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Fristlose KündigungGenesenenzertifikat selbst ausgestellt = Kündigung
| Stellt sich ein angestellter Apotheker selbst ein sogenanntes „Genesenenzertifikat“ nach § 2 Nr. 5 COVID_19-Schutzmaßnahmen-AusnahmeVO aus, obwohl er aufgrund seiner Eigenschaft als Apotheker zumindest hätte wissen müssen, dass dessen Voraussetzungen nicht gegeben sind, ist dies ein geeigneter Grund nach § 626 Abs. 1 BGB. |
Sachverhalt
Der ArbN ist seit 2017 als Apotheker beschäftigt. Der ArbG beschäftigt mehr als 10 ArbN. Der ArbN kündigte das Arbeitsverhältnis selbst zum 31.12.21. Ende November 2021 kündigte sodann der ArbG das Arbeitsverhältnis fristlos und hilfsweise ordentlich zum 31.12.21. Er stützt seine Kündigung darauf, dass sich der ArbN unrechtmäßig ein Genesenenzertifikat ausgestellt haben soll. Der ArbN trägt unbestritten vor, dass er 2021 leichte Symptome einer Coronaviruserkrankung gehabt habe. Nachdem er sich selbst in Quarantäne begeben habe, habe er sich im Mai Blut abnehmen lassen. Eine Arztpraxis bescheinigte im August 2021 die Genesung des ArbN. Auch ein Antikörpertest im September 2021 ergab, dass Antikörper nachweisbar waren. Der ArbN ist der Ansicht, er habe sich ein Genesenenzertifikat ausstellen dürfen. Der ArbG meint, dass ausschließlich ein PCR-Test zur Ausstellung eines Genesenenzertifikats berechtige und ein solcher liege nicht vor.
Entscheidungsgründe
Das Arbeitsgericht Dortmund (1.4.22, 10 Ca 3610/21, Abruf-Nr. 230795) kam zum Ergebnis, dass die Kündigung des ArbG gemäß § 626 Abs. 1 BGB wirksam ist. Das Erstellen eines Genesenenzertifikats stelle einen zur Kündigung berechtigenden wichtigen Grund „an sich“ dar. Gemäß der damals einschlägigen COVID-19-Schutzmaßnahmen-AusnahmeVO sei ein Genesenennachweis ein Nachweis hinsichtlich des Vorliegens einer vorherigen Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 in verkörperter oder digitaler Form, wenn die zugrunde liegende Testung durch eine Labordiagnostik mittels Nukleinsäurenachweis (PCR, PoC-PCR oder weitere Methoden der Nukleinsäureamplifikationstechnik) erfolgt sei und mindestens 28 Tage sowie maximal sechs Monate zurückliege. Diese Voraussetzungen habe der ArbN nicht dargelegt. Zwar habe er eine ärztliche Bescheinigung vorgelegt, in der auf einen PCR-Abstrich-Nachweis Bezug genommen werde. Jedoch ergebe sich hieraus nicht, dass es sich tatsächlich um einen PCR-Test im o. g. Sinne handele. Insbesondere sähen die Befundberichte von Mai und September 2021 nur eine Venenblutentnahme vor, die nicht den Zeitraum einer vorherigen Coronaerkrankung feststelle. Es gäbe ausweislich der Befundberichte allenfalls einen „serologischen Hinweis auf eine zurückliegende SARS-CoV-2-Infektion“. Für die Ausstellung eines Genesenenzertifikats nach der VO sei erforderlich, dass das Vorliegen einer vorherigen Infektion aufgrund einer Testung feststehe.
Relevanz für die Praxis
Das Gericht stellte fest, dass es aufgrund der hervorgehobenen Position des ArbN und der damit einhergehenden Verantwortung sowie aufgrund der Schwere seines Pflichtverstoßes keiner vorherigen Abmahnung bedurfte.
AUSGABE: AA 9/2022, S. 148 · ID: 48534172