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KapitalgesellschaftenErwerb und Veräußerung eigener Anteile bei der GmbH – rechtliche und steuerliche Fallstricke
| Zu einem in der Praxis nicht alltäglich auftretenden Problem gehört der Erwerb eigener Anteile durch eine GmbH sowie deren Weiterverkauf oder Einziehung. Für einen solchen Erwerb eigener Anteile gibt es diverse Anlässe mit sehr unterschiedlichen rechtlichen und steuerlichen Konsequenzen. Welche gesellschaftsrechtlichen Voraussetzungen greifen, wie solche Vorgänge in der Handelsbilanz zu berücksichtigen sind und was man steuerlich beachten sollte, wird nachfolgend im Detail dargestellt. Im Blick haben sollte man dabei auch das BMF-Schreiben vom 27.11.13 (IV C 2 – S 2742/07/10009, BStBl I 13, 1615), auf das sich die nachfolgend angegebenen Rn. jeweils beziehen. |
1. Anlässe für den Erwerb eigener Anteile
Mit dem Erwerb eigener Anteile wird es der GmbH zum einen ermöglicht, überschüssige Liquidität außerhalb einer Gewinnausschüttung auszukehren. Zum anderen kann der Erwerb eigener Anteile von Vorteil sein,
- wenn der Anteilseigner lediglich über eine Streubesitzbeteiligung i. S. v. § 8b Abs. 4 KStG verfügt und erhaltene Ausschüttungen damit von der Steuerbefreiung nach § 8b Abs. 1 i. V. m. Abs. 5 KStG ausgeschlossen sind oder
- für ausländische Anteilseigner, bei denen die Kapitalertragsteuer im Ausschüttungsfall zumindest teilweise definitiv wird. Eine antragsabhängige Ausnahme besteht nur nach der in § 43b EStG umgesetzten EU-Mutter-Tochter-Richtlinie, während ansonsten nach den einschlägigen DBA bei Schachtelbeteiligungen im Umfang von mindestens 25 % die Kapitalertragsteuer regelmäßig auf 5 % bzw. auf 15 % begrenzt wird.
Der Erwerb eigener Anteile kann sich darüber hinaus z. B. ergeben (vgl. Schiffers, GmbHR 14, 74; Blumenberg/Lechner, DB 14, 141), wenn
- infolge einer in der Satzung der GmbH vorgesehenen Abtretungsklausel nach dem Tod eines Gesellschafters, dessen Anteile an andere Gesellschafter oder an die Gesellschaft abgetreten werden;
- im Fall der Kündigung eines Gesellschafters die Satzung der GmbH vorsieht, dass Geschäftsanteile an die Gesellschaft oder einen von dieser zu benennenden Dritten abzutreten sind;
- bei Ausscheiden eines Gesellschafters dessen Anteile vorübergehend von der GmbH erworben und dort „geparkt“ werden, weil z. B. die übrigen Gesellschafter die Anteile nicht erwerben wollen. Sind neue Gesellschafter gefunden, können die „geparkten“ eigenen Anteile an diese veräußert werden.„Parken“ von Anteilen bei Ausscheiden eines Gesellschafters
2. Gesellschaftsrechtliche Rahmenbedingungen
Während die Einziehung von Geschäftsanteilen nach § 34 Abs. 1 GmbHG nur erfolgen darf, soweit sie im Gesellschaftsvertrag zugelassen ist, unterliegt auch der Erwerb eigener Anteile gesellschaftsrechtlichen Einschränkungen:
- Nach § 33 Abs. 1 GmbHG ist sowohl der entgeltliche als auch der unentgeltliche Erwerb von nicht voll eingezahlten Geschäftsanteilen unzulässig.
- Die Kapitalerhaltungsvorschrift des § 33 Abs. 2 GmbHG verlangt, dass der Erwerb eigener Anteile aus dem freien, über das Stammkapital hinausgehenden Vermögen erfolgen muss. Dies setzt voraus, dass in Höhe der Gegenleistung frei verfügbare Rücklagen oder ein Bilanzgewinn vorhanden sein müssen.Regelungen zur Kapitalerhaltung als „Hürde“ zu beachten
Bei einem Verstoß gegen § 33 Abs. 1 GmbHG ist sowohl das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft als auch das dingliche Abtretungsgeschäft nach § 134 BGB nichtig. Dagegen lässt der Verstoß gegen § 33 Abs. 2 GmbHG das Verfügungsgeschäft (Übereignung der Anteile) unberührt, während das Verpflichtungsgeschäft nach Satz 3 nichtig ist. Somit wird bei einem Verstoß gegen § 33 Abs. 2 GmbHG die Übertragung der Geschäftsanteile rückabgewickelt.
Obwohl der Erwerb eigener Anteile – im Gegensatz zur Einziehung – nicht deren Existenz berührt und auch das Stammkapital nicht verändert wird, ruhen die damit verbundenen Stimm- und Gewinnbezugsrechte bis zu einer Weiterveräußerung der Anteile (vgl. BGH 10.1.95, II ZR 45/94, GmbHR 95, 291). Daher werden eigene Anteile als wertlose Vermögensposten angesehen. Zwar kann bei deren Weiterveräußerung ein Entgelt erzielt werden, doch ist zu berücksichtigen, dass eine Zufuhr von frischem Kapital auch durch eine Kapitalerhöhung generiert werden kann. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass durch den Erwerb eigener Anteile nichts Werthaltiges durch die GmbH angeschafft wird, sondern lediglich eine Auskehrung von Eigenkapital an den Anteilseigner erfolgt. Daher verlangt § 33 Abs. 2 GmbHG, dass der Erwerb aus frei verfügbarem Eigenkapital finanziert werden muss.
3. Behandlung in der Handelsbilanz
3.1 Erwerb eigener Anteile
Durch das BilMoG (BGBl I 09, 1102) wurde für nach dem 31.12.09 beginnende Geschäftsjahre der handelsbilanzielle Ausweis beim Erwerb eigener Anteile in § 272 Abs. 1a HGB neu geregelt. Danach ist der Nennbetrag von erworbenen eigenen Anteilen als Nennbetrag eigener Anteile in der Vorspalte offen vom Posten „Gezeichnetes Kapital“ abzusetzen. Der verbleibende Betrag wird als „Ausgegebenes Kapital“ bezeichnet (vgl. Störk/Kliem/Meyer, Beck‘scher Bilanzkommentar, § 272 HGB, Rn. 120 ff.). Anschaffungsnebenkosten sind nach § 272 Abs. 1a S. 3 HGB als Aufwand des Geschäftsjahres zu behandeln. Die vor den Änderungen durch das BilMoG vorgeschriebene Aktivierung mit korrespondierender Bildung einer Rücklage für eigene Anteile kommt seitdem nicht mehr in Betracht. Handelsbilanziell stellt der Erwerb eigener Anteile bei wirtschaftlicher Betrachtung keinen Anschaffungsvorgang dar, sondern eine Kapitalherabsetzung (Gesetzesbegründung zum BilMoG, BT-Drs. 16/16007, 65 f.).
Ist der Kaufpreis (ohne Berücksichtigung von Anschaffungsnebenkosten) höher als der Nennbetrag der eigenen Anteile, vermindert der Unterschiedsbetrag nach § 272 Abs. 1a S. 2 HGB die frei verfügbaren Rücklagen (Gewinnrücklagen und Kapitalrücklage). Im umgekehrten Fall (Kaufpreis ist niedriger als der vom gezeichneten Kapital abzusetzende Betrag) erfolgt eine Erhöhung der frei verfügbaren Rücklagen.
Beispiel | ||
Die X-GmbH mit einem gezeichneten Kapital von 500.000 EUR erwirbt im Jahre 23 eigene Anteile im Nennbetrag von 50.000 EUR für 100.000 EUR. Es fallen Anschaffungsnebenkosten von 2.000 EUR an. Da der Kaufpreis für den Erwerb der eigenen Anteile (100.000 EUR) deren Nennbetrag (50.000 EUR) übersteigt, ist der Unterschiedsbetrag von 50.000 EUR mit den freien Rücklagen zu verrechnen. | ||
| ||
| 500.000 EUR | |
| – 50.000 EUR | |
| 450.000 EUR | |
| 230.000 EUR | |
| – 50.000 EUR | 180.000 EUR |
630.000 EUR | ||
Die Anschaffungsnebenkosten sind als laufender Aufwand des Jahres 23 zu erfassen. |
Folgt im Anschluss an den Erwerb eigener Anteile deren Einziehung, so stellt dies einen bilanz- und ergebnisneutralen Vorgang dar. Der offene Ausweis in der Vorspalte des Postens „Gezeichnetes Kapital“ entfällt nach der Einziehung. Bei einem Erwerb zum Zwecke der Einziehung verlangt § 5 Abs. 3 S. 2 GmbHG, dass die Summe der Nennbeträge aller Geschäftsanteile mit dem Stammkapital übereinstimmen muss. Um einen solchen Gleichlauf herbeizuführen, stehen folgende Maßnahmen zur Verfügung:
- Die Aufstockung der Nennbeträge der verbleibenden Geschäftsanteile,Gleichlauf kann mit diesen Maßnahmen herbeigeführt werden
- ein Gesellschafterbeschluss über die Neubildung eines oder mehrerer Geschäftsanteile oder
- die Herabsetzung des Stammkapitals auf mindestens 25.000 EUR, sofern das Stammkapital zuvor das gesetzliche Mindeststammkapital überschritten hat. Nach § 58 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 GmbHG ist neben einem Gläubigeraufruf die Beachtung des Sperrjahres erforderlich.
Werden die erworbenen eigenen Anteile später wieder veräußert, so wird die offene Absetzung vom gezeichneten Kapital in Höhe des Nennbetrags spiegelbildlich wieder rückgängig gemacht (§ 272 Abs. 1b HGB). Übersteigt der Verkaufserlös den Nennbetrag der eigenen Anteile, erhöht der Differenzbetrag bis zur Höhe des zuvor mit den frei verfügbaren Rücklagen verrechneten Betrags wieder die Rücklagen. Ein verbleibender Differenzbetrag ist gem. § 272 Abs. 1b S. 3 HGB – vergleichbar einem Aufgeld – in die Kapitalrücklage nach § 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB einzustellen. Die Aufwendungen im Zusammenhang mit der Veräußerung sind Aufwand des Geschäftsjahres.
4. Steuerliche Behandlung
4.1 Veräußerungs- und Anschaffungsgeschäft beim Gesellschafter
Zur steuerlichen Behandlung des Erwerbs eigener Anteile hat die Finanzverwaltung im BMF-Schreiben vom 27.11.13 Stellung genommen. Das BMF hat sich der h. M. in der Literatur angeschlossen, wonach die handelsrechtliche Behandlung aufgrund der Maßgeblichkeit auf die Steuerbilanz durchschlägt (vgl. Pung in: Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 8b KStG, Rz. 175). Danach ergibt sich keine korrespondierende Behandlung auf der Gesellschaftsebene und der Ebene des Gesellschafters. Vielmehr gilt:
- Auf der Ebene der GmbH wird der Erwerb eigener Anteile wie eine Kapitalherabsetzung (Rn. 9 bis 12) bzw. die spätere Veräußerung der eigenen Anteile wie eine Kapitalerhöhung (Rn. 13 bis 15) behandelt.
- Im Gegensatz dazu liegt auf der Gesellschafterebene jeweils ein Veräußerungs- bzw. ein Anschaffungsgeschäft vor (Rn. 20 bis 22).
Während nach einer im Schrifttum vertretenen Mindermeinung beim Erwerb eigener Anteile eine Teilliquidation vorliegen soll (vgl. Wollweber/Ruske, GmbHR 15, 785), stellt der entgeltliche Erwerb eigener Anteile aus Sicht des Gesellschafters nach Ansicht der Finanzverwaltung sowie der Rechtsprechung (vgl. FG Rheinland-Pfalz 4.11.15, 1 K 1214/13, rkr., EFG 16, 288) eine Anteilsveräußerung dar. Entsprechendes gilt im Falle der Einziehung von Geschäftsanteilen gem. § 34 GmbHG gegen Abfindung (so auch FG Münster 13.10.16, 9 K 1087/14 K,G,F, EFG 17, 423; Levedag in: Schmidt, EStG, § 17 Rz. 28). Eine Entscheidung des BFH zu dieser Frage liegt bisher nicht vor.
Aufgrund der Qualifikation als Veräußerungsvorgang ergibt sich beim Gesellschafter, der seine Anteile an die GmbH veräußert, eine Besteuerung nach allgemeinen Grundsätzen:
- Für Anteile an einer Kapitalgesellschaft, die im Privatvermögen gehalten werden, ist das Teileinkünfteverfahren anwendbar (§ 17 EStG).
- Bei nach dem 31.12.08 erworbenen und im Privatvermögen gehaltenen Anteilen mit einer Beteiligungsquote von weniger als 1 % wird der Veräußerungsvorgang von § 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG erfasst und unterliegt der Abgeltungsteuer.
- Bei sperrfristbehafteten Anteilen i. S. d. § 22 UmwStG liegt ein schädlicher Veräußerungstatbestand vor, der zur rückwirkenden Besteuerung eines Einbringungsgewinns führen kann.
Oftmals stellen steuerliche Vorschriften auf die Beteiligung am Stammkapital oder auf Stimmrechte ab. In einschlägigen Fällen bleiben eigene Anteile bei der Ermittlung der Beteiligungsquote rechnerisch regelmäßig außer Ansatz (vgl. nur Levedag in: Schmidt, EStG, § 17 Rz. 29). Die maßgebende Beteiligungsquote wird ohne den Nennwert der eigenen Anteile ermittelt. Auch wenn auf Stimmrechte abgestellt wird, bleiben eigene Anteile unberücksichtigt, weil diese kein Stimmrecht vermitteln. Die rechnerische Nichtberücksichtigung eigener Anteile kann somit zu einer Erhöhung der Beteiligungsquote der anderen Anteilseigner führen, wodurch der Erwerb eigener Anteile z. B. folgende steuerliche Konsequenzen auslösen kann:
- Ein Anteilseigner kann in eine beherrschende Stellung bei der GmbH hineinwachsen, was im Zusammenhang mit einer verdeckten Gewinnausschüttung i. S. d. § 8 Abs. 3 KStG von Bedeutung sein kann.Anteilseigner kann in beherrschende Stellung „hineinwachsen“
- Der Anwendungsbereich der Zinsschranke bei schädlicher Gesellschafterfremdfinanzierung kann eröffnet werden (§ 8a Abs. 2 KStG i. V. m. § 4h Abs. 2 S. 1 Buchst. b EStG; § 8a Abs. 3 KStG i. V. m. § 4h Abs. 2 S. 1 Buchst. c EStG).
- Nach Auffassung der Finanzverwaltung stellt der Erwerb eigener Anteile durch die GmbH grundsätzlich einen dem Erwerb nach § 8c Abs. 1 S. 1 KStG vergleichbaren Sachverhalt dar. Gleichwohl liegt ein schädlicher Anteilserwerb nur dann vor, wenn sich dadurch die Beteiligungsquote eines Erwerbers oder einer Erwerbergruppe um mehr als 50 % erhöht (vgl. BMF 28.11.17, IV C 2 – S 2745 – a/09/10002 :004, Rz. 7).
- Schließlich kann die rechnerische Nichtberücksichtigung eigener Anteile dazu führen, dass z. B. für andere an der GmbH beteiligte Gesellschafter die maßgebliche Quote für die Anwendung des gewerbesteuerlichen Schachtelprivilegs nach § 9 Nr. 2a GewStG von 15 % erreicht wird. Entsprechendes gilt für die Quote von 10 %, womit die Anwendung der Streubesitzregelung nach § 8b Abs. 4 KStG vermieden und die Steuerbefreiung von Gewinnausschüttungen nach § 8b Abs. 1 i. V. m. Abs. 5 KStG erreicht werden kann.
- Weiterhin kann erstmals das für eine Organschaft maßgebliche Tatbestandsmerkmal der finanziellen Eingliederung nach § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KStG durch Erreichen der Stimmrechtsmehrheit erfüllt werden.
- Der steuerneutrale qualifizierte Anteilstausch i. S. v. § 21 UmwStG setzt voraus, dass die übernehmende Kapitalgesellschaft nach der Einbringung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft unmittelbar über die Mehrheit der Stimmrechte an der erworbenen Gesellschaft verfügt. Bei der Bestimmung, ob solche mehrheitsvermittelnden Anteile vorliegen, bleiben eigene Anteile außer Ansatz, weil diese kein Stimmrecht vermitteln. Die erforderliche Stimmrechtsmehrheit kann somit ggf. eher erreicht werden.Erforderliche Stimmrechtsmehrheit kann eher erreicht werden
- Schließlich kann der Erwerb eigener Anteile einer GmbH, die über inländischen Grundbesitz verfügt, zu einem steuerbaren Erwerbsvorgang nach §§ 1 Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG führen, wenn hierdurch unmittelbar oder mittelbar mindestens 90 % der Anteile an dieser GmbH in einer Hand vereinigt werden. Dies kann z. B. der Fall sein, wenn eine grundbesitzhaltende GmbH mit zwei Gesellschaftern die Anteile eines der beiden Gesellschafter erwirbt und damit nur noch ein Gesellschafter verbleibt.
4.2 Steuerrechtliche Konsequenzen auf der Ebene der Kapitalgesellschaft
4.2.1 Erwerb der eigenen Anteile
Im Gegensatz zum Gesellschafts- und Bilanzrecht ist im Steuerrecht der Erwerb und die Veräußerung eigener Anteile nicht explizit geregelt. Mit dem BMF-Schreiben vom 27.11.13 folgt die Finanzverwaltung im Hinblick auf die Gesellschaftsebene der wirtschaftlichen Betrachtung des Handelsrechts und behandelt den Erwerb eigener Anteile in Höhe des Nennbetrags wie eine Kapitalherabsetzung unter entsprechender Anwendung von § 28 Abs. 2 KStG.
Entgegen der Verwaltungsansicht hat das FG Münster mit Urteil vom 13.10.16 (9 K 1087/14 K,G,F, EFG 17, 423, rkr.) entschieden, dass eigene Anteile, die nicht zur Einziehung bestimmt sind, auch nach der Einführung des § 272 Abs. 1a HGB als Wirtschaftsgüter anzusehen sind. Somit sind der Erwerb und die Veräußerung eigener Anteile auch auf der Ebene der Kapitalgesellschaft steuerrechtlich als Anschaffungs- und Veräußerungsvorgang zu beurteilen und nicht etwa als Kapitalmaßnahme. Bei einer Kapitalgesellschaft als Veräußerer kommt somit – von den Fällen des § 8b Abs. 7 und 8 KStG abgesehen – die 95%ige Steuerbefreiung nach § 8b Abs. 2 i. V. m. Abs. 3 KStG zur Anwendung, sodass sich keine Auswirkungen auf das steuerliche Einlagekonto ergeben. Das FG Münster hat im Übrigen ausdrücklich offengelassen, ob das handelsrechtliche Aktivierungsverbot eigener Anteile auch für die Steuerbilanz gilt.
Den folgenden Ausführungen liegt dennoch die Verwaltungsauffassung zugrunde, da sich Steuerpflichtige – trotz der bestehenden Rechtsunsicherheit – solange auf das BMF-Schreiben vom 27.11.13 berufen können, bis die Finanzverwaltung ggf. ihre Auffassung ändert oder aufhebt. Soweit das o. a. Urteil des FG Münster vom 13.10.16 zu einer anderen Lösung führt, wird im Folgenden darauf hingewiesen.
Der Erwerb eigener Anteile wirkt sich auf das steuerliche Einlagekonto i. S. d. § 27 KStG – in entsprechender Anwendung des BMF-Schreibens vom 4.6.03 (IV A 2 – S 2836-2/03, BStBl I 03, 366, Rn. 37 ff.) – wie folgt aus:
- Im ersten Schritt erhöht der Nennbetrag der eigenen Anteile im Wirtschaftsjahr des Erwerbs das steuerliche Einlagekonto i. S. d. § 27 KStG. Anders als jedoch bei einer echten Kapitalherabsetzung unterbleibt – abweichend vom Wortlaut des § 28 Abs. 2 S. 1 KStG – die Minderung eines ggf. bestehenden Sonderausweises. Da das Stammkapital tatsächlich nicht gemindert wird, besteht nämlich keine Veranlassung, das im Sonderausweis gespeicherte Ausschüttungspotenzial zu verringern.Im Sonderausweis gespeichertes Ausschüttungspotenzial unverändert
- Im zweiten Schritt verringert sich der Bestand des steuerlichen Einlagekontos nach § 28 Abs. 2 S. 3 KStG in Höhe des Nennbetrags der eigenen Anteile, da insoweit eine Rückzahlung des Nennkapitals vorliegt. Da sich Zugang und Minderung betragsmäßig entsprechen, bleibt dieser gesetzlich nicht vorgesehene Direktzugriff auf das steuerliche Einlagekonto im Ergebnis ohne Auswirkungen.
Entspricht der Kaufpreis für die eigenen Anteile ausnahmsweise ihrem Nennbetrag, so ergeben sich keine weiteren Auswirkungen beim Einlagekonto. In anderen Fällen gilt nach Rn. 9, dass ein den Nennbetrag übersteigender Kaufpreis eine Leistung der Kapitalgesellschaft an den veräußernden Gesellschafter darstellt, die nach den Grundsätzen des § 27 Abs. 1 S. 3 KStG zu einer Minderung des steuerlichen Einlagekontos führt, soweit sie den maßgebenden ausschüttbaren Gewinn übersteigt. Obwohl ggf. der ausschüttbare Gewinn verringert wird, ist insoweit keine KapESt einzubehalten und abzuführen, da der Vorgang beim Gesellschafter als Veräußerung behandelt wird und somit keine Kapitalerträge i. S. v. § 20 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStG vorliegen.
Handhabung der Finanzverwaltung mehr als zweifelhaft |
Bei einer Einziehung eigener Anteile nach deren Erwerb handelt es sich um einen bilanz- und ergebnisneutralen Vorgang, der nach Rn. 16 keine steuerlichen Auswirkungen hat. Werden eigene Anteile ohne einen vorangegangenen Erwerb eingezogen, so gelten die Grundsätze zum Erwerb eigener Anteile mit der Maßgabe, dass die Zahlung eines Entgelts wie eine Kaufpreiszahlung zu behandeln ist. Erfolgt die Einziehung tatsächlich ohne Kapitalherabsetzung, weil z. B. der Nominalwert der verbleibenden Anteile aufgestockt wird, so tritt die fingierte Herabsetzung des Nennkapitals definitiv nicht ein. Für diesen Fall sieht Rn. 17 in entsprechender Anwendung von § 28 Abs. 1 KStG eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln vor. Dies führt zu einer entsprechenden Minderung des steuerlichen Einlagekontos in Höhe eines etwaig vorhandenen Bestands und ggf. zu einem Sonderausweis i. S. v. § 28 Abs. 1 S. 3 KStG (vgl. Dötsch/Werner in: Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 28 KStG, Rz. 194, Stand: 3/23).
Wird beim Erwerb eigener Anteile kein angemessener Kaufpreis gezahlt, so gilt Folgendes:
- Bei einem überhöhten Kaufpreis kann nach Rn. 12 durch den hierdurch entstehenden bilanziellen Aufwand eine vGA an den Gesellschafter vorliegen, die nach allgemeinen Grundsätzen zu behandeln ist. Der Gesellschafter hat insoweit einen Kapitalertrag nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG zu versteuern, die GmbH hat Kapitalertragsteuer einzubehalten.
- Bei einem (angemessenen) Kaufpreis unterhalb des Nennbetrags der eigenen Anteile treten weder Änderungen beim steuerlichen Einlagekonto noch bei einem eventuellen Sonderausweis ein. Die Differenz zwischen dem (höheren) Nennbetrag der Anteile und dem Kaufpreis behandelt die Finanzverwaltung nach Rn. 10 wie eine vereinfachte Kapitalherabsetzung ohne Auszahlung an den Gesellschafter und wendet § 28 Abs. 2 S. 1 KStG entsprechend an. Ein etwa bestehender Sonderausweis wird um den Differenzbetrag bis auf null gemindert, während der übersteigende Differenzbetrag das steuerliche Einlagekonto im Wirtschaftsjahr des Erwerbs der Anteile erhöht.
- Im BMF-Schreiben vom 27.11.13 wird der verbilligte Erwerb eigener Anteile nicht explizit angesprochen. Da eigene Anteile keinen einlagefähigen Vermögensvorteil darstellen, scheidet die Annahme einer verdeckten Einlage aus (vgl. Dötsch/Werner in: Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 28 KStG, Rz. 188 i. V. m. Rz. 183). Die Kaufpreiszahlung führt somit nur zu einer Minderung des steuerlichen Einlagekontos, soweit diese den ausschüttbaren Gewinn übersteigt. Im Übrigen liegt eine Leistung an den Gesellschafter vor, ohne dass die GmbH zum Einbehalt und zur Abführung von Kapitalertragsteuer verpflichtet ist, weil der Vorgang aus der Sicht des Anteilseigners eine Anteilsveräußerung darstellt.Eigene Anteile kein einlagefähiger Vermögensvorteil
Beispiel 1 | |||
Erwerb eigener Anteile zum angemessenen Preis von 300.000 EUR | |||
Ermittlung des ausschüttbaren Gewinns zum 31.12.22 | Fall a) | Fall b) | |
Steuerliches Eigenkapital | 500.000 EUR | 500.000 EUR | |
abzgl. Nennkapital | – 100.000 EUR | – 100.000 EUR | |
abzgl. steuerliches Einlagekonto | – 0 EUR | – 150.000 EUR | |
= ausschüttbarer Gewinn zum 31.12.22 | 400.000 EUR | 250.000 EUR | |
Folgen des Erwerbs eigener Anteile anhand konkreter Zahlen | |||
Fall a) | Nennkapital | Steuerliches Einlagekonto | Ausschüttbarer Gewinn |
Stand zum 31.12.22 | 100.000 EUR | 0 EUR | 400.000 EUR |
Nennbetrag der erworbenen eigenen Anteile | – 50.000 EUR | + 50.000 EUR | |
Auszahlung an Gesellschafter | – 50.000 EUR | ||
Den Nennbetrag der Anteile übersteigender Kaufpreis 300.000 EUR abzgl. 50.000 EUR = 250.000 EUR Minderung des ausschüttbaren Gewinns | – 250.000 EUR | ||
Stand nach Verrechnung zum 31.12.23 | 50.000 EUR | 0 EUR | 150.000 EUR |
Fall b) | Nennkapital | Steuerliches Einlagekonto | Ausschüttbarer Gewinn |
Stand zum 31.12.22 | 100.000 EUR | 150.000 EUR | 250.000 EUR |
Nennbetrag der erworbenen eigenen Anteile | – 50.000 EUR | + 50.000 EUR | |
Auszahlung an Gesellschafter | – 50.000 EUR | ||
Den Nennbetrag der Anteile übersteigender Kaufpreis 300.000 EUR abzgl. 50.000 EUR = 250.000 EUR Minderung des ausschüttbaren Gewinns | – 250.000 EUR | ||
Stand nach Verrechnung zum 31.12.23 | 50.000 EUR | 150.000 EUR | 0 EUR |
Die Beispiele zeigen, dass in beiden Fällen das steuerliche Einlagekonto unverändert bleibt, da sich eine Minderung nur ergibt, soweit ein den Nennbetrag der erworbenen eigenen Anteile übersteigender Kaufpreis höher ist als der ausschüttbare Gewinn zum Ende des vorangegangenen Wirtschaftsjahres. Dies wäre der Fall, wenn der Kaufpreis
- im Fall a) höher als 450.000 EUR bzw.
- im Fall b) höher als 300.000 EUR wäre.
Die Minderung des Einlagekontos ist demnach umso niedriger, je mehr der Kaufpreis aus dem ausschüttbaren Gewinn „finanziert“ werden kann. Weist die GmbH keinen Bestand im Einlagekonto aus, so erfolgt ausschließlich eine Minderung des ausschüttbaren Gewinns, weil das steuerliche Einlagekonto nach § 27 Abs. 1 S. 4 KStG durch Leistungen nicht negativ werden darf.
Zum Teil wird in der Literatur bezweifelt, ob für die Anwendung des § 28 Abs. 2 KStG mangels einer zivilrechtlich wirksamen Kapitalherabsetzung eine gesetzliche Grundlage besteht. Stattdessen wird der Erwerb eigener Anteile ohne Anwendung des § 28 KStG behandelt. Nach § 27 Abs. 1 S. 2 KStG soll die Zahlung für den Erwerb der eigenen Anteile zu einer Verringerung des steuerlichen Einlagekontos führen, soweit dieses rechnerisch auf die erworbenen Anteile entfällt (vgl. Stimpel in: Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 28 Rz. 122 ff). Im Fall b) wäre somit ein Betrag von 75.000 EUR (50 % von 150.000 EUR) beim steuerlichen Einlagekonto zu kürzen. Denn nur ein Direktzugriff auf das steuerliche Einlagekonto führt zu einem konsistenten Endergebnis bei zusammengefasster Betrachtung von Erwerb und Weiterveräußerung der eigenen Anteile (vgl. Schiffers, GmbHR 14, 79, 82).
4.2.2 Veräußerung der eigenen Anteile
Die Veräußerung der eigenen Anteile durch die Gesellschaft stellt nach Rn. 13 bis 15 auf der Ebene der GmbH – im Gegensatz zum normalen Anschaffungsgeschäft auf der Erwerberseite – keinen Veräußerungsvorgang dar, sondern wird – spiegelbildlich zum Erwerb – wie eine gewinnneutrale Erhöhung des Nennkapitals behandelt. Die Folge ist, dass der Kaufpreis bei der Weiterveräußerung der eigenen Anteile nicht unter § 8b Abs. 2 und 3 KStG fällt. Nach anderer und wohl zutreffender Ansicht stellt die Veräußerung eigener Anteile ebenso wie deren Erwerb – zumindest bei einem angemessenen Kaufpreis – ein Veräußerungsgeschäft dar, das von § 8b Abs. 2 i. V. m. Abs. 3 KStG erfasst wird (vgl. z. B. Herlinghaus in: Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 8b Rz. 200).
Die Verwaltungsansicht hat den Vorteil, dass die bei der Weiterveräußerung erhaltene Gegenleistung vollständig steuerbefreit ist. Etwaige Veräußerungskosten mindern in vollem Umfang den steuerlichen Gewinn, weil sie nicht Bestandteil des steuerfreien Veräußerungsgewinns i. S. d. § 8b KStG sind. Offensichtlich ist aber die im BMF-Schreiben vom 27.11.13 vertretene Ansicht nicht mit dem BMF-Schreiben vom 28.4.03 (IV A 2 – S 2750a -7/03, Rn. 15) abgestimmt, weil danach bei der Veräußerung eigener Anteile die Steuerbefreiung nach § 8b Abs. 2 und 3 KStG zur Anwendung kommen soll. Weitere Folge der Annahme einer Kapitalerhöhung ist, dass sich grundsätzlich keine Auswirkungen auf den Bestand des steuerlichen Einlagekontos oder einen bestehenden Sonderausweis ergeben. Das steuerliche Einlagekonto wird nach Rn. 13 nur erhöht, soweit der Kaufpreis den Nennbetrag der eigenen Anteile übersteigt.
Werden eigene Anteile zu einem (angemessenen) Kaufpreis unterhalb des Nennbetrags weiterveräußert, ist der Differenzbetrag zwischen dem Kaufpreis und dem Nennbetrag der Anteile nach Rn. 14 als Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln zu behandeln. In entsprechender Anwendung des § 28 Abs. 1 KStG vermindert der Differenzbetrag den Bestand des steuerlichen Einlagekontos und führt, soweit der Bestand nicht ausreicht, zur Bildung bzw. Erhöhung eines Sonderausweises. In Höhe des Nennbetrags der eigenen Anteile liegt eine ordentliche Kapitalerhöhung vor, sodass sich keine Auswirkungen auf den Bestand des steuerlichen Einlagekontos und den Sonderausweis ergeben. Werden eigene Anteile an einen Gesellschafter zu einem unangemessen niedrigen Kaufpreis veräußert, liegt insoweit eine vGA i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG vor, sodass ggf. Kapitalertragsteuer einzubehalten und abzuführen ist.
4.2.3 Verlagerungseffekt und Gestaltungsmöglichkeiten
Die zahlenmäßigen Auswirkungen der Weiterveräußerung der eigenen Anteile sowie den hierbei eintretenden „Verlagerungseffekt“ zeigt das Beispiel 2.
Beispiel 2 | |||
Entwicklung des steuerlichen Einlagekontos | |||
Fall a) | Nennkapital | Steuerliches Einlagekonto | |
Stand zum 31.12.23 | 50.000 EUR | 0 EUR | |
Veräußerungspreis für die eigenen Anteile | 300.000 EUR | ||
Nennbetrag der eigenen Anteile | – 50.000 EUR | + 50.000 EUR | |
Zugang zum steuerlichen Einlagekonto | – 250.000 EUR | + 250.000 EUR | |
Stand nach Verrechnung | 0 EUR | 100.000 EUR | 250.000 EUR |
Der ausschüttbare Gewinn zum 31.12.24 beträgt: | |||
Steuerliches Eigenkapital | 500.000 EUR | ||
abzgl. Nennkapital | – 100.000 EUR | ||
abzgl. steuerliches Einlagekonto | – 250.000 EUR | ||
= ausschüttbarer Gewinn zum 31.12.24 | 150.000 EUR | ||
Fall b) | Nennkapital | Steuerliches Einlagekonto | |
Stand zum 31.12.23 | 50.000 EUR | 150.000 EUR | |
Veräußerungspreis für die eigenen Anteile | 300.000 EUR | ||
Nennbetrag der eigenen Anteile | – 50.000 EUR | + 50.000 EUR | |
Stand nach Verrechnung: 400.000 EUR | – 250.000 EUR | + 250.000 EUR | |
Stand nach Verrechnung | 0 EUR | 100.000 EUR | 400.000 EUR |
Ermittlung des ausschüttbaren Gewinns zum 31.12.24 | |||
Steuerliches Eigenkapital | 500.000 EUR | ||
abzgl. Nennkapital | – 100.000 EUR | ||
abzgl. steuerliches Einlagekonto | – 400.000 EUR | ||
= ausschüttbarer Gewinn zum 31.12.24 | 0 EUR |
Infolge des Erwerbs und der Weiterveräußerung eigener Anteile ist bei einer Gesamtbetrachtung der Beispiele 1 und 2 ein Betrag i. H. v. 250.000 EUR vom ausschüttbaren Gewinn in das steuerliche Einlagekonto verlagert worden. Im Fall a) ist der ausschüttbare Gewinn auf 150.000 EUR reduziert worden, während im Fall b) der gesamte ausschüttbare Gewinn in das steuerliche Einlagekonto transferiert worden ist. In beiden Fällen wurde somit ein Ausschüttungsvolumen von 250.000 EUR, das vorrangig nach allgemeinen Regeln zu steuerpflichtigen Gewinnausschüttungen geführt hätte, in den steuerneutralen Bereich der Einlagenrückgewähr verlagert. Dieser „Verlagerungseffekt“ kann im Gestaltungswege – zumindest teilweise – auch für die Fälle genutzt werden, in denen eine geleistete Einlage zwar handelsrechtlich als Kapitalrücklage, nicht aber als Zugang im steuerlichen Einlagekonto erfasst worden ist und eine Änderung der entsprechenden Bescheide aufgrund eingetretener Bestandskraft nicht mehr möglich ist (vgl. dazu Ott, DStR 14, 673, mit ausführlichem Zahlenbeispiel).
Beachten Sie | Die Grundlagenfunktion des Feststellungsbescheides nach § 27 Abs. 2 S. 2 KStG verhindert eine nachträgliche Berücksichtigung solcher „vergessener Zugänge“ in Folgebescheiden, soweit nicht eine Berichtigung nach § 129 AO in Betracht kommt (vgl. BFH 8.12.21, I R 47/18, BStBl II 22, 827; vgl. dazu Ott, StuB 22, 822).
Die pragmatische Lösung im BMF-Schreiben vom 27.11.13 mit dem eintretenden Verlagerungseffekt hat teilweise heftige Kritik erfahren. So wird bezweifelt, ob für eine analoge Anwendung des § 28 Abs. 2 KStG beim Erwerb eigener Anteile – mangels einer zivilrechtlich wirksamen Kapitalherabsetzung – eine gesetzliche Grundlage besteht (vgl. Stimpel in: Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, 2. Aufl. 23, § 28 Rz. 122). Andererseits wird mit guten Gründen eine analoge Anwendung befürwortet, weil § 28 Abs. 2 KStG die einzige Vorschrift ist, die Veränderungen beim Nennkapital regelt. Da dort aber nur förmliche Kapitalherabsetzungen angesprochen werden, nicht jedoch der Erwerb und die Veräußerung eigener Anteile i. S. v. § 272 Abs. 1a und 1b HGB, liegt eine planwidrige Regelungslücke vor, die durch analoge Anwendung von § 28 Abs. 2 KStG geschlossen werden kann.
Nach ihrem Sinn und Zweck dienen nämlich die §§ 27 bis 29 KStG letztlich nur der Sicherstellung einer zutreffenden Besteuerung beim Anteilseigner. Letztlich nimmt das BMF-Schreiben vom 27.11.13 aber gesetzlich nicht vorgesehene Anpassungen vor, soweit die Behandlung als wirtschaftliche und nicht als förmliche Kapitalherabsetzung auf der Gesellschaftsebene zu Wertungswidersprüchen mit der Behandlung als Veräußerungsvorgang auf der Ebene der Gesellschaft führt (vgl. Wiese/Lukas, GmbHR 14, 238, 242).
5. Weitere praktische Auswirkungen
Besondere Bedeutung erlangt die Behandlung der Veräußerung eigener Anteile als Kapitalerhöhung in den Fällen des § 8b Abs. 7 und 8 KStG (z. B. Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute bzw. Lebens- und Krankenversicherungen), bei denen – bei Annahme eines Veräußerungsvorgangs – ein Veräußerungsgewinn in vollem Umfang steuerpflichtig wäre. Im Übrigen hat der Erwerb eigener Anteile gegenüber einer Gewinnausschüttung auch Vorteile, wenn diese von ausländischen Anteilseignern erworben werden und das Besteuerungsrecht nach dem jeweiligen DBA für Anteilsveräußerungsgewinne dem ausländischen Ansässigkeitsstaat zugewiesen ist (vgl. Roser, GmbH-StB 14, 55). Wird nämlich für Ausschüttungen an ausländische Gesellschafter z. B. nach § 43b EStG die Quellensteuer nicht auf null reduziert oder bestehen Zweifel, ob der ausländische Gesellschafter die Quellensteuerbegünstigung nach § 50d Abs. 3 EStG erhält, kann ein Erwerb eigener Anteile die vorstehend skizzierten Begünstigungen herbeiführen oder sichern.
Alternativ zum Verkauf an Mitgesellschafter kommt der Erwerb eigener Anteile durch die GmbH auch beim Ausscheiden eines Gesellschafters in Betracht und hat folgende Vorteile (vgl. Schwetlik, GmbH-StB 14, 45):
- Der Kaufpreis für die eigenen Anteile kann ggf. aus der Liquidität der GmbH finanziert werden, ohne dass zuvor eine steuerpflichtige Ausschüttung an den Gesellschafter erfolgen muss, um den Kaufpreis auf der Gesellschafterebene zu finanzieren.
- Die beim Erwerb der eigenen Anteile anfallenden Transaktionskosten sind steuerlich als Betriebsausgabe bei der GmbH abziehbar. Bei einem Anteilserwerb durch die Mitgesellschafter führen Transaktionskosten dagegen zu Anschaffungsnebenkosten auf die erworbenen Anteile und können erst bei einer späteren Veräußerung der Anteile berücksichtigt werden.
- Der Gewinn bei der späteren Weiterveräußerung der eigenen Anteile ist bei der GmbH in vollem Umfang steuerfrei, weil nach der Verwaltungsauffassung § 8b Abs. 2 i. V. m. Abs. 3 KStG nicht greift. Dagegen wäre bei einem Erwerb durch die Gesellschafter ein anschließender Veräußerungsgewinn nach dem Teileinkünfteverfahren zu besteuern, sofern es sich bei den Gesellschaftern um natürliche Personen handelt. Soweit die Ausschüttung des steuerfreien Gewinns aus der Weiterveräußerung der eigenen Anteile, der das steuerbilanzielle Vermögen der GmbH erhöht hat, nach der Verwendungsreihenfolge gem. § 27 Abs. 1 S. 3 KStG aus dem ausschüttbaren Gewinn erfolgt, liegt eine steuerpflichtige Gewinnausschüttung vor. In Höhe der Verwendung des steuerlichen Einlagekontos (Einlagenrückgewähr) ist die Ausschüttung bis zur Höhe der steuerlichen Anschaffungskosten beim Gesellschafter steuerfrei, darüber hinaus jedoch als Veräußerungsgewinn nach § 17 Abs. 4 EStG steuerpflichtig.Gewinn aus dem späteren Weiterverkauf bei GmbH steuerfrei
Der steuerfreie Gewinn aus der Veräußerung der eigenen Anteile könnte den Alt-Gesellschaftern nach Maßgabe des BFH-Urteils vom 28.9.21 (VIII R 25/19, BFH/NV 22, 267) als personenbezogene Rücklage wirtschaftlich zugeordnet werden. Eine solche Zuordnung stellt keinen Gestaltungsmissbrauch i. S. d. § 42 AO dar und führt nach Ansicht des BFH noch nicht zu einem Zufluss bei den Gesellschaftern. Der aufgrund des Erwerbs der Anteile neu eintretende Gesellschafter ist damit an dem von ihm gezahlten Anteilskaufpreis wirtschaftlich nicht beteiligt. Der in der personenbezogenen Rücklage enthaltene steuerfreie Veräußerungsgewinn kann von der GmbH zu einem späteren Zeitpunkt auf Grundlage eines erneuten Gewinnverwendungsbeschlusses an die Alt-Gesellschafter zeitlich inkongruent ausgeschüttet werden (zu dieser gespaltenen bzw. zeitlich inkongruenten Gewinnverteilung vgl. Ott, GStB 23, 64, 71 ff.).
6. Schenkungsteuerliche Konsequenzen
Beim Erwerb eigener Anteile können sich nach der Verwaltungsauffassung auch schenkungsteuerliche Folgen ergeben:
- Erwirbt eine GmbH eigene Anteile zu einem unter dem gemeinen Wert der Anteile liegenden Kaufpreis, liegt nach R E 7.5 Abs. 5 S. 1 ErbStR eine Bereicherung der Gesellschafter vor, die nach § 7 Abs. 7 S. 1 ErbStG schenkungsteuerpflichtig ist.
- Veräußert ein Gesellschafter Anteile an die GmbH zu einem zu niedrigen Kaufpreis, so liegt weder eine freigebige Zuwendung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 oder Abs. 7 S. 1 ErbStG an die Gesellschafter noch an die GmbH vor. Zu prüfen ist jedoch, ob aufgrund der Werterhöhung der Anteile eine Bereicherung anderer Gesellschafter nach § 7 Abs. 8 S. 1 ErbStG eintritt (vgl. R E 7.5 Abs. 10 bis 13 ErbStR). Bei einer solchen Werterhöhung werden nach R E 7.5 Abs. 13 ErbStR die Steuerbegünstigungen nach den §§ 13a, 13c oder § 28a ErbStG nicht gewährt.Weder freigebige Zuwendung an die Gesellschafter noch an die GmbH
- Wird der Anteil eines Gesellschafters nach § 34 GmbHG eingezogen, geht der Anteil unter und der Gesellschafter scheidet durch die Einziehung aus der GmbH aus. Erfolgt die Einziehung zu einer den gemeinen Wert der Anteile nicht deckenden Abfindung, so erhöht die Differenz zwischen dem steuerlichen Wert der Anteile und der Abfindung nach R E 7.5 Abs. 6 ErbStR den Wert der verbleibenden Anteile und gilt als freigebige Zuwendung i. S. d. § 7 Abs. 7 S. 2 ErbStG des ausscheidenden Gesellschafters an die verbleibenden Gesellschafter.Freigebige Zuwendung an verbleibende Gesellschafter prüfen
Steuerliche Folgen und Gestaltungsoptionen im Blick behalten |
AUSGABE: GStB 2/2024, S. 60 · ID: 49778366