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Begünstigungsfähiges VermögenPoolen von Kapitalgesellschaftsanteilen: So kann die steuerbegünstigte Übertragung gelingen
| Beteiligungen an Kapitalgesellschaften können nur dann steuerbegünstigt übertragen werden, wenn die Beteiligung des Schenkers oder Erblassers die Mindestbeteiligung von mehr als 25 % erfüllt. Wird die Mindestbeteiligung nicht erreicht, kann eine Poolung der Anteile mit anderen Gesellschaftern Abhilfe schaffen. Besondere Aufmerksamkeit ist in diesem Zusammenhang § 13a Abs. 6 S. 1 Nr. 5 ErbStG zu widmen, der einen Behaltensfristverstoß vorsieht, wenn die Stimmrechtsbündelung oder die Verfügungsbeschränkung aufgehoben wird. Ein Urteil des FG Hamburg vom 28.9.23 (3 K 124/21) hat hier jüngst für Verunsicherung gesorgt. Dieser Beitrag zeigt Voraussetzungen und Fallstricke solcher Poolvereinbarungen auf und gibt Hilfestellungen, wie eine steuerbegünstigte Übertragung von gepoolten Beteiligungen gelingen kann. |
1. Urteil des FG Hamburg sorgt aktuell für Unsicherheit
Die Einzelheiten zur Poolung von Kapitalgesellschaftsanteilen regelt § 13b Abs. 1 Nr. 3 S. 2 ErbStG. Zu beachten ist insbesondere, dass eine solche Poolung über die gesamte Behaltensfrist beibehalten werden muss, wenn keine Nachversteuerung ausgelöst werden soll. Denn ein „Aufheben“ der Vereinbarung nach § 13a Abs. 5 S. 1 Nr. 5 ErbStG führt zu einem Behaltensverstoß und damit zum Wegfall der Steuerbefreiung nach § 13a ErbStG. In der Literatur ist bislang strittig, wann genau es zu einer solchen „Aufhebung“ kommt, insbesondere ob es dafür einer Handlung des Erwerbers bedarf. Diese Frage stellt sich insbesondere in den Fällen der Konfusion, in denen die gepoolten Anteile bei einem Erwerber vereinigt werden und die Poolung damit implizit endet.
Das FG Hamburg hat nun mit Urteil vom 28.9.23 entschieden, dass die Nachversteuerungsregelung des § 13a Abs. 5 Nr. 5 ErbStG 2009 nicht erwerberbezogen auszulegen ist, d. h., kein Kausalzusammenhang zwischen Erwerberhandeln und Aufhebung der Verfügungsbeschränkung oder Stimmrechtsbündelung erforderlich ist. So stellt die Beendigung der Verfügungsbeschränkung und Stimmrechtsbündelung durch Übertragung sämtlicher der Poolbindung unterfallenden Anteile auf einen Dritten eine Aufhebung i. S. d. § 13a Abs. 5 Nr. 5 ErbStG 2009 dar. Die Revision gegen dieses Urteil ist beim BFH unter dem Az. II R 32/23 anhängig, das Ergebnis darf mit Spannung erwartet werden.
2. Voraussetzungen einer rechtssicheren Poolvereinbarung
Für das Vorliegen einer Poolvereinbarung i. S. d. § 13b Abs. 1 Nr. 3 S. 2 ErbStG ist erforderlich, dass der Erblasser oder Schenker und die weiteren Gesellschafter untereinander verpflichtet sind,
- 1. über die Anteile nur einheitlich zu verfügen oder sie ausschließlich auf andere derselben Verpflichtung unterliegende Anteilseigner zu übertragen und
- 2. das Stimmrecht gegenüber nichtgebundenen Gesellschaftern einheitlich auszuüben.
Eine einheitliche Verfügung in diesem Sinne setzt voraus, dass in der Vereinbarung für die Poolmitglieder die gleichen Verfügungsregeln hinsichtlich der gepoolten Anteile festgelegt sind. Es muss festgelegt sein, dass die Anteile nur an einen bestimmten Personenkreis, z. B. Familienmitglieder, einen Familienstamm oder eine Familienstiftung, übertragen werden dürfen oder dass eine Übertragung der Anteile der Zustimmung der Mehrheit der Poolmitglieder bedarf. Es ist jedoch nicht erforderlich, dass alle Poolmitglieder zum selben Zeitpunkt über ihre Anteile verfügen oder die Anteile auf dieselbe Person übertragen. Als Verfügung im Sinne der Poolregelung gilt die Übertragung des Eigentums an einem Anteil (vgl. R E 13b.6, Abs. 3 und 4 ErbStR). Die bloße Bestellung eines Zuwendungsnießbrauchs oder die Verpfändung des Anteils reichen nicht (vgl. LfSt Bayern 11.8.10, DStR 10, 2134).
Beachten Sie | Alternativ müssen die untereinander verbundenen Anteilsinhaber verpflichtet sein, ihre Anteile ausschließlich auf andere Anteilseigner zu übertragen, die derselben Verpflichtung unterliegen. Es reicht insoweit aus, wenn der Erwerber zeitgleich mit der Übertragung der Poolvereinbarung beitreten muss (vgl. R E 13b.6, Abs. 4 S. 5 ErbStR).
Zudem muss für eine Zusammenrechnung der Anteile mehrerer Gesellschafter als zweite Voraussetzung vorgeschrieben sein, dass die Stimmrechte einheitlich auszuüben sind. Dabei kommt es auf die Verpflichtung zur einheitlichen Stimmrechtsausübung an; die tatsächliche Stimmrechtsausübung ist hingegen nicht maßgebend. Bei der Verpflichtung muss es sich um eine schuldrechtliche Vereinbarung handeln. Nicht ausreichend ist hingegen eine einheitliche Stimmrechtsausübung aufgrund eines faktischen Zwangs, einer moralischen Verpflichtung oder einer langjährigen tatsächlichen Handhabung (vgl. BFH 20.2.19, II R 25/16, BStBl II 19, 779).
Merke | Einheitliche Stimmrechtsausübung bedeutet, dass die Einflussnahme einzelner Anteilseigner zum Zwecke einer einheitlichen Willensbildung zurücktreten muss. Neben der Möglichkeit zur gemeinsamen Bestimmung eines Sprechers oder eines Aufsichts- oder Leitungsgremiums kann die einheitliche Stimmrechtsausübung auch dadurch erreicht werden, dass einzelne Anteilseigner auf ihr Stimmrecht zugunsten der Poolgemeinschaft verzichten. Bei entsprechender Dokumentation bestehen keine Bedenken, die Beschlussfassung der Poolmitglieder zur einheitlichen Stimmrechtsausübung zu der jeweiligen Beschlussfassung in der Sache selbst im Rahmen einer zeitgleichen Gesellschafterversammlung voranzustellen (vgl. R E 13b.6 Abs. 5 ErbStR). |
Zu beachten ist, dass die Poolung nicht über ein Gesamthandsvermögen erfolgen darf, da bei Bildung eines Gesamthandvermögens die Bedingung einer unmittelbaren Beteiligung gem. § 13b Abs. 1 Nr. 3 S. 1 ErbStG verletzt wäre (vgl. BFH 11.6.13, II R 4/12, BStBl II 13, 742). Sollten Anteile an einer Kapitalgesellschaft über eine (vermögensverwaltende) GbR gehalten werden und einer Poolvereinbarung unterfallen, kommt daher keine Steuerbefreiung nach § 13a ErbStG in Betracht. Nach Auffassung des BFH liegt in diesen Fällen kein begünstigungsfähiges Vermögen i. S. d. § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG vor, es fehlt an der Unmittelbarkeit der Beteiligung. In solchen Fällen sollten die Strukturen angepasst werden.
Beispiel |
A und B sind an der AB-GbR beteiligt, die wiederum zu 60 % an der B-GmbH beteiligt ist. B verschenkt seine Beteiligung an seinen Sohn. Eine Steuerbefreiung nach § 13a ErbStG ist nicht möglich, da es an einer unmittelbaren Beteiligung an der Kapitalgesellschaft fehlt. Die Betrachtungsweise nach § 10 Abs. 1 S. 4 ErbStG ändert daran nichts. Diese bezieht sich allein auf den steuerpflichtigen Erwerb. |
Die Poolvereinbarung kann sich aus dem Gesellschaftsvertrag oder aus anderen schriftlichen Vereinbarungen ergeben (vgl. R E 13b.6 Abs. 6 ErbStR). Der BFH akzeptiert in Bezug auf die Verpflichtung zur einheitlichen Stimmrechtsausübung bei entsprechender Nachweisbarkeit sogar die mündliche Form (vgl. BFH 20.2.19, II R 25/16, BStBl II 19, 779). Um die Nachweisbarkeit sicherzustellen, sollten solche Vereinbarungen in der Praxis jedoch stets schriftlich erfolgen. Zudem muss die Poolvereinbarung im Besteuerungszeitpunkt bereits vorliegen (vgl. R E 13b.6, Abs. 6 ErbStR) und muss bis zum Ablauf der fünf- oder siebenjährigen Nachbehaltensfrist Bestand haben.
3. Behaltensfristverstoß durch Aufheben der Poolvereinbarung nach § 13a Abs. 6 S. 1 Nr. 5 ErbStG
3.1 Grundsätze
§ 13a Abs. 6 S. 1 Nr. 5 ErbStG sieht vor, dass der Verschonungsabschlag und der Abzugsbetrag nach Maßgabe des § 13a Abs. 6 S. 2 ErbStG mit Wirkung für die Vergangenheit wegfallen, soweit innerhalb der fünf- (oder siebenjährigen) Behaltensfrist im Fall des § 13b Abs. 1 Nr. 3 S. 2 ErbStG die Verfügungsbeschränkung oder die Stimmrechtsbündelung aufgehoben wird. Anders als im Zusammenhang mit der Begünstigungsfähigkeit der Anteile reicht hier die Aufhebung eines der beiden Merkmale (Verfügungsbeschränkung oder Stimmrechtsbündelung) aus.
Unstreitig liegt eine entsprechende Aufhebung i. S. d. § 13a Abs. 6 S. 1 Nr. 5 ErbStG vor, wenn die Poolgesellschafter mit der dafür vorgesehenen Mehrheit die Aufhebung der Verfügungsbeschränkung oder der Stimmrechtsbündelung beschließen. Da ein Pool als Innengesellschaft den Regelungen der GbR unterliegt, führt zudem das Ausscheiden eines Poolmitglieds zu einer Aufhebung des Pools, sofern in der Poolvereinbarung nichts Abweichendes vereinbart wurde. Das gilt unabhängig davon, ob das Ausscheiden durch Kündigung, Ausschluss oder Versterben erfolgt (vgl. Hennes/Holtz in: Meincke/Hennes/Holtz, ErbStG, § 13a, Rn. 89).
Beachten Sie | Zudem fällt die Begünstigung nach Auffassung der Finanzverwaltung dann weg, wenn ein Poolgesellschafter seine Anteile an andere Poolgesellschafter oder dem Poolvertrag entsprechend an Dritte entgeltlich überträgt oder die Beteiligung der Poolgesellschafter auf 25 % oder weniger sinkt, z. B. infolge einer Kapitalerhöhung oder des Ausscheidens eines oder mehrerer Poolgesellschafter (vgl. R E 13a.17, Abs. 2 ErbStR). Die herrschende Literaturmeinung vertritt hingegen die Auffassung, dass bei einem Absinken des Nennkapitals der im Pool gebundenen Anteile auf 25 % oder weniger kein Wegfall der Begünstigung eintritt. Dies wird damit begründet, dass der Gesetzgeber die Aufrechterhaltung einer Mindestbeteiligung im Pool gerade nicht zur Bedingung für die Begünstigung gemacht hat. Das wäre auch nur konsequent, da auch nichtpoolgebundene Erwerber die 25 %-Quote im Nachgang zur Übertragung nicht einhalten müssen (vgl. u. a. Hennes/Holtz in: Meincke/Hennes/Holtz, ErbStG, § 13a, Rn. 93).
Dagegen geht laut Finanzverwaltung die vorauszusetzende einheitliche Verfügung über die Anteile nicht schon dann verloren, wenn innerhalb der Behaltensfrist ein Gesellschafter an seinem Anteil einen Nießbrauch bestellt und das Stimmrecht beim Nießbrauchbesteller verbleibt oder ein Gesellschafter seinen Anteil verpfändet oder eine Vereinigung aller Anteile bei dem letzten Poolgesellschafter einer Poolgemeinschaft eintritt, weil die Anteile des vorletzten Poolgesellschafters auf ihn übergegangen sind (vgl. R E 13a.17 Abs. 1 ErbStR). Auch sieht die Finanzverwaltung in Einbringungen von Anteilen an Kapitalgesellschaften, die nur aufgrund einer Poolvereinbarung zum begünstigungsfähigen Vermögen zählen, keinen Verstoß gegen die Behaltensregelung, wenn die übernehmende Gesellschaft in gleicher Weise wie der einbringende Erwerber an die Poolvereinbarung gebunden ist (R E 13a.17, Abs. 3 ErbStR).
Beachten Sie | § 13a Abs. 6 S. 1 Nr. 5 ErbStG bezieht sich dabei ausschließlich auf Poolvereinbarungen i. S. d. § 13b Abs. 1 Nr. 3 S. 2 ErbStG. Die Aufhebung von Poolvereinbarungen über Anteile an nachgeordneten Kapitalgesellschaften stellt somit kein nachsteuerrelevantes Ereignis dar (vgl. Claussen/Thonemann-Micker in: BeckOK ErbStG, § 13a, Rn. 365).
3.2 Aufheben ohne Handlung des Erwerbers möglich? – Antwort offen
Das FG Hamburg hat in seinem Urteil vom 28.9.23 (3 K 124/21) entschieden, dass die Poolung der Anteile ohne aktives Handeln des Erwerbers beendet wurde. Denn auf diesen Dritten wurden alle gepoolten Anteile übertragen. Eine Fortsetzung der Poolvereinbarung war demnach nicht mehr möglich. Gegenstand des Verfahrens war die Regelung des § 13a Abs. 5 Nr. 5 ErbStG 2009 (entspricht dem heutigen § 13a Abs. 6 S. 1 Nr. 5 ErbStG).
Der Kläger war Gesellschafter einer GmbH. Mit Stimmbindungs- und Poolvertrag gründeten sein Vater, seine Mutter und seine Schwester eine GbR ohne Gesamthandsvermögen („Poolgesellschaft“), um laut Vorbemerkung des Vertrags „eine Zurechnung der der Poolbildung unterworfenen Gesellschaftsanteile i. S. v. § 13b Abs. 1 Nr. 3 S. 2 ErbStG zu erreichen“. Der Kläger war kein Poolmitglied. Diese gepoolten Anteile wurden in 2014 auf den Kläger im Wege der Schenkung übertragen.
In der Schenkungsteuererklärung begehrte der Kläger eine Steuerbefreiung nach § 13a ErbStG auch für die von seiner Schwester erhaltenen Anteile, da es sich bei den geschenkten Anteilen aufgrund der erfolgten Poolung um begünstigte Anteile i. S. d. § 13b ErbStG 2009 handelte (die Anteile, die er von seinen Eltern erhielt, erfüllten auch ohne die Poolung die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach § 13a ErbStG). Das Finanzamt vertrat dagegen die Auffassung, dass eine Steuerbefreiung nicht in Betracht komme, weil durch die Übertragung sämtlicher dem Poolvertrag unterliegenden Geschäftsanteile durch sämtliche Poolmitglieder die Stimmbindung beendet wurde. Damit trete nach § 13a Abs. 5 Nr. 5 ErbStG 2009 unter Berücksichtigung von R E 13a.10 Abs. 2 Nr. 2 ErbStR 2011 der Wegfall der Begünstigung ein.
Auch darüber hinaus käme laut Finanzamt keine Steuerbefreiung in Betracht, wenn für den von der Schwester übertragenen Anteil eine (rechtsgeschäftliche) Aufhebung der Poolvereinbarung verneint würde, weil dann kein Weg an den §§ 41 und 42 AO vorbeiführen würde. Im vorliegenden Fall habe der Pool absehbar nur für wenige Minuten bestanden und keine andere Funktion als die Ausnutzung der Befreiungsmöglichkeit gehabt. Nachdem der Einspruch erfolglos blieb, legte der Beschenkte Klage beim FG Hamburg ein. Das FG wies diese jedoch als unbegründet ab.
Nach Auffassung des FG hat das Finanzamt die Steuerbefreiung nach § 13a ErbStG für den von der Schwester unentgeltlich auf den Kläger übertragenen Geschäftsanteil der A-GmbH zutreffend nicht gewährt. Grund hierfür ist, dass durch die Übertragung sämtlicher Poolanteile auf den Kläger als Nichtpoolgesellschafter die Poolvereinbarung und damit die Stimmrechtsbündelung und die Verfügungsbeschränkung aufgehoben worden ist. Dadurch greift der Nachversteuerungstatbestand des § 13a Abs. 5 Nr. 5 ErbStG 2009 ein mit der Folge, dass die Steuerbefreiung nach § 13a ErbStG vollständig für diese Schenkung entfällt.
Die Regelung sei nach Aussage des FG Hamburg grammatikalisch nicht eindeutig, weil im Einleitungssatz von S. 1 auf den Erwerber Bezug genommen wird, nicht aber in der Formulierung in Nr. 5. Zum Teil wurde daraus in der Literatur geschlossen, dass die Aufhebung ein aktives Handeln des Erwerbers voraussetzt, durch welches die Poolung beendet wird. Dies bestätigt das FG jedoch nicht und widerspricht damit teilweise der Auffassung der Literatur, die ein aktives Handeln des Erwerbers verlangen (Jülicher in: Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG § 13a Rn. 408; a. A. Geck in: Kapp/Ebeling, ErbStG/SchenkStG, § 13a Rn. 105a). Eine solche Aufhebung der getroffenen Vereinbarung könne zivilrechtlich bei enger Betrachtung lediglich durch mehrseitiges Rechtsgeschäft (Aufhebungsvertrag bzw. Satzungsänderung) und bei weiter Auslegung durch die Kündigung der Poolvereinbarung als einseitiges Gestaltungsrecht herbeigeführt werden (Demuth, KÖSDI 11, 17395).
Im Hinblick auf die Steuerbefreiung von gepoolten Anteilen nach § 13a ErbStG ist zunächst zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Begünstigung vorliegen (vgl. § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG). Dafür muss die notwendige Beteiligungshöhe zum Zeitpunkt der Schenkung bzw. des Erwerbs von Todes wegen vorliegen. Diese Mindestbeteiligung kann auch durch eine wirksame Poolung herbeigeführt werden. An dieser Voraussetzung fehlte es im vorliegenden Fall nicht. Denn im Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung lag (noch) eine wirksame Poolvereinbarung mit Stimmrechtsbündelung und Verfügungsbeschränkung vor. Entgegen der Auffassung des Finanzamts sah das Gericht hier auch keine Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei dem Stimmbindungs- und Poolvertrag um ein Scheingeschäft (§ 41 Abs. 2 AO, § 117 BGB) gehandelt haben könnte. Auch einen Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten i. S. v. § 42 AO sah das Gericht nicht. Der Umstand, dass die vorliegende Gestaltung die Inanspruchnahme der Steuerbefreiungsvorschrift des § 13a Abs. 1, 2 ErbStG 2009 i. V. m. § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG 2009 ermöglichte, führt nicht zu einer Unangemessenheit der Gestaltung. Vielmehr verwirklicht sich hierdurch gerade ein vom Gesetzgeber ausdrücklich vorgesehener steuerlicher Vorteil – so das FG Hamburg.
Voraussetzung für die tatsächliche Steuerbefreiung der Übertragung der gepoolten Anteile ist sodann, dass die Stimmrechtsbindung auch über die Behaltensfrist beibehalten wird, mithin kein Anwendungsfall des § 13a Abs. 5 Nr. 5 ErbStG 2009 a. F. vorliegt. Nach dieser Regelung fallen Verschonungsabschlag und Abzugsbetrag rückwirkend weg, „soweit innerhalb von fünf Jahren im Fall des § 13b Abs. 1 Nr. 3 S. 2 ErbStG a. F. die Verfügungsbeschränkung oder die Stimmrechtsbündelung aufgehoben wird“. Diese Voraussetzung liegt laut FG Hamburg im Streitfall vor. Denn hier wurde durch die Übertragung sämtlicher der Poolbindung unterliegender Geschäftsanteile auf den Kläger als Nichtpoolmitglied sowohl die Verfügungsbeschränkung als auch die Stimmrechtsbündelung aufgehoben.
Unerheblich sei dabei, dass der Kläger insoweit nicht selbst besonders tätig geworden ist. Auch wenn der Wortlaut des § 13a Abs. 5 Nr. 5 ErbStG 2009 grammatikalisch nicht eindeutig ist, ist der Nachversteuerungstatbestand nicht erwerberbezogen, sondern personenneutral auszulegen. Eine rechtsgeschäftliche Verfügung ist nach Auffassung des Senats keine Voraussetzung für die Aufhebung der Stimmrechtsbindung. Diese Einschränkung findet weder eine Stütze in den Gesetzesmaterialien (BT-Drucksache 16/7918, S. 34) noch im Sinn und Zweck der Norm, der die Ernsthaftigkeit und Nachhaltigkeit der die Begünstigung begründenden Poolverpflichtung gewährleisten soll (Hannes/Holtz in: Meincke/Hannes/Holtz, § 13a Rn. 92).
Nach Auffassung des FG fällt damit unter „Aufhebung“ jegliche Beendigung der Verfügungsbeschränkung oder der Stimmrechtsvereinbarung (so auch Geck in: Kapp/Ebeling, ErbStG/SchenkStG, § 13a Rn. 105). Eine solche kann eintreten, wenn die Poolgesellschaft als Innen-GbR ohne Fortsetzungsklausel errichtet wurde und ein Poolmitglied die Gesellschaft kündigt, das Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet wird oder dessen Tod zur Auflösung der Gesellschaft und damit zur Aufhebung der Verfügungsbeschränkung und der Stimmrechtsbündelung i. S. d. § 13a Abs. 6 S. 1 Nr. 5 ErbStG führt. Entsprechendes gilt auch in den Fällen der Konfusion, d. h., wenn sämtliche Poolanteile auf einen Dritten übertragen werden. Dabei komme es nicht darauf an, ob es sich um eine gesetzliche oder um eine rechtsgeschäftliche Folge handelt.
3.3 Auswirkungen auf die Praxis (Probleme und Lösungsmöglichkeit)
Laut FG Hamburg führt jegliches Aufheben der Poolvereinbarung (entweder der Verfügungsbeschränkung oder der Stimmrechtsbündelung) zu einem Verstoß gegen die Behaltensfrist i. S. d. § 13b Abs. 6 S. 1 Nr. 5 ErbStG. Dies gilt unabhängig von einem aktiven Handeln des Erwerbers. Diese strenge Rechtsauffassung sollte in der Praxis berücksichtigt werden. Im Zweifel sollte durch die Zurückbehaltung von „Zwerganteilen“ der Fortbestand der Poolvereinbarung sichergestellt werden (dazu auch Dorn, ZEV 24, 331).
Beachten Sie | Insoweit stellt sich auch die Frage, ob und inwieweit die Finanzverwaltung an der in den Erbschaftsteuerrichtlinien enthaltenen Ausnahmeregelung festhalten wird. Mit dieser gewährt sie bislang u. a. eine Ausnahme für den Fall der Konfusion, bei welchem es zu einer Vereinigung aller Anteile beim letzten Poolgesellschafter einer Poolgemeinschaft kommt. Insoweit würde es in diesem Sonderfall der Konfusion zu keinem Verstoß gegen die Nachbehaltensfrist kommen.
Über diese nunmehr in R E 13a.17 Abs. 1 Nr. 3 ErbStR enthaltene Ausnahmeregelung musste das FG Hamburg nicht entscheiden. Es hat jedoch klargestellt, dass es die in der Literatur vertretene Ansicht nicht teilt, dass es letztlich auf die Situation des Erwerbers ankomme und der Nachversteuerungstatbestand in den Fällen nicht eingreife, in denen dem Letzterwerber mit dem Erwerb der Anteile vom vorletzten Poolmitglied so viel Einfluss in der Gesellschaft bleibe, wie der Pool ursprünglich vermittelt habe (Verweis des Gerichts auf Schmidt, Nachfolgebesteuerung, § 13a Rn. 103). Es genüge auch nicht, dass der Erwerber innerhalb der Nachsteuerfrist einen Tatbestand erfülle, wonach er die Verschonung auch dann hätte in Anspruch nehmen können, wenn diese Voraussetzungen am Stichtag des unentgeltlichen Erwerbs vorgelegen hätten (so Geck in: Kapp/Ebeling, § 13a Rn. 105) bzw. in denen er die Mindestbeteiligungsvoraussetzungen und die unternehmerischen Einflussmöglichkeiten nunmehr in seiner Person erfülle (Verweis auf Lahm/Zikesch, DB 09, 527).
Erfreulich ist, dass das FG Hamburg der Anwendbarkeit von §§ 41, 42 AO eine Absage erteilt hat, sodass Poolvereinbarungen grundsätzlich ohne Mindestlaufzeit abgeschlossen werden können (so bereits Demuth, KÖSDI 11, 17386). Welche Auswirkungen das Urteil darüber hinaus für die Praxis haben wird, bleibt aber der beim BFH anhängigen Revision (II R 32/23) vorbehalten.
Anteile sollten unmittelbar gehalten werden Fazit | Die Poolung von Anteilen an Kapitalgesellschaften ist eine wichtige Gestaltungsmöglichkeit, damit unmittelbar gehaltene Anteile an Kapitalgesellschaften überhaupt als begünstigungsfähiges Vermögen i. S. d. § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG die Steuerbefreiung nach § 13a ErbStG in Anspruch nehmen können, wenn der Erblasser bzw. Schenker die notwendige Mindestbeteiligung von mehr als 25 % nicht erfüllt. Die dafür geltenden Grundsätze über die Vereinbarung der Poolvereinbarung sollten unbedingt beachtet werden. Insbesondere sollten die Anteile weiterhin als unmittelbare Beteiligungen gehalten werden. Besondere Aufmerksamkeit ist in diesem Zusammenhang § 13a Abs. 6 S. 1 Nr. 5 ErbStG zu widmen, der einen Behaltensfristverstoß vorsieht, wenn die Stimmrechtsbündelung oder die Verfügungsbeschränkung aufgehoben wird. Nach Auffassung des FG Hamburg führt dabei jegliche Beendigung der Verfügungsbeschränkung oder der Stimmrechtsvereinbarung zu einer solchen „Aufhebung“. Bislang hatte man gehofft, dass ohne ein aktives Handeln des Erwerbers keine „Aufhebung“ herbeigeführt werden kann und jedenfalls die Konfusion der gepoolten Anteile keine Nachversteuerung auslöst. Es bleibt abzuwarten, wie der BFH hier im Revisionsverfahren entscheidet. Wünschenswert wäre hier eine weniger strenge Auslegung zugunsten der Steuerpflichtigen, da andernfalls allein für die Vermeidung eines Verstoßes gegen die Behaltensfrist Anteile zurückbehalten werden müssten (Demuth, KÖSDI 21, 17386) und somit eine Übertragung gepoolter Anteile auf eine Person nicht begünstigungsfähig wäre. Das dürfte mit dem Sinn und Zweck der Regelung der §§ 13b Abs. 1 Nr. 3 S. 2 und 13a Abs. 6 S. 1 Nr. 5 ErbStG wohl nicht vereinbar sein. Insoweit könnte berücksichtigt werden, ob der Begünstigte dann die gepoolten Anteile auch im Besitz hat und einheitlich über diese verfügen und sein Stimmrecht ausüben kann, was im Grundsatz bereits durch die Behaltensregelung nach § 13a Abs. 1 S. 1 Nr. 4 ErbStG abgedeckt ist. |
AUSGABE: ErbBstg 8/2024, S. 196 · ID: 50036888