon möglich, ob es im Reisegewerbe Vergleichsbetriebe gibt, die mit in ihrem Eigentum stehenden Verkaufsflächen arbeiten. Darüber hinaus betont der BFH, dass auch eine regelmäßig nur für kurze Zeit erfolgende Anmietung von unterschiedlichen Standflächen deren Zuordnung zum (fiktiven) Anlagevermögen bewirkt, wenn sich die wiederholte kurzfristige Anmietung ähnlicher Standflächen als Surrogat einer langfristigen Nutzung solcher Standflächen darstellt. Daneben stellt der BFH im Hinblick auf den Herstellungskostenbegriff klar, dass eine Umqualifizierung von Mieten für Standflächen in Herstellungskosten der angebotenen Produkte ausscheidet, wenn die Aufwendungen bei einer Gesamtbetrachtung unter das Einbeziehungsverbot für Vertriebskosten i. S. d. § 255 Abs. 2 S. 4 HGB fallen.
In der steuerlichen Beratungspraxis sollte eine klare Aufteilung zwischen den Mieten für die Standflächen und den reinen Betriebskosten, z. B. für Wasser, Strom und Heizung, vorgenommen werden, da letztere nicht der Hinzurechnung unterliegen.

Zum Autor | Gerrit Uphues ist in der Finanzverwaltung NRW tätig. Der Aufsatz wurde nicht in dienstlicher Eigenschaft verfasst und gibt die persönliche Auffassung des Autors wieder.

AUSGABE: GStB 6/2024, S. 196 · ID: 49949896

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