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Neue Standards und neue HerausforderungenPrüfung von Nachhaltigkeitsberichten nach ESRS unter ISSA 5000
| Mit der Verabschiedung des „International Standards on Sustainability Assurance (ISSA) 5000“ im November 2024 hat die Zukunft der einheitlichen Prüfung von Nachhaltigkeitsberichten Gestalt angenommen. Damit können die Wirtschaftsprüfer ihren Teil zum Erfolg der neuen, gerade beginnenden Ära der Nachhaltigkeitsberichterstattung beitragen. |
Inhaltsverzeichnis
1. Nachhaltigkeitsberichterstattung im Fokus
Mit der Einführung der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und der verbindlichen Anwendung der European Sustainability Reporting Standards (ESRS) hat sich die Landschaft der Nachhaltigkeitsberichterstattung in Deutschland und den anderen EU-Ländern grundlegend verändert.
Dass nach dem Ende der Ampelkoalition in Berlin nun mit knapp zwei Jahren Verspätung festgestellt wird, dass die notwendige, grüne Transformation der Wirtschaft nicht ohne Anstrengungen umzusetzen ist, ändert daran wenig.
Eine in den kommenden Jahren stark wachsende Zahl von Unternehmen ist nicht nur verpflichtet, umfassende Nachhaltigkeitsinformationen bereitzustellen, sondern diese auch prüfen zu lassen. Dabei kommen unterschiedliche Standards ins Spiel: der zuletzt vor gut zehn Jahren überarbeitete „International Standard on Assurance Engagements (ISAE) 3000 (Revised)“, der einen einheitlichen Rahmen für die unterschiedlichsten Prüfungsleistungen außer Jahres- und Konzernabschlussprüfungen bereitgestellt hat und auch für die meist freiwillige Prüfung von Nachhaltigkeitsinformationen herangezogen wurde, der ISAE 3410 zur Prüfung von Aussagen über Treibhausgase und eben der neue ISSA 5000. Dieser Artikel beleuchtet die Prüfungsanforderungen und zentralen Unterschiede zwischen den Standards und zeigt auf, welche Auswirkungen die Neuerungen insbesondere in Deutschland haben.
2. Die ESRS und ihre Prüfungsanforderungen
Die ESRS geben einen umfassenden Rahmen für die Berichterstattung zu Umwelt-, Sozial- und Governance-Themen (ESG) vor. Sie setzen auf die „doppelte Wesentlichkeit“, die sowohl die Auswirkungen eines Unternehmens auf Umwelt und Gesellschaft als auch die Rückwirkungen externer Faktoren auf das Unternehmen berücksichtigt.
Neben der eigenen Geschäftstätigkeit ist dabei auch die gesamte Wertschöpfungskette zu berücksichtigen und zu allen als wesentlich eingestuften Nachhaltigkeitsaspekten sind grundsätzlich auch Ziele darzustellen, die sich das berichtende Unternehmen kurz-, mittel- und langfristig gesetzt hat sowie Konzepte und Maßnahmen samt Finanzierung zu benennen, mit denen die Ziele erreicht werden sollen.
Diese Anforderungen haben direkte Konsequenzen für die Prüfungspraxis:
- Qualitative und quantitative Inhalte müssen gleichermaßen geprüft werden.
- Prognosen und Schätzungen sind verstärkt in die Prüfung einzubeziehen.
- Datenherkunft und Nachvollziehbarkeit auch nichtfinanzieller Daten gewinnen an Bedeutung.
- Vergleichbarkeit und Transparenz stehen im Mittelpunkt der Berichterstattung.
- Durch die elektronische Auszeichnung der Informationen werden Prüfungshandlungen (noch) technischer.
Für Wirtschaftsprüfer ergibt sich die Herausforderung, die Konsistenz und Glaubwürdigkeit dieser Berichte zu beurteilen – eine Aufgabe, die durch die Anwendung von Prüfungsstandards unterstützt wird.
3. Die Rolle der Prüfungsstandards: ISAE 3000 (Revised), ISAE 3410 und ISSA 5000
Der ISAE 3000 (Revised) ist ein allgemeiner Prüfungsstandard, der für viele Zwecke, u. a. auch für die Prüfung von Nachhaltigkeitsinformationen, herangezogen werden kann. Dies war bis heute regelmäßig der Fall, vor allem in EU-Ländern, in denen anders als in Deutschland Nachhaltigkeitsberichte auch bisher schon prüfungspflichtig waren. Er definiert die Grundprinzipien und Verfahren für Prüfungsaufträge, bietet jedoch keine spezifischen Leitlinien für Nachhaltigkeitsberichte. Als Vorteil kann die hohe Flexibilität bei der Anwendung gesehen werden. Nachteil ist aber die fehlende Detailtiefe für spezifische ESG-Themen.
Der Standard ISAE 3410 wurde speziell für die Prüfung von Treibhausgasberichten entwickelt. Er bietet klare Vorgaben für die Prüfung von Emissionsdaten und war bisher, insbesondere für Unternehmen mit umfangreichen Klimaberichten, relevant. Allerdings greift er für die umfassenderen Anforderungen der ESRS zu kurz und wird vermutlich in absehbarer Zeit aufgehoben werden (basis for conclusions: ISSA 5000 and conforming and consequential amendments to other IAASB standards arising from ISSA 5000, par 19).
Der neue ISSA 5000 ist der erste global einheitliche Standard für die Prüfung von Nachhaltigkeitsberichten. Mit der Entwicklung dieses Standards wurde auf die erheblich gestiegene Bedeutung von Nachhaltigkeitsberichten reagiert. Es ist zu vermuten, dass die Nachhaltigkeitsberichterstattung zukünftig gleichwertig mit der finanziellen Berichterstattung in Jahres- und Konzernabschlüssen sein wird. Der ISSA 5000 kombiniert die Flexibilität von ISAE 3000 mit spezifischen Anforderungen an Nachhaltigkeitsthemen und ist neben anderen Rahmenwerken insbesondere auch auf die Bedürfnisse der ESRS abgestimmt:
- Berücksichtigung der doppelten Wesentlichkeit – ISSA 5000 geht detaillierter auf qualitative Informationen ein.
- Einbindung von Nachhaltigkeitskriterien – Der Standard ist an verschiedene Berichtsrahmen (neben den ESRS z. B. auch an die Standards der GRI und des ISSB) anpassbar.
- Professionelle Unabhängigkeit – Er ermöglicht die Anwendung durch nicht-wirtschaftsprüfende Fachleute, solange ethische und Qualitätsstandards eingehalten werden. Dies entspricht einem Wahlrecht, das in der CSRD den EU-Mitgliedstaaten eingeräumt wurde.
- Skalierbarkeit der Prüfungssicherheit – ISSA 5000 sieht parallel Regelungen für eine Prüfung mit begrenzter und hinreichender Sicherheit vor.
Es wird daher auch erwartet, dass die EU zukünftig für die Prüfung von Nachhaltigkeitsberichten die Anwendung des ISSA 5000 zwingend vorschreibt, um auch über die Prüfung nach einheitlichen Standards die Vergleichbarkeit der Nachhaltigkeitsberichte weiter zu fördern. Die CSRD sieht die Anerkennung eines verpflichtend anzuwendenden Prüfungsstandards durch die EU spätestens für das Jahr 2026 vor.
Die Beratungen über Stellungnahmen und Änderungsvorschläge hat von der Veröffentlichung der ersten Fassung des ISSA 5000 bis zur Verabschiedung rund ein Jahr in Anspruch genommen. Dies hat dazu geführt, dass die finale Version stärker die Anwendbarkeit für Unternehmen unterschiedlicher Größen und Komplexitäten betont. Dies war ursprünglich weniger klar formuliert. Daneben sind in der endgültigen Fassung spezifische Vorgaben zur doppelten Wesentlichkeit und zur Behandlung qualitativer Informationen enthalten, während anfangs das Thema Wesentlichkeit nur allgemein behandelt wurde. Zusätzlich wurden die Anforderungen an ethische Standards und Qualitätsmanagement präzisiert.
Dies schafft Klarheit für mögliche Anwender aus nicht-wirtschaftsprüfenden Berufen, wobei bisher nach dem Regierungsentwurf des CSRD-Umsetzungsgesetz in Deutschland vorgesehen ist, dass ausschließlich Wirtschaftsprüfer mit Nachhaltigkeitsprüfungen beauftragt werden können.
Schließlich bietet die finale Version detailliertere Leitlinien zur Erstellung von Prüfberichten, insbesondere zur Darstellung von begrenzter Sicherheit und hinreichender Sicherheit. Begrenzte Sicherheit bedeutet dabei, dass der Prüfer keine Anhaltspunkte dafür festgestellt hat, dass der Nachhaltigkeitsbericht wesentliche fehlerhafte Darstellungen enthält (negativ formuliertes Prüfungsurteil). Bis 2026 sind Prüfungsurteile über Nachhaltigkeitsberichte „nur“ mit begrenzter Sicherheit abzugeben. Bei einem Prüfungsurteil mit hinreichender Sicherheit bestätigt der Prüfer hingegen, dass der Nachhaltigkeitsbericht allen Anforderungen des Gesetzes bzw. der ESRS entspricht (positiv formuliertes Prüfungsurteil).
4. Die Rolle wirksamer interner Kontrollen für die Nachhaltigkeitsberichterstattung
Inhaltlich ist es für die Ersteller von Nachhaltigkeitsberichten dabei wichtig, zu wissen, dass der Nachhaltigkeitsprüfer unabhängig vom Prüfungsstandard nicht jeden angegebenen Datenpunkt vollumfänglich bis zum letzten Beleg prüfen wird, um zu seinem Prüfungsurteil zu gelangen.
Es würde den zeitlichen Umfang und den Prüfungsaufwand nämlich unverhältnismäßig erhöhen, wenn sich der Prüfer beispielsweise bei der Angabe des Energieverbrauchs und Energiemix nach E1-5, sämtliche Stromrechnungen aller Betriebsstätten oder Tochtergesellschaften vorlegen lassen würde, um daraus die ermittelte, bezogene Strommenge in MWh und die Aufschlüsselung nach den unterschiedlichen Quellen vollständig und lückenlos nachzuvollziehen.
Der Prüfer wird sich stattdessen sinnvollerweise fragen, wie der Prozess zur Ermittlung und Aufschlüsselung des Energieverbrauchs gestaltet ist. Dabei wird es hauptsächlich darum gehen, festzustellen, durch welche internen Kontrollen sichergestellt ist, dass der betreffende Datenpunkt zutreffend ermittelt wurde. Die Wirksamkeit dieser manuellen oder automatischen Kontrollen ist dann vom Prüfer zu würdigen bzw. zu testen. Kommt der Prüfer zum Ergebnis, dass die internen Kontrollen wirksam sind, kann er seine aussagebezogenen Prüfungshandlungen entsprechend einschränken.
Derartige Prüfungen des internen Kontrollsystems sind auch bei Jahres- und Konzernabschlüssen schon seit Langem zentraler Bestandteil fast aller Prüfungsprogramme und sind fester Bestandteil des risikoorientierten Prüfungsansatzes.
Auch bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung sollte daher der Prozess der Datenerhebung und -validierung von vornherein mitgedacht und zweckmäßig gestaltet werden und geeignete, wirksame interne Kontrollen umfassen.
Das interne Kontrollsystem ist auch von Bedeutung für die Prüfung des Nachhaltigkeitsberichts. Hier ist insbesondere ein Unterschied bei den Prüfungshandlungen zwischen den beiden verschiedenen Prüfungsurteilen zu sehen: Zur Abgabe eines Prüfungsurteils mit begrenzter Prüfungssicherheit wird sich der Prüfer mit den Prozessen an sich beschäftigen und hier Prozess- aufnahmen durchführen. Bereits dieser Schritt der Aufbauprüfung kann im Kontext der ESRS-Datenpunkte einen komplexeren Prüfungsprozess nach sich ziehen, wenn man an das obige Beispiel der Daten zum Energiemix denkt.
Die Funktionsfähigkeit der Kontrollen, die es hier ebenfalls zu implementieren gilt, werden in der Regel erst Gegenstand der Prüfung mit hinreichender Prüfungssicherheit sein. Damit werden umfangreichere Funktionstests erst bei späteren Prüfungen für den Nachhaltigkeitsprüfer relevant. Bei der Vielzahl an Datenpunkten ist es jedoch ratsam, für das berichtspflichtige Unternehmen Kontrollen für den Datenfluss zeitnah zu implementieren. Hier können oft Software-Tools eine gute Lösung für die Dokumentation sein, wenn entsprechende Anforderungen der Prüfer, u. a. an Freigabe- und Änderungsprozesse, berücksichtigt werden.
5. Praktische Herausforderungen und Lösungsansätze
Die Umsetzung der neuen Anforderungen stellt die Prüfer, die ohnehin schon intensiv um Nachwuchs für den Berufsstand werben müssen, vor erhebliche Herausforderungen. Dies gilt verstärkt, weil die Finanzierung von Investitionen in die grüne Transformation der Wirtschaft nicht zuletzt von ihrem Urteil über die Nachhaltigkeitsberichte abhängen wird. Dabei geht es besonders um:
- Datenverfügbarkeit – Die Prüfung von qualitativen Informationen bleibt komplex.
- Interdisziplinarität – Prüfer müssen zunehmend auf Experten aus anderen Bereichen zurückgreifen.
- Technische Anforderungen – Die Integration digitaler Prüfungsmethoden wird wichtiger. Kenntnisse der gängigen ESG-Softwarelösungen sind nötig.
Um diesen Herausforderungen gerecht zu werden, zeichnen sich folgende Lösungsansätze ab:
- Verstärkte Aus- und Fortbildung sowie Spezialisierung im Bereich ESG. Dies wird sich für angehende Wirtschaftsprüfer schon im Berufsexamen auswirken. Aber selbst gestandene Wirtschaftsprüfer müssen nachweisen, dass sie sich die notwendigen ESG-Kenntnisse angeeignet haben.
- Nutzung digitaler Tools für Datenanalysen und Nachverfolgung.
- Zusammenarbeit mit Fachleuten aus Umwelt- und Sozialwissenschaften.
Paradigmenwechsel in der Prüfungspraxis |
AUSGABE: BBP 2/2025, S. 44 · ID: 50287080