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WettbewerbsrechtArzneimittel auf dem Amazon-Marktplatz: BGH setzt klare rechtliche Vorgaben

Abo-Inhalt07.04.20255078 Min. LesedauerVon Dr. jur. Bettina Mecking, Düsseldorf

| Zahlreiche Plattformkonzepte wollen Vor-Ort-Apotheken einen einfachen Zugang zum digitalen Markt bieten. Sowohl für die Anbieter der Vertriebsplattformen als auch für die Apotheken stellen sich dabei diverse rechtliche Fragen, die nachfolgend anhand der aktuellen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteile vom 27.03.2025, Az. I ZR 222/19, Abruf-Nr. 247467 und Az. I ZR 223/19, Abruf-Nr. 247468) näher beleuchtet werden. |

Hintergrund

In einer bereits seit 2017 währenden wettbewerbsrechtlichen Auseinandersetzung hatte sich ein niedergelassener Apotheker an einem Wettbewerber gestört, der anderenorts ebenfalls eine Vor-Ort-Apotheke betreibt, aber zusätzlich Arzneimittel über das Internet vertreibt – sowohl über eine eigene Website als auch über den Amazon-Marketplace. Der klagende Apotheker, der selbst keinen Versandhandel betreibt, sah in diesem Angebot Verstöße gegen mehrere Marktverhaltensregelungen i. S. d. § 3a des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Im Laufe des Verfahrens wurde insbesondere der Vorwurf der Verletzung datenschutzrechtlicher Bestimmungen zum Gegenstand des Rechtsstreits durch die Instanzen.

Das Landgericht (LG) Dessau-Roßlau (Urteil vom 28.03.2018, Az. 3 O 29/17, AH 08/2018, Seite 16) entschied zugunsten des klagenden Apothekers, der die wettbewerblichen und datenschutzrechtlichen Verstöße des Konkurrenten auf Amazon bemängelt hatte, ebenso das Oberlandesgericht (OLG) Naumburg (Urteil vom 07.11.2019, Az. 9 U 6/19, AH 02/2020, Seite 18). Der BGH bat daraufhin den Europäischen Gerichtshof (EuGH) um Auskunft, ob die Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) eine solche Klage überhaupt zulässt und ob es sich bei OTC-Bestelldaten um Gesundheitsdaten handelt. Der EuGH hat beide Fragen bejaht (Urteil vom 04.10.2024, Az. C 21/23, AH 12/2024, Seite 15):

  • Er stellte klar, dass Klagen wegen Datenschutzverletzungen gegen Wettbewerber auch auf das Wettbewerbsrecht gestützt werden können. Dies trage zur Stärkung der Rechte betroffener Personen bei und sorge für ein hohes Schutzniveau. Darüber hinaus könnten auf diese Weise Verstöße gegen die DS-GVO wirksam verhindert werden.
  • Daten, die Kunden bei der Online-Bestellung von apothekenpflichtigen Arzneimitteln eingeben, sind Gesundheitsdaten i. S. d. DS-GVO.

Urteile des BGH

Nach der Entscheidung des EuGH entschied der BGH am 27.03.2025 final. Die wichtigsten Ergebnisse des Urteils sind:

  • Definition von Gesundheitsdaten: Der BGH stellte klar, dass personenbezogene Angaben wie Name, Lieferadresse und spezifische Informationen zur Individualisierung des Arzneimittels als Gesundheitsdaten i. S. d. DS-GVO gelten. Dies gilt auch für OTC-Arzneimittel.
  • Erforderlichkeit der Einwilligung: Die Verarbeitung dieser sensiblen Daten ohne ausdrückliche Einwilligung der Kunden ist unzulässig. Die Einholung der Einwilligung dient dem Schutz des Persönlichkeitsrechts der Verbraucher, die selbst entscheiden sollen, ob und in welchem Umfang sie ihre Daten preisgeben. Der BGH entschied, dass die Verarbeitung solcher Daten ohne Einwilligung gegen Art. 9 Abs. 1 DS-GVO verstößt. Dies betrifft nicht nur die Apotheken selbst, sondern auch Drittanbieter wie Amazon, die diese Daten verarbeiten.
  • Wettbewerber dürfen klagen: Der Senat hat auch entschieden, dass Art. 9 Abs. 1 DS-GVO eine Marktverhaltensregelung i. S. v. § 3a UWG ist, sodass die beiden Apotheker als Mitbewerber Verstöße gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG im Wege einer wettbewerbsrechtlichen Klage vor den Zivilgerichten verfolgen können.

Die Karlsruher Richter orientierten sich bei ihren Entscheidungen an den Vorgaben des EuGH. Sie betonen die Bedeutung des Datenschutzes beim Online-Vertrieb von Arzneimitteln. Eine gesicherte Arzneimittelversorgung basiert auf Vertrauen – dieses entsteht durch persönliche Beratung ebenso wie durch konsequenten Datenschutz.

Wie funktioniert die geforderte ausdrückliche Einwilligung?

Gesundheitsdaten gehören zu den besonders schützenswerten personenbezogenen Daten i. S. d. Art. 9 DS-GVO. Die Verarbeitung solcher Daten ist grundsätzlich untersagt, es sei denn, es liegen spezifische Ausnahmetatbestände vor. Eine Verarbeitung kann zulässig sein, wenn

  • die betroffene Person ausdrücklich in diese eingewilligt hat (Art. 9 Abs. 2 lit. a DS-GVO),
  • die Verarbeitung für die Erfüllung von vertraglichen oder gesetzlichen Pflichten erforderlich ist (z. B. für die Lieferung von Arzneimitteln) oder
  • diese für die Gesundheitsversorgung und medizinische Zwecke notwendig ist, einschließlich der Bereitstellung von Arzneimitteln.

Die Einwilligung muss freiwillig, eindeutig, informiert, spezifisch und nachweisbar erteilt werden. Zudem muss die betroffene Person jederzeit die Möglichkeit haben, ihre Einwilligung zu widerrufen, ohne dass dies negative Konsequenzen für sie hat. Die Möglichkeit des Widerrufs muss klar und verständlich kommuniziert werden.

Beispiele

  • Eine angekreuzte Checkbox, bei der die betroffene Person nichts aktiv tun muss, um ihre Einwilligung zu geben, ist nicht ausreichend. Es muss eine aktive Handlung erforderlich sein, wie z. B. das Ankreuzen eines Kästchens in Verbindung mit einer eindeutigen Erklärung.
  • Es muss dem Nutzer genau erklärt werden, warum diese Daten verarbeitet werden (z. B. zur Verbesserung von Gesundheitsdiensten), wie lange sie gespeichert werden und welche konkreten Daten gesammelt werden.
  • Eine Einwilligung muss klar differenzieren, für welche Zwecke die Daten verwendet werden. Eine pauschale Zustimmung zu „allen Verarbeitungszwecken“ ist unzulässig. Wurde eine Einwilligung für die Verarbeitung von Gesundheitsdaten zu Beratungszwecken eingeholt, dürfen diese Daten nicht ohne erneute Einwilligung zu Marketingzwecken verwendet werden.
  • Wenn Gesundheitsdaten verarbeitet werden, muss nachgewiesen werden können, dass die betroffene Person in die Verarbeitung eingewilligt hat, und dies muss dokumentiert werden, z. B. durch Log-Dateien oder eine Bestätigungs-E-Mail.

Folgen für Apotheken

Apotheken, die über Amazon oder andere Online-Plattformen Arzneimittel verkaufen, müssen künftig selbst noch striktere Datenschutzvorkehrungen treffen. Der BGH hat klargestellt: Apotheken können sich nicht darauf berufen, für Vorgänge im Einflussbereich von Amazon nicht verantwortlich zu sein. Vielmehr müssten sie bei der Verarbeitung „durch Fremdpersonal“ gleichwohl die Einhaltung aller datenschutzrechtlichen Vorgaben sicherstellen. Sie müssen sicherstellen, dass sie die ausdrückliche Einwilligung der Kunden zur Verarbeitung ihrer Gesundheitsdaten einholen. Dies gilt insbesondere für Bestellungen von apothekenpflichtigen Arzneimitteln, bei denen Rückschlüsse auf den Gesundheitszustand der Kunden gezogen werden können.

Apotheken müssen bei der Erhebung und Verarbeitung von Gesundheitsdaten transparent darüber informieren, warum und wie diese Daten verwendet werden. Die Einwilligung muss klar und freiwillig sein. Dies könnte durch eine explizite Zustimmung des Kunden auf der Website oder bei der Bestellung erfolgen. Apotheken tragen die Hauptverantwortung für den Schutz der personenbezogenen Daten und der Gesundheitsdaten ihrer Kunden. Sie müssen ihre internen Prozesse anpassen und sicherstellen, dass alle gesetzlichen Anforderungen der DS-GVO eingehalten werden. Möglicherweise müssen Apotheken auch ihre Datenschutzerklärungen und Einwilligungsformulare anpassen, um die Anforderungen des BGH-Urteils zu erfüllen.

Mögliche Folgen für Amazon

Indirekt wird Amazon durch dieses Urteil sicherlich stärker in die Pflicht genommen, die Einhaltung der Datenschutzbestimmungen auf seiner Plattform sicherzustellen. Auch wenn Amazon selbst nicht direkt für die Einhaltung des Datenschutzes durch die Apotheken verantwortlich gemacht werden kann, könnte es dennoch verpflichtet sein, geeignete Kontrollmechanismen einzuführen, um den Verkauf von Arzneimitteln im Einklang mit der DS-GVO zu ermöglichen. Amazon könnte gezwungen sein, seine Verkaufsrichtlinien und Nutzungsbedingungen für Apotheken und Verkäufer von Arzneimitteln anzupassen, um den Datenschutzanforderungen besser gerecht zu werden.

AUSGABE: AH 5/2025, S. 14 · ID: 50378357

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