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VerjährungProzessualer Kostenerstattungsanspruch und Anwaltsvergütung verjähren unterschiedlich

Top-BeitragAbo-Inhalt09.03.20244 Min. Lesedauer von Dipl.-Rechtspfleger Peter Mock, Koblenz

| In Rechtsstreitigkeiten sind die Fragen der Kosten und Vergütung ebenso komplex wie die rechtlichen Angelegenheiten selbst. Insbesondere bei einem Rechtsstreit durch verschiedene Instanzen treten die Unterschiede zwischen der Verjährung eines prozessualen Kostenerstattungsanspruchs gemäß § 91 ZPO und der Verjährung des Anspruchs auf die Anwaltsgebühren deutlich hervor. |

1. Verjährung des prozessualen Kostenerstattungsanspruchs

Der prozessuale Kostenerstattungsanspruch nach § 91 ZPO unterliegt der 30-jährigen Verjährungsfrist des § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB (VG Wiesbaden FA 22, 367). Denn wird das Verfahren mit einer rechtskräftigen Entscheidung abgeschlossen, wird nicht nur über die Hauptsache entschieden. Vielmehr wird mit der Entscheidung über die Kosten des Verfahrens auch rechtskräftig festgestellt, ob und in welchem Umfang eine Partei verpflichtet ist, der anderen Partei die dieser entstandenen Kosten des Verfahrens zu erstatten. Damit wird der Kostenerstattungsanspruch i. S. v. § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB rechtskräftig festgestellt.

Beachten Sie | Eine rechtskräftige Feststellung liegt nicht erst vor, wenn der Schuldner zu einer bezifferten Zahlung oder zu einer bestimmten anderen Leistung verurteilt worden ist. Es genügt ein Urteil oder eine andere Entscheidung, die seine Leistungspflicht rechtskräftig feststellt. Eine solche Feststellung erfolgt durch die Kostengrundentscheidung z. B. in der 1. Instanz (BGHZ 06, 1962).

Es gibt allerdings Fälle, in denen eine prozessuale Kostenerstattung nur auf Antrag auszusprechen ist. Das ist z. B. bei einer Klagerücknahme der Fall (§ 269 Abs. 4 ZPO). Hier muss der Antrag auf Erlass der Kostenentscheidung innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist nach § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB gestellt werden, um die Verjährungsfrist zu hemmen. Anderenfalls ist der prozessuale Kostenerstattungsanspruch verjährt.

Beispiel

Gegen den Antragsgegner G ergeht im Jahr 2018 ein Vollstreckungsbescheid (VB). Hiergegen legt G Einspruch ein, den er am 18.3.19 zurücknimmt. Im Jahr 2023 beantragt der Antragsteller S, die Verfahrenskosten dem G aufzuerlegen. Zu Recht?
Lösung
Nein. Der Antrag auf Erlass einer Kostengrundentscheidung ist verjährt. Er ist am 18.3.19 entstanden. Die Verjährung beginnt somit am 31.12.19 und endet am 31.12.22 (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB).
Praxistipp | In der Praxis erlassen Richter immer wieder Kostengrundentscheidungen, obwohl die Verjährung bereits eingetreten ist. Solche Kostenfestsetzungsbeschlüsse sind falsch. Dennoch stellt in der Folge die obsiegende Partei Kostenfestsetzungsanträge und der Rechtspfleger entscheidet. Hier kann der Erstattungspflichtige die Verjährungseinrede durch sofortige Beschwerde bzw. sofortige Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss erheben, um die Kostenfestsetzung gegen ihn zu verhindern (vgl. AG Siegburg 1.10.09, 109 C 234/08, Abruf-Nr. 239995).

2. Verjährung des anwaltlichen Vergütungsanspruchs

Der Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts gegen seinen Mandanten ergibt sich aus dem zwischen ihnen geschlossenen Vertrag bzw. aus dem RVG. § 8 Abs. 2 RVG regelt die Hemmung für Vergütungen aus einem gerichtlichen Verfahren. Der Ablauf der Verjährung ist danach so lange gehemmt, wie das Verfahren noch anhängig ist. Die Hemmungswirkung endet u. a. mit der rechtskräftigen Entscheidung des Verfahrens (§ 8 Abs. 2 S. 2 RVG).

Beachten Sie | Gehemmt wird lediglich der Ablauf für die Dauer der Anhängigkeit. § 8 Abs. 2 S. 1 RVG hindert nicht den Lauf bzw. den Beginn der Verjährungsfrist selbst. Eine gehemmte Verjährung beginnt nach Wegfall der Hemmung sofort (wieder) zu laufen, nicht erst mit dem Ende des Kalenderjahrs. Die Verjährung beginnt danach aber nicht erneut. Lediglich der Zeitraum, in dem das Verfahren anhängig war, wird bei der Verjährungsfrist nicht mitgerechnet.

Beispiel

In einem Sozialrechtsstreit hat Anwalt A für Mandant M die erste Instanz mit einem Urteil vom 14.4.21 gewonnen. In der zweiten Instanz (Urteil vom 7.6.22) und dritten Instanz (Urteil vom 18.10.23) unterliegt M. A hat keine Kostenfestsetzung beantragt. Ist seine Vergütung für die (gewonnene) erste Instanz inzwischen verjährt?
Lösung
Nein, denn es gilt:
Erste Instanz: Die Vergütung des A ist am 31.12.21 fällig geworden. Die Verjährung ist nach § 8 Abs. 2. S. 1 RVG gehemmt. Die Hemmung endet mit dem 18.10.23. Daran schließt sich unmittelbar die dreijährige Verjährungsfrist an, die nicht erst am 31.12.23, sondern sofort beginnt. Die Verjährung der Vergütung des A tritt daher erst am 18.10.26 ein.
Zweite Instanz: Die Vergütung des A ist am 31.12.22 fällig geworden. Auch hier ist die Verjährung nach § 8 Abs. 2. S. 1 RVG gehemmt. Die Hemmung endet ebenfalls mit dem 18.10.23. Daran schließt sich unmittelbar die dreijährige Verjährungsfrist an, die nicht erst am 31.12.23, sondern sofort beginnt. Die Verjährung der Vergütung des A tritt also auch am 18.10.26 ein.
Dritte Instanz: Die Vergütung des A ist am 31.12.23 fällig geworden. Sie verjährt am 31.12.26.

AUSGABE: RVGprof 4/2024, S. 71 · ID: 49931773

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