FeedbackAbschluss-Umfrage
AHApotheke heute

SteuergestaltungBilanzierungswahlrechte kennen und steuergestaltend nutzen

Abo-Inhalt23.04.20254894 Min. LesedauerVon Dipl.-Finanzwirt Marvin Gummels, Hage

| Der Totalgewinn ist von der Aufnahme bis zur Beendigung einer Tätigkeit immer identisch – unabhängig von der Art der Gewinnermittlung. Allerdings gibt es viele steuerliche Wahlrechte, mit denen sich der Gewinn der Apotheke aktiv und legal von einer Periode in eine andere Periode verschieben lässt. Durch den progressiven Einkommensteuersatz können so Steuern gespart werden. AH beleuchtet das sich ergebende Steuersparpotenzial und stellt in einem Folgebeitrag die klassischen Wahlrechte vor. |

Merkmale und Potenziale von Bilanzierungswahlrechten

Bei der Aufstellung der Bilanz sind Apotheker durch das Handelsgesetzbuch (HGB) und das Einkommensteuergesetz (EStG) an feste Regeln gebunden. Aber es gibt Ausnahmen, denn für bestimmte Wirtschaftsgüter, Verbindlichkeiten, Rückstellungen und Rechnungsabgrenzungsposten stehen Apothekern für steuerliche Zwecke Bilanzierungswahlrechte – auch Ansatzwahlrechte genannt – zu. Diese ermöglichen es ihnen, die Höhe des ausgewiesenen Gewinns aktiv zu beeinflussen:

Durch die Ausübung von Wahlrechten lässt sich nämlich der Gewinn eines Jahres

  • aktiv reduzieren, z. B. durch die Vornahme einer Sonderabschreibung (in den folgenden Jahren wird dadurch als Umkehreffekt ein höherer Gewinn erzielt, da die weitere Abschreibung geringer ausfällt), oder
  • aktiv erhöhen, z. B. indem bisher gebuchte degressive Abschreibungen durch die lineare Abschreibung ersetzt werden (in den folgenden Jahren wird dadurch als Umkehreffekt ein geringerer Gewinn erzielt).

Bilanzierungswahlrechte existieren sowohl für die Handels- als auch für die Steuerbilanz, wobei die handelsbilanziellen Wahlrechte effektiv keine Steuergestaltung ermöglichen, denn

  • aus einem handelsrechtlichen Aktivierungswahlrecht folgt für die Steuerbilanz ein Aktivierungsgebot und
  • aus einem handelsrechtlichen Passivierungswahlrecht ergibt sich für die Steuerbilanz ein Passivierungsverbot

(BMF, Schreiben vom 12.03.2010, Az. IV C 6 – S 2133/09/10001, Abruf-Nr. 101099).

Demgegenüber sind steuerbilanzielle Wahlrechte für eine Gewinn- oder Steuerverlagerung geeignet, da sie unabhängig von der Handelsbilanz ausgeübt werden können und sich unmittelbar auf die Besteuerung auswirken. Gleiches gilt für Wahlrechte, die sowohl für die Handels- als auch für die Steuerbilanz bestehen. Diese Wahlrechte können in der Steuerbilanz nämlich abweichend von der Handelsbilanz ausgeübt werden (§ 5 Abs. 1 S. 1 HS 2 EStG). Die in der Praxis relevantesten Wahlrechte für die Steuerbilanz sind:

Übersicht / Praxisrelevante Wahlrechte für die Steuerbilanz

§ 5 Abs. 5 S. 2 EStG

Eine aktive oder passive Rechnungsabgrenzung kann unterbleiben, wenn die Einnahme oder Ausgabe den Betrag für geringwertige Wirtschaftsgüter (§ 6 Abs. 2 S. 1 EStG) nicht übersteigt.

§ 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 2, Nr. 2 S. 2 EStG

Wirtschaftsgüter des Anlage- und Umlaufvermögens können bei dauernder Wertminderung auf den niedrigeren Teilwert (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG) abgeschrieben werden.

§ 6 Abs. 2 EStG

Geringwertige Wirtschaftsgüter können im Jahr der Anschaffung oder Herstellung sofort und in voller Höhe abgesetzt werden.

§ 6 Abs. 2a EStG

Für gewisse Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens kann ein Sammelposten gebildet und linear abgeschrieben werden.

R 6.5 Abs. 2 EStR

Werden Anlagegüter mit Zuschüssen aus öffentlichen oder privaten Mitteln angeschafft oder hergestellt, können die Zuschüsse als Betriebseinnahme oder steuerneutral durch eine Minderung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten behandelt werden.

R 6.6 EStR

Die Gewinnverwirklichung durch Aufdeckung stiller Reserven kann in bestimmten Fällen der Ersatzbeschaffung vermieden werden, indem die stillen Reserven auf ein Ersatzwirtschaftsgut übertragen werden.

§ 6b EStG

Stille Reserven aus der Veräußerung bestimmter Anlagegüter lassen sich zur Vermeidung der Besteuerung auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten anderer bestimmter Wirtschaftsgüter übertragen.

§ 7 Abs. 2 EStG

Bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens können bei Anschaffung in vorgegebenen Zeiträumen wahlweise degressiv (anstatt linear) abgeschrieben werden.

§ 7 Abs. 5a EStG

Wohngebäude können bei Erfüllung fest definierter Voraussetzungen degressiv anstatt linear abgeschrieben werden.

§ 7b EStG

Für Wohngebäude können Sonderabschreibungen zulässig sein.

§ 7g Abs. 1 EStG

Für die künftige Anschaffung oder Herstellung von abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens können gewinnmindernde Investitionsabzugsbeträge gebildet werden.

§ 7g Abs. 5 EStG

Bei abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens sind Sonderabschreibungen von bis zu insgesamt 40 Prozent der Anschaffungs- oder Herstellungskosten möglich.

Grundvoraussetzung für die Ausübung steuerlicher Wahlrechte ist, dass die Wirtschaftsgüter, die nicht mit dem handelsrechtlich maßgeblichen Wert in der steuerlichen Gewinnermittlung ausgewiesen werden, in besondere Verzeichnisse aufgenommen werden, die fortlaufend geführt werden. Die Verzeichnisse sind Bestandteil der Buchführung. Sie müssen gemäß § 5 Abs. 1 S. 2 und 3 EStG

  • den Tag der Anschaffung oder Herstellung,
  • die Anschaffungs- oder Herstellungskosten,
  • die Vorschrift des ausgeübten steuerlichen Wahlrechts und
  • die vorgenommenen Abschreibungen

enthalten.

Eine besondere Form der Verzeichnisse ist nicht vorgeschrieben. Sind die Angaben bereits – wie in der Praxis typisch – im Anlagenverzeichnis oder in einem Verzeichnis für geringwertige Wirtschaftsgüter enthalten, oder wird das Anlagenverzeichnis um diese Angaben ergänzt, ist diese Dokumentation ausreichend. Zudem genügt es, wenn die Aufstellung der Verzeichnisse nach Ablauf des Jahres im Rahmen der Erstellung der Steuererklärung erfolgt.

So tragen Bilanzierungswahlrechte zur Steuerersparnis bei

Beläuft sich der Gewinn der Apotheke in jedem Jahr auf den identischen Betrag, können durch die aktive Bilanzgestaltung mit Bilanzierungswahlrechten nur Liquiditäts- und damit verbunden Zinsvorteile generiert werden, denn aufgrund der identischen Gewinnhöhe wäre der Steuersatz in jedem Jahr ebenfalls identisch. Dies entspricht jedoch nicht der Realität, da der Gewinn der Apotheke i. d. R. von Jahr zu Jahr schwankt. Dieser Umstand führt in Verbindung mit dem in § 32a EStG verankerten progressiven Steuersatz dazu, dass Apotheker in Jahren mit hohen Gewinnen überproportional mehr Steuern zahlen müssen als sie in den Jahren mit geringen Gewinnen einsparen. Bei schwankenden Gewinnen muss der Apotheker in der Summe also mehr Steuern zahlen, als wenn sich der identische Totalgewinn linear auf die einzelnen Jahre verteilen würde.

Beispiel 1

Apotheker A ist verheiratet. Er erzielt über eine Periode von fünf Jahren insgesamt einen Gewinn von 750.000 Euro. Nach Abzug von Sonderausgaben etc. verbleibt ein zu versteuerndes Einkommen (z. v. E.) von insgesamt 650.000 Euro. In der Variante a) schwankt das z. v. E., in der Variante b) bleibt es linear gleich.

a) Schwankendes z. v. E.

b) Gleichbleibendes z. v. E.

Jahr

z. v. E.

Steuer (VZ 2025)

z. v. E.

Steuer (VZ 2025)

1

180.000

53.776

130.000

32.818

2

60.000

8.606

130.000

32.818

3

90.000

17.992

130.000

32.818

4

170.000

49.576

130.000

32.818

5

150.000

41.176

130.000

32.818

Summe

650.000

171.126

650.000

164.090

Beachten Sie | Allein aufgrund des schwankenden z. v. E. werden in der Variante a) über fünf Jahre 7.036 Euro mehr an Einkommensteuern gezahlt als in Variante b). Ziel von Bilanzierungswahlrechten sollte es daher sein, das schwankende z. v. E. so weit wie möglich auszugleichen, sodass sich ein lineares z. v. E. ergibt.

Beispiele für die Effektivität der Bilanzierungswahlrechte

Bilanzierungswahlrechte spielen ihre Vorzüge also aus, wenn das z. v. E. schwankt. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Schwankungen aufgrund von Sondereffekten (während der Pandemie z. B. die Abgabe von Atemschutzmasken und Impfstoffen, die Ausstellung digitaler Impfzertifikate sowie die Durchführung von Bürgertests) relativ groß sind. Darüber hinaus ergeben sich erhebliche Vorteile, wenn Gewinne in das Jahr der steuerbegünstigten Betriebsaufgabe oder Betriebsveräußerung verlagert werden können.

Beispiele

Beispiel 2

Apotheker A ist verheiratet und sein z. v. E. beträgt normalerweise 100.000 Euro. Im Jahr 2024 konnte er aufgrund von Sondereffekten einen zusätzlichen Gewinn von 100.000 Euro erzielen, sodass sich sein z. v. E. auf 200.000 Euro erhöht.

Lösung: Die Steuerbelastung von A beträgt normalerweise jährlich 21.744 Euro (z. v. E. von 100.000 Euro). Aufgrund des durch den Sondereffekt erhöhten Gewinns im Jahr 2024 muss er inklusive Soli 65.875 Euro Steuern bezahlen (z. v. E. von 200.000 Euro). Innerhalb von fünf Jahren zahlt er insgesamt 152.851 Euro (65.875 Euro + 4 × 21.744 Euro).

Gestaltung: A gelingt es, durch Bilanzierungswahlrechte den Gewinn des Jahres 2024 um 80.000 Euro zu reduzieren (Sonderabschreibungen etc.). Infolgedessen steigt sein Gewinn der vier Folgejahre um jährlich 20.000 Euro.

Lösung: Nun beträgt das z. v. E. von A für jedes Jahr 120.000 Euro und die jährliche Steuerbelastung 29.292 Euro. Binnen fünf Jahren sind insgesamt 146.460 Euro zu zahlen. Im Vergleich zu der Ausgangssituation in Beispiel 2 beträgt die Ersparnis 6.391 Euro. Hinzu kommen noch Zins- und Liquiditätsvorteile durch spätere Steuerzahlungen.

Beispiel 3

A ist verheiratet und sein z. v. E. beträgt für 2024 150.000 Euro. Da er 2024 ein unbebautes Grundstück des Betriebsvermögens mit einem Gewinn von 150.000 Euro veräußert hat, erhöht sich sein z. v. E. auf 300.000 Euro. Im Jahr 2025 veräußert er seine Apotheke. Er erzielt einen gemäß § 34 Abs. 3 EStG privilegierten Veräußerungsgewinn von 350.000 Euro. Sein übriges normales – der Besteuerung unterliegendes – z. v. E. für 2025 beträgt 50.000 Euro.

Lösung: Die Einkommensteuer für 2024 beträgt 104.726 Euro. Für das Jahr 2025 sind unter Berücksichtigung des für den Veräußerungsgewinn von 350.000 Euro geltenden ermäßigten Steuersatzes (§ 34 Abs. 3 EStG) 77.941 Euro zu zahlen. Die Summe beträgt also 182.667 Euro.

Gestaltung: A bildet für den Veräußerungsgewinn eine Rücklage i. S. d. § 6b EStG. Diese löst er im Jahr 2025 infolge der Betriebsveräußerung auf.

Lösung: 2024 reduziert sich das z. v. E. von 300.000 Euro auf 150.000 Euro. Die Einkommensteuer beträgt nun 41.726 Euro. 2025 steigt dafür der tarifermäßigt besteuerte Veräußerungsgewinn von 350.000 auf 500.000 Euro, da die Auflösung der § 6b-Rücklage den Veräußerungsgewinn erhöht. Dadurch steigt die Einkommensteuer für 2025 auf 112.815 Euro. Die Summe beträgt also 154.541 Euro. Im Vergleich zu der Ausgangssituation in Beispiel 3 beträgt die Ersparnis 28.126 Euro. Diese resultiert daraus, dass für den Gewinn aus der Veräußerung des unbebauten Grundstücks über 150.000 Euro die in § 34 Abs. 3 EStG verankerte Tarifermäßigung genutzt wird.

Weiterführender Hinweis
  • In der Juni-Ausgabe stellt Ihnen AH die häufigsten steuerbilanziellen Wahlrechte vor.

AUSGABE: AH 5/2025, S. 17 · ID: 50372433

Favorit
Teilen
Drucken
Zitieren

Beitrag teilen

Hinweis: Abo oder Tagespass benötigt

Link
E-Mail
X
LinkedIn
Xing
Loading...
Loading...
Loading...
Heft-Reader
2025

Bildrechte