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WettbewerbsrechtBGH-Urteil zur Preisbindung: Viel Lärm um Altes
| Mit Urteil vom 17.07.2025 (Az. I ZR 74/24, Abruf-Nr. 249373) hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass eine Werbeaktion von DocMorris aus den Jahren 2012/2013 nach damaliger Rechtslage nicht zu beanstanden war. Der BGH stützt seine Bewertung dabei auf das einschlägige Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 19.10.2016 (Az. C-148/15). In diesem wurde die nationale Preisbindung für EU-ausländische Apotheken bereits als verfassungs- und europarechtswidrig erklärt. Damit endet ein jahrelanger juristischer Altstreit. Doch was bedeutet dieses Urteil aktuell für Apotheken? |
Anlass des Verfahrens
Ausgangspunkt des Rechtsstreits war eine Marketingaktion eines Tochterunternehmens von DocMorris im Jahr 2012, mit der folgendes Angebot beworben wurde: „3 Euro Bonus pro verschreibungspflichtigem Medikament, maximal 9 Euro pro Rezept, zusätzliche Prämien bei Teilnahme an einem Arzneimittelcheck“. Der Bayerische Apothekerverband e. V. sah darin einen Verstoß gegen
- das seinerzeit geltende Preisrecht (§ 78 Arzneimittelgesetz [AMG] a. F. i. V. m. der Arzneimittelpreisverordnung [AMPreisV]) sowie
 - das Wettbewerbsrecht (§§ 3a und 4 Nr. 11 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb [UWG]).
 
Sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht München gaben der Klage zunächst statt. Gegen diese Entscheidungen richtete sich die Revision vor dem BGH – mit Erfolg.
Kernaussagen des BGH
Der BGH hob die Urteile der Vorinstanzen auf und wies die Klage des Apothekerverbands ab. Seine wesentlichen Begründungen:
- Verstoß gegen EU-Recht: Die bis 2020 geltende deutsche Preisbindung verstößt gegen höherrangiges Unionsrecht. Sie diskriminiert ausländische EU-Versandapotheken und verletzt die Warenverkehrsfreiheit nach Art. 34 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Ausnahmen nach Art. 36 AEUV sind nur bei belegbaren, objektiven Gründen zulässig. Solche Belege lagen nicht vor.Preisbindung diskriminierte ausländische EU-Versandapotheken
 - Keine ausreichenden Nachweise: Der Kläger konnte nicht nachweisen, dass die Bonusgewährung ausländischer Apotheken eine Gefahr für die flächendeckende Arzneimittelversorgung in Deutschland darstellt. Laut dem EuGH-Urteil aus 2016 reicht eine pauschale Schutzbehauptung hierfür nicht aus.
 - Kein Wettbewerbsverstoß: Da die nationale Preisbindung auf EU-Versender nicht anwendbar war, konnte deren Verhalten nicht als unlauterer Wettbewerb i. S. d. UWG gewertet werden. Auch eine Wiederholungsgefahr bestand nach Auffassung des BGH nicht.
 
Was das Urteil bedeutet – und was nicht
Seit dem 15.12.2020 gilt das sogenannte Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz (VOASG). Durch dieses Gesetz wurden die Regelungen zur Preisbindung verschreibungspflichtiger Arzneimittel neu gefasst. Maßgeblich ist seither § 129 Abs. 3 Sozialgesetzbuch (SGB) V, der klarstellt: Für Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung gilt ein einheitlicher Apothekenabgabepreis – unabhängig vom Vertriebsweg.
Das Urteil bezieht sich ausschließlich auf die Rechtslage vor dem 15.12.2020. Es hat keine Auswirkungen auf die heute geltende Preisbindung gemäß § 129 Abs. 3 SGB V. Die Preisbindung gilt seit dem VOASG nur für gesetzlich Versicherte. Im Bereich der privaten Krankenversicherung (PKV) können EU-Versender weiterhin Boni oder Rabatte gewähren. Diese müssen allerdings transparent auf der Rechnung ausgewiesen sein, um eine Erstattungsfähigkeit durch die PKV nicht zu gefährden.
Keine Legalisierung aktueller Rx-Boni Merke | Das Urteil bedeutet keine Freigabe heutiger Bonusmodelle. Wer aktuell im GKV-Bereich Boni anbietet, handelt rechtswidrig, solange § 129 Abs. 3 SGB V unverändert in Kraft ist oder nicht vom EuGH aufgehoben wird.  | 
Das Urteil betrifft ausschließlich preisrechtliche Fragen – nicht jedoch das Heilmittelwerbegesetz (HWG). Boni und Werbezugaben können auch unabhängig vom Preisrecht gegen das Zugabeverbot des § 7 HWG verstoßen. Dieses ist zwingend zu beachten, insbesondere bei allen Arten von Boni, Gutscheinen oder zusätzlichen Leistungen wie Arzneimittel-Checks.
Folgen für die Apothekenpraxis
Gerade durch öffentliche Diskussionen oder Medienberichte kann bei Patienten Verunsicherung entstehen. Nutzen Sie diese Situationen aktiv zur Aufklärung: „Vielleicht haben Sie gehört, dass DocMorris wieder mit Rezept-Boni wirbt. Solche Boni sind bei Kassenrezepten jedoch gesetzlich verboten – und das aus gutem Grund.“ Weisen Sie auch auf mögliche rechtliche und finanzielle Risiken hin. Privatversicherte, die Boni oder Rabatte erhalten, müssen diese unter Umständen ihrer PKV melden, andernfalls drohen Erstattungskürzungen. Bei Unklarheiten sollte stets die jeweilige Krankenkasse oder Versicherung kontaktiert werden.
Angesichts der komplexen und sich entwickelnden Rechtslage ist bei Marketingaktionen größte Sorgfalt geboten.
Faustregel für eine rechtssichere Compliance | 
Sobald ein wirtschaftlicher Vorteil – auch mittelbar – an ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel geknüpft ist, ist äußerste Vorsicht geboten.  | 
AUSGABE: AH 9/2025, S. 11 · ID: 50498414