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EinkommensteuerZuständigkeit für Außenprüfungsanordnung bei beschränkt Steuerpflichtigen
| Die sachliche Zuständigkeit des Bundeszentralamts für Steuern (BZSt) für die Antragsveranlagung beschränkt Steuerpflichtiger und die Durchführung des Steuerabzugs nach § 50a Abs. 1 EStG erstreckt sich nach Ansicht des BFH nicht auf die Außenprüfung (BFH 20.12.23, I R 21/21, DStR 24, 874). |
Sachverhalt
Eine inländische Konzertdirektion engagiert ausländische Künstler, Künstlergruppen und Produktionsgesellschaften, die beschränkt steuerpflichtige Einkünfte i. S. d. § 49 Abs. 1 Nr. 3 bzw. des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d) EStG erzielen. Mit diesen Einkünften unterliegen die betreffenden Künstlergruppen beziehungsweise Produktionsgesellschaften dem Steuerabzug nach § 50a Abs. 1 Nr. 1 EStG bzw. § 50a Abs. 1 Nr. 2 EStG. Die Konzertdirektion nahm diesen Abzug vor und übermittelte Meldungen in elektronischer Form an das zuständige BZSt. Anfang 2020 erließ das Finanzamt eine Lohnsteuer-Außenprüfungsanordnung, die sich auch auf den „Steuerabzug nach § 50a Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG“ beziehen sollte. Gegen die Prüfungsanordnung legte die Konzertdirektion Einspruch ein: Dass ein örtliches Finanzamt nach Übertragung der Kompetenzen für den Steuerabzug gemäß § 50a EStG auf das BZSt für eine Prüfungsanordnung zuständig sei, werde bezweifelt. Das FG Niedersachsen (10.3.21, 7 K 1/21, EFG 21, 1161) ging davon aus, dass nicht das FA, sondern das BZSt für die Prüfung des Steuerabzugs im Rahmen einer Außenprüfung sachlich zuständig sei, die vom FA erlassene Prüfungsanordnung sei deshalb nichtig. Dem hat der BFH jetzt widersprochen und die Klage unter Aufhebung des FG-Urteils endgültig abgewiesen.
Anmerkungen
Nach § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 12 Finanzverwaltungsgesetz (FVG) hat das BZSt insbesondere die Aufgabe, die Veranlagung nach § 50 Abs. 2 S. 2 Nr. 5 EStG und § 32 Abs. 2 Nr. 2 KStG sowie das Steuerabzugsverfahren nach § 50a Abs. 1 EStG durchzuführen. Nach der BFH-Rechtsprechung (11.1.12, I R 25/10, DStR 12, 742; 26.6.13, I R 48/12 , DB 13, 2657) beschränkt sich die sachliche Zuständigkeit des BZSt auf die positiv-rechtlich im FVG ausdrücklich angeordneten Anwendungsfälle, ansonsten bleibt es bei der Zuständigkeit des Finanzamts. Wie der BFH jetzt abermals bestätigt, ist mit dieser Übertragung der genannten Aufgaben keine sachliche Zuständigkeit des BZSt für die Durchführung von Außenprüfungen bei beschränkt Steuerpflichtigen beziehungsweise inländischen Steuerabzugsverpflichteten begründet worden:
In § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 12 FVG werden lediglich einzelne Maßnahmen angesprochen, die punktuell vom BZSt durchzuführen sind (Veranlagung, Steuerabzug, Erlass von Haftungs- und Nachforderungsbescheiden und deren Vollstreckung). Die vom Gesetzgeber gewählten Formulierungen erfassen zudem sprachlich nicht die Außenprüfung.
Die Außenprüfung ist auch systematisch nicht Bestandteil der „Durchführung der Veranlagung“. Die Veranlagung ist das förmliche Verfahren, in dem von der zuständigen Finanzbehörde aufgrund von Steuererklärungen die Besteuerungsgrundlagen ermittelt, die Steuer sodann festgesetzt und die Festsetzung mit Steuerbescheid bekannt gegeben werden. Veranlagung ist gesetzessprachlich damit die „Steuerfestsetzung“. Zur „Veranlagung“ gehört aber nicht die gesondert angeordnete Außenprüfung: Denn dabei handelt es sich um eine besondere Sachaufklärungsmaßnahme, die regelmäßig zeitlich nach der Erstfestsetzung angeordnet wird, auf eine umfassende Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen mit erweiterten Mitwirkungspflichten angelegt ist und einem streng formalisierten eigenen Verfahren folgt (BFH 5.4.84, IV R 244/83, BStBl II 84, 790). Unberührt davon bleibt die grundsätzliche Befugnis des BZSt, an einer vom örtlichen FA angeordneten Außenprüfung teilzunehmen. Die Aufgabenwahrnehmungen des BZSt im Bereich der Außenprüfung werden in § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i. V. m. § 19 FVG systematisch gesondert angesprochen und detailliert geregelt.
Relevanz für die Praxis
Einkünfte ausländischer Künstler für Auftritte im Inland unterliegen nach § 1 Abs. 4 i. V. m. § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG (Einkünfte aus selbstständiger Arbeit, die im Inland ausgeübt oder verwertet wurde) oder § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d) EStG (Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die durch künstlerische, sportliche, artistische oder ähnliche Darbietungen oder Verwertung im Inland erzielt werden) der beschränkten Steuerpflicht und nach Maßgabe von § 50a Abs. 4 S. 1 Nr. 2 und S. 2 EStG i. H. v. 25 % dem Steuerabzug. Die Steuer entsteht in dem Zeitpunkt, in dem die Vergütungen dem Gläubiger zufließen. In diesem Zeitpunkt hat der Vergütungsschuldner den Steuerabzug für Rechnung des beschränkt steuerpflichtigen Gläubigers (Steuerschuldner) vorzunehmen (§ 50a Abs. 5 S. 1 und 2 EStG). Gemäß § 50a Abs. 5 S. 5 EStG haftet er für die Einbehaltung und Abführung der Steuer. Auch Vergütungsschuldner, die im Inland weder ihren Sitz noch eine Betriebsstätte haben, sind zum Steuerabzug verpflichtet (BFH 22.8.07, I R 46/02, BStBl II 08, 190). Ist die Steuer nicht ordnungsmäßig einbehalten oder abgeführt, so hat nach § 73g Abs. 1 EStDV das FA die Steuer von dem Vergütungsschuldner durch Haftungsbescheid (§ 191 AO) oder von dem Steuerschuldner durch Steuerbescheid anzufordern.
Das BZSt hat seit Ende Februar 2024 ein neues IT-Fachverfahren für den Steuerabzug nach § 50a EStG eingeführt und das bisherige Verfahren vollständig abgeschaltet. Hierüber hat das BZSt auf seinen Internetseiten umfassend informiert (s. PIStB 23, 319).
- Zur Künstlerbesteuerung nach § 50a EStG s. noch Jahn, PIStB 08, 90
- Zur Haftung eines im Ausland ansässigen Vergütungsschuldners im Abzugsverfahren s. Jahn, PIStB 08, 34
- Dazu, dass die Inanspruchnahme staatlicher Subventionen durch Künstler nicht gegen deren Gewinnerzielungsabsicht spricht, s. BFH 25.10.23, I R 35/21, BB 24, 726
AUSGABE: PIStB 8/2024, S. 210 · ID: 50029088