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Kosten des BetriebsratsArbG trägt Schulungskosten des Betriebsrats plus der erforderlichen Seminarbeigaben

Abo-Inhalt25.07.20227334 Min. LesedauerVon RA Prof. Dr. Tim Jesgarzewski, FA ArbR, Prof. Dr. Jesgarzewski & Kollegen Rechtsanwälte, Osterholz-Scharmbeck, FOM Hochschule Bremen

| Der ArbG trägt die durch die Tätigkeit des Betriebsrats (BR) entstehenden Kosten. Dazu gehören auch die Kosten, die bei der Teilnahme eines BR-Mitglieds an einer Schulungsveranstaltung entstanden sind, sofern das bei der Schulung vermittelte Wissen notwendig ist, damit dieser seine gegenwärtigen oder in naher Zukunft anstehenden Aufgaben ordnungsgemäß erfüllen kann. Pauschalierte Teilnahmekosten für derartige Schulungen sind genauso wenig zu beanstanden wie eine darin inbegriffene Überlassung von für die Betriebsratsarbeit dienlichen Seminarbeigaben. |

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten über die Kosten für die Schulungsteilnahme eines BR-Mitglieds. Der ArbG betreibt eine Wohn- und Fördereinrichtung für behinderte Menschen in Hessen. Im dortigen Betrieb wurde ein BR gebildet. Dieser beschloss die Teilnahme eines neu gewählten Mitglieds an dem Grundlagenseminar „Betriebsverfassungsrecht Teil I“. Die Seminargebühr betrug 699 EUR zzgl. einer Tagespauschale für Tagesgäste ohne Übernachtung von rund 60 EUR. In den Seminarkosten war auch die Überlassung eines sogenanntes „Starter-Sets“ an die Teilnehmer enthalten. Dieses bestand aus einem „Tablet für die Betriebsratsarbeit“, einem Handkommentar Fitting zum BetrVG mit Wahlordnung, einer DTV-Ausgabe der Arbeitsgesetze nebst weiterer Kleinartikel und der Möglichkeit einer anwaltlichen Erstberatung.

Der BR begehrt die Zahlung der Schulungskosten sowie die Erstattung der Fahrtkosten für das BR-Mitglied. Der ArbG lehnte die Kostenübernahme ab. Er ist der Ansicht, dass es sich bei dem Starterkit um unzulässige Werbemittel handele und die Seminarkosten daher nicht erforderlich für die BR-Arbeit wären. Dies habe der BR auch erkennen können, da die Kosten durch die Seminarbeigaben unverhältnismäßig hoch gewesen wären. Die Vorinstanzen hielten die Kosten der Schulung für erforderlich und gaben dem Antrag statt (LAG Hessen 10.8.20, 16 TaBV 177/19).

Entscheidungsgründe

Die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde des ArbG war erfolglos (BAG 17.11.21, 7 ABR 27/20, Abruf-Nr. 228320). Der ArbG habe die durch die Tätigkeit des BR entstehenden Kosten zzgl. der angefallenen Fahrtkosten zu tragen. Dazu würden auch die Kosten gehören, die anlässlich der Teilnahme eines BR-Mitglieds an einer Schulungsveranstaltung entstanden seien, sofern das bei der Schulung vermittelte Wissen für die BR-Arbeit erforderlich sei. Bei erstmals gewählten BR-Mitgliedern brauche die Schulungsbedürftigkeit nicht näher dargelegt zu werden, wenn Grundkenntnisse im Betriebsverfassungsrecht, im allgemeinen Arbeitsrecht oder im Bereich der Arbeitssicherheit und Unfallverhütung vermittelt werden würden.

Bei der Entscheidung über die Erforderlichkeit der Schulungsteilnahme habe der BR einen Beurteilungsspielraum, der seine Grenze im Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit finde. Danach sei er verpflichtet, den ArbG nur mit Kosten zu belasten, die er für angemessen halten darf und die sich auf das notwendige Maß beschränken. Daher dürfe der BR die Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung nicht für erforderlich halten, wenn er sich vergleichbare Kenntnisse zumutbar und kostengünstiger auf andere Weise verschaffen kann. Daraus folge jedoch weder die Pflicht zu einer umfassenden Marktanalyse, noch müsse der BR einzig den Preis einer Schulung für seine Entscheidungsfindung berücksichtigen.

Der vorliegend im Streit stehende Preis der Schulung sei marktüblich. Auch habe es keinerlei Anzeichen dafür gegeben, dass die Seminarbeigaben maßgeblich die Höhe des Seminarpreises beeinflussten. Die Schulungsveranstaltung habe gar nicht unter Verzicht auf die Seminarbeigaben zu einem günstigeren Preis gebucht werden können. Auch ergebe sich aus den vorgelegten Rechnungen, welche unter die Kostentragungspflicht des ArbG fallenden Leistungen der Schulungsveranstalter erbracht habe. Werden die Seminargebühren als Pauschalpreis in Rechnung gestellt, so genüge grundsätzlich die Angabe des vereinbarten Betrags. Die tatsächlich entstandenen Fahrtkosten des BR-Mitglieds zum Schulungsort seien als erforderlicher Aufwand darüber hinaus zusätzlich zu erstatten.

Relevanz für die Praxis

Der Beschluss des BAG verfestigt die bereits bestehende Rechtsprechungslinie zur Erforderlichkeit der Kosten eines BR (vgl. zuletzt etwa BAG 24.10.18, 7 ABR 23/17). Zum wiederholten Male betont der Siebte Senat, dass der BR einen Beurteilungsspielraum in Bezug auf die Frage hat. Vorliegend hatte der ArbG in den Seminarbeigaben einen so werthaltigen Faktor gesehen, dass daraus nicht nur eine Werbewirkung, sondern auch eine nicht erforderliche Kostenbelastung resultieren würde. Weil das vom Seminarveranstalter genannte „Starter-Set“ für die BR-Arbeit nicht erforderlich sei und zugleich erhebliche Kosten verursache, wären die Seminarkosten insgesamt nicht erforderlich.

Diese Argumentation ist am Kern der bereits langjährig bestehenden Rechtsprechungslinie vorbeigegangen. Maßgeblich für die Kostentragungspflicht des ArbG ist die Erforderlichkeit der BR-Schulung für die Bewältigung der damit verbundenen gesetzlichen Aufgaben. Werden ArbN erstmals in den BR gewählt, besteht an der Erforderlichkeit von Grundlagenschulungen kein Zweifel. Für die Auswahl einer konkreten Schulung hat der BR einen Beurteilungsspielraum. Der findet dort seine Grenze, wo der ArbG mit nicht notwendigen Kosten belastet wird, weil die entsprechenden Kenntnisse anderweitig deutlich kostengünstiger erworben werden können. Wählt der BR jedoch eine Schulung aus, deren Kosten sich im marktüblichen Rahmen halten, ist seine Entscheidung nicht zu beanstanden. Welche interne Kalkulation für einzelne Schulungsbestandteile oder Seminarbeigaben der Veranstalter vornimmt, ist dagegen nicht Gegenstand der betriebsverfassungsrechtlichen Erforderlichkeit. Eine Pauschalabrechnung ist daher ebenfalls nicht zu beanstanden.

AUSGABE: AA 8/2022, S. 128 · ID: 48481305

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