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Arbeitsrecht11 rechtliche Irrtümer und Mythen zum Karneval

Abo-Inhalt18.02.20256 Min. Lesedauer von RAin Heike Mareck, Dortmund, kanzlei-mareck.de

1. Arbeitgeber muss in Karnevalshochburgen dem Arbeitnehmer freigeben

Einen „allgemeinen Anspruch auf Arbeitsbefreiung“ gibt es nicht, auch nicht in den Karnevalshochburgen. Rosenmontag und/oder Faschingsdienstag sind auch dann keine Feiertage, wenn sie regional immer gefeiert werden. Daher entscheidet der Arbeitgeber, ob er den Rosenmontag als normalen Arbeitstag oder als zusätzlichen bezahlten „Feiertag“ behandelt. Der Betriebsrat hat kein Mitbestimmungsrecht (so Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 25.04.2013, Az. 7 TaBV 77/12, Abruf-Nr. 171039). Ein erzwingbarer Anspruch auf Arbeitsbefreiung ist nur durch Vereinbarung möglich, z. B. im Tarifvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder durch betriebliche Übung. So entschied das Arbeitsgericht Köln (Urteil vom 07.10.2009, Az. 2 Ca 6269/09) für den Rosenmontag, dass für diesen Tag ebenso wie für Weiberfastnacht kein Anspruch des Arbeitnehmers auf Arbeitsbefreiung besteht (für Karnevalsdienstag: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 25.07.2007, Az. 17 P 05.3061).

2. An Karneval können Arbeitnehmer sich selbst beurlauben

Auch wenn am Rosenmontag der Urlaub nicht genehmigt wird, sollte der Arbeitnehmer sich nicht selbst beurlauben oder versuchen, diesen mit der Drohung zu erzwingen, er werde sonst an diesem Tag krank werden. Bei Androhung von Krankheit im Falle der Nichtgewährung von Urlaub droht nämlich eine fristlose Kündigung (Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil vom 12.03.2009, Az. 2 AZR 251/07, Abruf-Nr. 093717).

3. Arbeitgeber muss stets der ganzen Belegschaft freigeben

Gilt die Gewährung arbeitsfreier Tage an Karneval für die gesamte Belegschaft? I. d. R. werden nicht alle Mitarbeiter in allen Standorten innerhalb Deutschlands freigestellt. Dies kann zwar zur Ungleichbehandlung der Arbeitnehmer aus Karnevalshochburgen und solchen aus anderen Regionen führen, ist aber meist wegen der regionalen Unterschiede wohl gerechtfertigt (Verwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 21.01.2016, Az. VG 62 K 19.15. PVL).

4. Angestellte ohne „Rosenmontagsurlaub“ müssen arbeiten

Für neue Arbeitnehmer findet eine im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses geltende betriebliche Übung Anwendung, auch wenn der freie Tag in den neuen Arbeitsvertrag nicht aufgenommen wurde. Etwas anderes würde nur gelten, wenn die betriebliche Übung explizit im Arbeitsvertrag ausgeschlossen wurde.

5. Karnevalfotos von Arbeitnehmern dürfen in das Intranet

Wer Fotos von kostümierten Arbeitnehmern z. B. auf der Firmenwebseite oder Social-Media-Plattformen veröffentlichen möchte, muss nach dem Kunsturhebergesetz (KUG) die Einwilligung des Abgebildeten haben. Nach der DSGVO kann der Abgebildete diese Zustimmung jederzeit widerrufen.

6. Wie viel Alkohol getrunken wird, entscheidet der Arbeitnehmer selbst

Ob während der Arbeitszeit Alkohol getrunken werden darf, legt der Arbeitgeber fest. Es handelt sich um eine Frage der Ordnung im Betrieb, ob an Karneval oder zu anderen Gelegenheiten (BAG, Urteil vom 13.02.1990, Az. 1 ABR 11/89). Beim Alkoholkonsum ist entscheidend, dass alle Arbeitnehmer die Pflicht haben, ihre Leistungsfähigkeit und Sicherheit am Arbeitsplatz nicht durch das Trinken zu beeinträchtigen. Sie unterliegen der arbeitsvertraglichen Nebenpflicht, einen arbeitsfähigen Zustand aufrechtzuerhalten.

7. Radiohören muss der Arbeitgeber dulden

Der Arbeitnehmer ist arbeitsvertraglich verpflichtet, die ihm übertragene Arbeit ordnungsgemäß zu erbringen. Er muss konzentriert sowie sorgfältig arbeiten und darf die Arbeit nicht unterbrechen, um privaten Interessen nachzugehen. Wenn die ordnungsgemäße Erfüllung der arbeitsvertraglichen Pflichten durch das Radiohören nicht beeinträchtigt ist, verletzt das Radiohören keine arbeitsvertraglichen Pflichten (BAG 14.1.86, 1 ABR 75/83). In Betrieben ohne Betriebsrat kann der Arbeitgeber im Rahmen seines Direktionsrechts das Radiohören untersagen. Besteht ein Betriebsrat, kann eine solche Regelung nicht einseitig erfolgen, denn das Radiohören betrifft die Ordnung im Betrieb und ist daher mitbestimmungspflichtig (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG).

8. Arbeitgeber muss Verkleidung der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz zulassen

Auch an Karneval gibt es keinen Rechtsanspruch auf Verkleidung. Das BAG hat dem Europäischen Gerichtshof folgend hinsichtlich der Bekleidungsvorschriften („Kopftuch-Fall“, Urteil vom 15.07.2021, Az. C-804/18 und C-341/19, Abruf-Nr. 225166) festgelegt, dass ein Arbeitgeber von seinen Arbeitnehmern mit Außenkontakt erwarten kann, sich dem Charakter des Handelsgeschäfts und dessen Kundenstamm entsprechend branchenüblich zu kleiden. Gesetzlich vorgeschriebene Schutzkleidung darf auch ab Karneval nicht gegen eine Verkleidung getauscht werden.

9. Vorgesetzte müssen Abschneiden der Krawatte dulden

Es ist ein gängiger Brauch, männlichen Kollegen/Vorgesetzten an Weiberfastnacht die Krawatte abzuschneiden. Besonders in den Karnevalshochburgen haben sich die Arbeitgeber damit abgefunden. Wer dies nicht möchte, sollte zumindest an diesem Tag auf eine Krawatte verzichten oder nur eine „entbehrliche“ tragen. Das Abschneiden der Krawatte ist aber grundsätzlich eine Sachbeschädigung, gegen die man sich wehren darf. Das Amtsgericht Essen (Urteil vom 03.02.1988, Az. 20 C 691/87) entschied, dass das ungewollte Abschneiden einer Krawatte zur Schadenersatzpflicht führt.

10. Arbeitnehmer darf auch während der AU feiern

Ein „genesungswidriges Verhalten“ während der Arbeitsunfähigkeit muss der Arbeitgeber nicht dulden. Das sah auch das LAG Nürnberg so (Urteil vom 01.07.2014, Az. 7 Sa 498/13, Abruf-Nr. 233293):

Rechtsprechung: Bei genesungswidrigem Verhalten während der AU ist eine Abmahnung entbehrlich

Der Arbeitnehmer war bereits seit Ende Januar wegen einer Grippe arbeitsunfähig erkrankt. Anfang Februar fand eine Faschingsveranstaltung im Freien statt, an der er bei Temperaturen von minus 5 Grad Celsius teilnahm. Er traf dort auf seinen Arbeitgeber. Dieser forderte ihn auf, am nächsten Tag zur Arbeit zu erscheinen. Dem kam der Arbeitnehmer nicht nach. Mit Schreiben vom folgenden Tag wies der Arbeitgeber ihn auf sein unkorrektes Verhalten hin und kündigte ihm noch am selben Tag.
Die dagegen erhobene Klage wies das Arbeitsgericht Weiden ab. Das übliche Attest des Arztes untersagte ihm ein Verlassen des Hauses oder geringe Freizeitbetätigung nicht. Es wies jedoch ausdrücklich darauf hin, dass Kälte oder Arbeitsbelastung zu vermeiden seien. Mit der Berufung begehrte der Arbeitnehmer den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bis Ende Februar weiter. Er sei warm angezogen gewesen, habe sich während des zweistündigen Aufenthalts auch in einer Gaststätte aufgewärmt. Hauptsächlich zu Beginn seiner Erkrankung habe er sich schonen sollen. Im Übrigen habe es einer vorherigen Abmahnung bedurft. Der Arbeitgeber sah vertragliche Rücksichtnahmepflichten verletzt und stufte das Verhalten als genesungswidrig ein.
Das LAG Nürnberg wies die Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Weiden zurück. Es nahm einen wichtigen Grund für die außerordentliche Kündigung an. Der Arbeitnehmer habe in schwerwiegender Weise gegen seine Rücksichtnahmepflicht verstoßen. Ob der Heilungsprozess durch den Besuch der Veranstaltung beeinträchtigt worden sei, lasse sich nicht mehr aufklären. Auch eine Abmahnung sei entbehrlich gewesen, weil der Arbeitnehmer trotz der Begegnung mit seinem Vorgesetzten keine Anstalten gemacht habe, die Feier zu verlassen. Dass der Arbeitnehmer entgegen der Aufforderung des Arbeitgebers am nächsten Tag – dem vorletzten der Krankschreibung – nicht zur Arbeit erschienen sei, sei kein Kündigungsgrund. Er sei nicht verpflichtet gewesen, bereits einen Tag früher als attestiert, die Arbeitsfähigkeit wieder anzuzeigen.

11. Betriebliche Feier hat keinen Versicherungsschutz

Wenn die betriebliche Karnevalsfeier dem Betriebsklima dient und allen Betriebsangehörigen offensteht, stehen die Arbeitnehmer während der Feier und auf dem Hin- und Heimweg unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Entscheidend für den Unfallschutz ist allein, ob die Feier vom Willen des Arbeitgebers getragen ist (Bundessozialgericht, Urteil vom 26.06.2014, Az. B 2 U 7/13 R, Abruf-Nr. 142367). Unproblematisch ist dies, wenn die Betriebsfeier vom Arbeitgeber organisiert ist, aber auch eine von der Belegschaft organisierte Feier kann vom Unfallschutz gedeckt sein. Entscheidend ist, dass eine solche Feier mit dem Arbeitgeber abgesprochen ist. Man sollte im Vorfeld klären, was erlaubt ist und was nicht. Das Vorhandensein von Flüssigkeiten und die damit verbundene Gefahr des Ausrutschens oder der sonstigen Schädigung kann gerade im Karneval nicht komplett vermieden werden (OLG Köln 28.06.02, 19 U 7/02, Abruf-Nr. 030123) und begründet keine Ansprüche auf Schadenersatz oder Schmerzensgeld.

AUSGABE: PP 1/2024, S. 3 · ID: 49035800

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