GewerbesteuerGewerbesteuerliche Hinzurechnung ausländischer Streubesitzdividenden ist nicht unionsrechtswidrig
| Der BFH hat dem EuGH die Frage zur Prüfung vorgelegt, ob die gewerbesteuerliche Hinzurechnung von ausländischen Streubesitzdividenden im Jahr 2001 gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verstößt. Der EuGH hat jetzt entschieden, dass die deutsche Regelung nicht unionsrechtswidrig ist (EuGH 22.6.23, C-258/22). |
Sachverhalt
Eine der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer unterliegende Anstalt des öffentlichen Rechts betreibt ein Lebensversicherungsunternehmen. Sie war im Streitjahr 2001 im Streubesitz (< 10 %) an mehreren ausländischen Kapitalgesellschaften beteiligt, von denen sie Dividenden bezog. Im Jahr 2004 übte das Lebensversicherungsunternehmen auf Antrag das ihr zustehende sogenannte Blockwahlrecht nach § 34 Abs. 7 S. 8 Nr. 2 S. 1 KStG (i. d. F. des Gesetzes vom 22.12.03, BGBl I, 2840) dahin aus, dass § 8b Abs. 8 in der in § 34 Abs. 7 S. 8 Nr. 2 S. 2 KStG niedergelegten Fassung bereits für die VZ 2001 bis 2003 gilt. Dies hatte zur Folge, dass 20 % der Dividenden aus Streubesitzbeteiligungen an ausländischen Kapitalgesellschaften nach § 8b Abs. 1 KStG bei der Gewinnermittlung nicht zu berücksichtigen waren.
Bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer legte das FA den nach dem KStG zu ermittelnden Gewinn zugrunde. Unter Anwendung von § 8 Nr. 5 S. 1 GewStG rechnete das FA hierbei jene 20 % der zugeflossenen Ausschüttungen der ausländischen Kapitalgesellschaften, die bei der Ermittlung des körperschaftsteuerlichen Gewinns außer Ansatz blieben, wieder hinzu. Die Hinzurechnung erfolgte nur, da nicht die Voraussetzungen des Schachtelprivilegs nach § 9 Nr. 2a oder 7 GewStG 1999 n. F. erfüllt waren, d. h. nur bei Streubesitzbeteiligungen von weniger als 10 %. (seit 2008 weniger als 15 %).
Das Lebensversicherungsunternehmen wandte sich gegen diese Hinzurechnung und hatte in erster Instanz Erfolg (FG Niedersachsen 25.1.18, 6 K 145/16, EFG 18, 1041). Im Revisionsverfahren des FA hatte der BFH das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH die Frage der Unionsrechtmäßigkeit der Hinzurechnung von Dividenden aus Auslandsbeteiligungen nach § 8 Nr. 5 GewStG im VZ 2001 vorgelegt (s. PIStB 23, 2).
In einem früheren Urteil hatte der BFH in dem Umstand, dass die Hinzurechnungsvorschrift des § 8 Nr. 5 GewStG auf Dividendeneinnahmen aus Auslandsbeteiligungen im Gegensatz zu Dividendeneinnahmen aus Inlandsbeteiligungen erstmals für den Erhebungszeitraum 2001 anzuwenden ist, eine Benachteiligung der Beteiligung an Auslandskapitalgesellschaften gesehen, die der Kapitalverkehrsfreiheit widerspricht (BFH 6.3.13, I R 14/07, DStR 13, 1430). Die damalige Beurteilung erschien dem BFH bei nochmaliger Prüfung zweifelhaft, da die Dividendeneinnahmen aus Streubesitzbeteiligungen in beiden Fällen (Auslandsbeteiligungen und Inlandsbeteiligungen) in voller Höhe in die Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer eingehen (BFH 23.11.21, I R 5/18). Der EuGH hat jetzt entschieden, dass die deutsche Regelung in § 8 Nr. 5 S. 1 GewStG nicht gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verstößt.
Anmerkungen
Das Vorlageverfahren (Art. 267 AEUV) vor dem EuGH betrifft die Frage, ob die Anwendung von § 8 Nr. 5 S. 1 GewStG und die daraus folgende Hinzurechnung (hier von 20 % der Dividenden), die eine Ungleichbehandlung gegenüber Dividenden inländischer Gesellschaften bewirkt, gegen die EU-Kapitalverkehrsfreiheit verstößt. Tatsächlich war § 8b Abs. 1 KStG im Jahr 2001 noch nicht auf Dividendenausschüttungen inländischer Kapitalgesellschaften anwendbar und eine solche Hinzurechnung nach § 8 Nr. 5 GewStG bei diesen Dividenden daher ausgeschlossen.
Der EuGH (22.6.23, C-258/22) hat jetzt entschieden, die daraus resultierende Ungleichbehandlung verstoße nicht gegen die Kapitalverkehrsfreiheit. Die Kapitalverkehrsfreiheit sei nicht eingeschränkt, wenn bei der Ermittlung der gewerbesteuerlichen Bemessungsgrundlage ausländische Streubesitzdividenden, die in einem vorangegangenen Ermittlungsschritt von der Bemessungsgrundlage zunächst abgezogen wurden, wieder hinzugerechnet werden, während Dividenden aus vergleichbaren inländischen Beteiligungen nicht von der Bemessungsgrundlage abgezogen wurden und folglich nicht wieder hinzugerechnet werden. Da sie damit im Ergebnis derselben (gewerbe-) steuerlichen Belastung unterlagen, sah der EuGH die Ungleichbehandlung als nicht geeignet an, Steuerpflichtige von Investitionen ihres Kapitals in einem anderen Mitgliedstaat abzuhalten.
Relevanz für die Praxis
Die abschließende Entscheidung muss jetzt auf Basis der EuGH-Entscheidung der BFH treffen. Da ein Verstoß von § 8 Nr. 5 S. 1 GewStG gegen Gemeinschaftsrecht nicht vorliegt, wird der BFH der Revision des FA stattgeben und die Klage des Lebensversicherungsunternehmens abweisen.
Das Verfahren ist für die Praxis insofern bemerkenswert, als der BFH nicht mehr an seiner im Urteil vom 6.3.13 (I R 14/07, DStR 13, 1430) vertretenen Ansicht festhält. Danach war der BFH noch der Auffassung, dass ein Sachverhalt wie der des Ausgangsverfahrens mit dem Sachverhalt des EuGH-Urteils vom 22.1.09 (C-377/07, STEKO Industriemontage) vergleichbar sei. Zwar ging es dort auch um die Anwendung von § 8b KStG auf Einkünfte aus Beteiligungen an ausländischen Kapitalgesellschaften im Erhebungszeitraum 2001. Anders als im Sachverhalt des Ausgangsverfahrens habe in der Rechtssache STEKO Industriemontage für Beteiligungen an ausländischen Gesellschaften im Erhebungszeitraum 2001 eine höhere Körperschaftsteuer gegolten als für entsprechende Beteiligungen an inländischen Gesellschaften. Im vorliegenden Fall führe allein die Hinzurechnung gemäß § 8 Nr. 5 GewStG aber letztlich nicht zu einer ungünstigeren steuerlichen Behandlung von Sachverhalten mit Auslandsbezug.
AUSGABE: PIStB 2/2024, S. 34 · ID: 49618512