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Übersicht zur Mittelgebühr§ 14 RVG: Aktuelle Entscheidungen von 2019 bis 2021 in Bußgeldsachen

Abo-Inhalt27.10.2021313 Min. LesedauerVon RA Detlef Burhoff, RiOLG a. D., Leer/Augsburg

| Bei den Gebühren des Verteidigers im (straßenverkehrsrechtlichen) Bußgeldverfahren handelt es sich ebenso wie bei den Gebühren in Strafsachen um Rahmengebühren. Der folgende Beitrag hat für Sie die dazu in den letzten Jahren ergangene Rechtsprechung zusammengefasst (eine Übersicht zum Strafverfahren folgt in der nächsten Ausgabe von RVG prof. 12/21, 208). |

Übersicht / Rechtsprechung zu § 14 RVG in Bußgeldsachen

Niedrigere Gebühr

LG Dresden AGS 21, 67;

AG Charlottenburg RVGreport 20, 257

Als angemessene Gebühr für die Verteidigung eines Betroffenen, dem eine durchschnittliche Verkehrsordnungswidrigkeit mit geringer Bedeutung zur Last gelegt wird, kommt grds. nicht die Mittelgebühr, sondern nur eine niedrigere Gebühr in Betracht.

Mittelgebühr

LG Itzehoe RVG prof. 19, 4;

AG Biberach RVGreport 19, 242;

AG Hamburg-Harburg 3.6.21, 621 OWi 128/21;

AG Landstuhl RVGreport 20, 295 und VRR 8/20, 31;

AG München 2.12.19, 213 C 16136/19;

AG Trier AGS 21, 66;

AG Viechtach RVG prof. 19, 6

  • 1. Ausgangspunkt für die Bemessung der Rahmengebühr ist grds. der Mittelbetrag der einschlägigen Rahmengebühr.
  • 2. Durchschnittliche Verkehrsordnungswidrigkeiten mit einfachen Sach- und Rechtsfragen, niedrigen Geldbußen und wenigen Punkten im Verkehrszentralregister sind daher nach Auffassung der Kammer grds. als unterdurchschnittliche Bußgeldsachen anzusehen.
  • 3. Die Mittelgebühr ist gerechtfertigt bei Geldbuße von 160 EUR, zwei Punkten im FAER und Fahrverbot.

Mittelgebühr

LG Hanau RVGreport 20, 420

Bei der gebührenmäßigen Bewertung des jeweiligen Bußgeldverfahrens ist zu unterscheiden zwischen einem allgemeinen Durchschnittsfall, gemessen an den Verfahren aus anderen Ordnungswidrigkeitsbereichen, und einem Durchschnittsfall aus dem Bereich der Verkehrsordnungswidrigkeiten. Eine durchschnittliche Verkehrsordnungswidrigkeit ist nicht gleichzusetzen mit einem allgemeinen Durchschnittsfall aller Ordnungswidrigkeitenbereiche.

Niedrigere Gebühr

LG Halle RVGreport 20, 91

Der Ansatz der Mittelgebühr ist in Verfahren wegen Verkehrsordnungswidrigkeiten nicht generell gerechtfertigt. Denn Verfahren wegen Verkehrsordnungswidrigkeiten, die auf einem Geschwindigkeitsverstoß beruhen, können wegen ihrer statistischen Häufigkeit in der Regel routinemäßig und ohne wesentlichen Zeitaufwand vom Rechtsanwalt bearbeitet werden. Zu berücksichtigen ist zudem, dass der Gebührenrahmen alle Arten von Ordnungswidrigkeiten erfasst, also auch solche aus den Bereichen des Bau-, Gewerbe-, Umwelt- oder Steuerrechts, die häufig mit Bußgeldern im oberen Bereich des Bußgeldrahmens geahndet werden und oft mit rechtlichen Schwierigkeiten und/oder umfangreicher Sachaufklärung verbunden sind.

Niedrigere Gebühr

LG Kassel JurBüro 19, 527

Bei (alltäglichen) straßenverkehrsrechtlichen Ordnungswidrigkeiten mit geringem Aufwand, geringer rechtlicher und tatsächlicher Schwierigkeit und geringer Bedeutung sind lediglich sog. herabgesetzte Mittelgebühren angemessen.

Mittelgebühr

Zur Bemessung der gerichtlichen Verfahrensgebühr, wenn der Betroffene Berufskraftfahrer ist, dem ein Fahrverbot droht.

Niedrigere Gebühr

LG Landshut RVGreport 19, 332

  • 1. Bei der gebührenmäßigen Bewertung einer Ordnungswidrigkeitensache ist zu unterscheiden zwischen einem allgemeinen Durchschnittsfall, gemessen an den Verfahren aus allen Ordnungswidrigkeitsbereichen, und einem Durchschnittsfall aus dem Bereich der Verkehrsordnungswidrigkeiten.
  • 2. In einem durchschnittlichen Verkehrsordnungswidrigkeitenverfahren ist der Ansatz der Mittelgebühr nicht gerechtfertigt.

Niedrigere Gebühr

LG Osnabrück JurBüro 20, 246

In Bußgeldsachen wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit ist die Gebührenhöhe im Regelfall unterhalb der Mittelgebühr anzusetzen. Das gilt auch, wenn ein einmonatiges Fahrverbot droht und weder vorgetragen wird noch ersichtlich ist, dass etwa die berufliche Tätigkeit des Betroffenen durch das Fahrverbot beeinträchtigt worden wäre.

Allgemeines

AG Alzey RVGreport 19, 333

Die Höhe der Geldbuße ist kein Anknüpfungspunkt für die Bemessung der Gebühren. Denn die Höhe der Geldbuße ist schon Anknüpfungspunkt für die Frage, aus welcher Stufe der RA seine Gebühren berechnet („gebührenrechtliches Doppelverwertungsverbot“).

Allgemeines

AG Viechtach RVGreport 19, 412

  • 1. Die Höhe der im Bußgeldbescheid verhängten Geldbuße sagt bei Verkehrsordnungswidrigkeiten in der Regel nicht viel über die Bedeutung der Angelegenheit aus, da die Geldbußen meistens im unteren Bereich angesiedelt sind. In erster Linie werden bei Verkehrsordnungswidrigkeiten Einsprüche gegen Bußgeldbescheide eingelegt wegen der mit der Geldbuße verbundenen Punkte im Fahreignungsregister im Hinblick auf ein zukünftig drohendes Fahrverbot oder Fahrerlaubnisentzug durch die Verwaltungsbehörde, wegen eines verhängten Fahrverbots oder zur Abwehr oder Vorbereitung zivilrechtlicher Schadenersatzansprüche. Von Bedeutung ist insbesondere auch, ob der Betroffene beruflich auf seine Fahrerlaubnis angewiesen ist.
  • 2. Bei der Einordnung des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sind u. a. die Kriterien des Aktenumfangs, der Anzahl und Dauer der Besprechungen mit Mandanten, Sachverständigen und Dritten, der Notwendigkeit der Einarbeitung in Rechtsmaterie, einschließlich des ggf. notwendigen Studiums von Rechtsprechung und Literatur, Zahl und Umfang der Schriftsätze, auswärtige Beweisaufnahmen, Auswertungen von Beiakten oder Sachverständigengutachten zu berücksichtigen.

Schwierigkeit

LG Braunschweig 8.6.20, 2b Qs 160/21

Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit ist unterdurchschnittlich, wenn im Ordnungswidrigkeitsverfahren inhaltlich lediglich zu klären war, ob der gemeinsame Aufenthalt von drei Personen in einem privaten Pkw einen Aufenthalt im öffentlichen Raum darstellt.

Grundgebühr

AG Alzey RVGreport 19, 333

Die Mittelgebühr ist angemessen, wenn ein Fahrverbot und eine Eintragung im FAER drohen, auch wenn der Aktenumfang nur 14 Seiten beträgt.

Niedrigere Gebühr

AG Charlottenburg RVGreport 20, 257

32 Blatt Akten sind durchschnittlich.

Verfahrensgebühr

AG Alzey RVGreport 19, 333

Mittelgebühr angemessen, Fahrverbot droht, Eintragung im FAER, Aktenumfang nur 14 Seiten.

Terminsgebühr

LG Bayreuth 13.10.20, 3 Qs 84/20

Eine Hauptverhandlungsdauer von sechs Minuten ist unterdurchschnittlich.

Niedrigere Gebühr

LG Cottbus RVGreport 19, 93

  • 1. Eine Hauptverhandlungsdauer von 34 Minuten in straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldsachen ist noch durchschnittlich, 13 Minuten sind unterdurchschnittlich.
  • 2. Maßgeblich für den Beginn der Zeitrechnung ist der Zeitpunkt der Ladung, wenn der Rechtsanwalt zu dem Zeitpunkt erschienen ist.

Mittelgebühr

AG Charlottenburg RVGreport 20, 257

Hauptverhandlungsdauer von 45 Minuten durchschnittlich.

Mittelgebühr

AG Leer 3.5.21, 111 OWi 174/20

Der Ansatz der Mittelgebühr für die Terminsgebühr (nach Nr. 5110 VV RVG) ist jedenfalls nicht als unbillig anzusehen, wenn der Verteidiger eine 30-minütige Hauptverhandlung wegen eines Rotlichtverstoßes aufwendig vorbereitet hat.

Praxistipp | Sie als Verteidiger müssen auch in Bußgeldverfahren Ihre Gebührenbemessung (eingehend) begründen. Dazu sollten Sie

  • 1. die allgemeinen Kriterien des § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG prüfen und die Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Mandanten feststellen sowie
  • 2. sich mit den Besonderheiten des konkreten Verfahrens befassen. Damit Sie keinen besonderen Umstand übersehen, sollten Sie hierfür eine Checkliste anlegen (vgl. Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl. 2021, Vorbem. 5 VV Rn. 61), z. B.:
    • Besonderheiten des Verkehrsverstoßes
    • - Schwere des Verstoßes, Sach- oder Personenschaden
    • - Besondere/außergewöhnliche Verkehrsordnungswidrigkeit
    • Drohende Sanktionen
  • - Fahrverbot, Punkte im Fahreignungsregister, Entziehung der Fahrerlaubnis
    • Besonderheiten in der Person des Mandanten
  • - Nicht vorbelastet
  • - Beruflich (allgemein) auf Fahrerlaubnis angewiesen
    • Besonderheiten im Verfahren
  • - Aktenumfang, Akteneinsichtsproblematik
  • - Schwierige rechtliche oder tatsächliche Fragen
  • - Verjährungsproblematik
    • Sonstige Umstände, die das Verfahren vom Durchschnittsfall unterscheiden

AUSGABE: RVGprof 11/2021, S. 192 · ID: 47493211

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