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ZulassungsrechtAnstellungsgenehmigung im „eigenen“ MVZ nur bei abhängigem Beschäftigungsverhältnis

Abo-Inhalt22.10.2024587 Min. LesedauerVon RA Dietmar Sedlaczek, FAfMedR, Berlin

| 2022 hatte das BSG (26.1.22, B 6 KA 2/21 R) entschieden, dass sich Vertragsärzte nicht mehr in ihrem „eigenen“ MVZ anstellen lassen können, wenn sie im sozialversicherungsrechtlichen Sinne nicht als abhängig Beschäftigte anzusehen sind. Das betrifft z. B. Alleingesellschafter einer GmbH oder zwei je zur Hälfte beteiligte Gesellschafter, die qua Gesellschafterstellung eine beherrschende Stellung innehaben und daher arbeitsrechtlich nicht mehr als weisungsgebunden bzw. abhängig beschäftigt angesehen werden können. Der Beitrag befasst sich mit den Konsequenzen für die Gestaltungspraxis. |

1. Wie es zur BSG-Entscheidung kam

Das Urteil des BSG hat in der Folge die Gründung und Genehmigung von MVZ in der Rechtsform der GmbH mit einem oder zwei Gesellschaftern praktisch zum Erliegen gebracht. Auch in der Fachliteratur finden sich wenig Aufsätze, die sich mit möglichen Gestaltungen zum Umgang mit diesem Urteil auseinandersetzen.

Sachverhalt

Der Ausgangsfall spielt in Sachsen-Anhalt. Zwei in einer BAG zur nephrologischen Versorgung zugelassen Internisten haben eine GbR gegründet, die als Trägergesellschaft eines MVZ fungieren soll. Sie beantragten die Genehmigung des MVZ, die Genehmigung der Anstellung einer nicht an der GbR beteiligten Ärztin sowie die Genehmigung der Anstellung der Gesellschafter als Angestellte in dem MVZ gemäß § 103 Abs. 4a S. 1 SGB V. Bis auf die Genehmigung der Anstellung der Gesellschafter-Geschäftsführer entschieden der Zulassungsausschuss und ihm folgend der Berufungsausschuss antragsgemäß. Eine Anstellungsgenehmigung könne nur für Angestellte im Sinne des Arbeits- bzw. Sozialversicherungsrechts erteilt werden. Die Gesellschafter übten jedoch eine selbstständige Tätigkeit aus.

1.1 Die Argumentation der Vorinstanz

Die Kammer des angerufenen SG Magdeburg (18.11.20, S 1 KA 25/18) kommt zu dem Schluss, dass ausschließlich unter zulassungsrechtlichen Gesichtspunkten eine Anstellung der die GbR beherrschenden Gesellschafter bei einer MVZ GbR möglich ist, da es dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers und dem Ziel der besonderen vertragsärztlichen Organisations- und Kooperationsformen entspräche, dass angestellte Ärzte ihr MVZ als Gesellschafter (mit-)tragen. Belegt werde dies durch die Entwicklung der Regelung über die Bestandssicherung eines MVZ. Aus den Regelungen zur Entziehung der Zulassung, auch für ein MVZ gemäß § 95 Abs. 6 SGB V, ergebe sich, dass unter zulassungsrechtlichen Gesichtspunkten auch die Anstellung von beherrschenden Gesellschaftern einer GbR in einem MVZ ausschließlich zulassungsrechtlich möglich sei. Durch das TSVG habe der Gesetzgeber betont, dass ein öffentliches Interesse daran bestehe, dass ein MVZ vorrangig von Ärzten getragen werden soll. Nach dem Wortlaut des Satzes 5 lägen die Gründungsvoraussetzungen nach § 95 Abs. 1a S. 1 SGB V weiterhin vor, sofern angestellte Ärzte die Gesellschafteranteile der Ärzte nach § 95 Abs. 1a S. 1 SGB V oder nach S. 4 übernehmen und solange sie im MVZ tätig seien. Die Übernahme von Gesellschafteranteilen durch angestellte Ärzte sei jederzeit möglich. Trotz ihrer systematischen Einordnung finde diese Vorschrift nicht nur beschränkte Anwendung bei drohender Entziehung der Zulassung, vielmehr könne die Ergänzung („ … jederzeit …“), die im Gesetzgebungsverfahren durch den Ausschuss empfohlenen und übernommen worden war, als ausdrückliche Ermunterung angesehen werden. Die angestellten Ärzte sollen Gesellschafteranteile auch dann erwerben, wenn der Fortbestand des MVZ (noch) nicht durch einen Zulassungsentzug aufgrund des Wegfalls der Gründungsvoraussetzung gefährdet sei. Diese Rechtsfolge sei vom Gesetzgeber ausdrücklich gewollt, und zwar unabhängig davon, ob das MVZ in der Rechtsform einer GbR oder in der Rechtsform einer GmbH betrieben werde.

Weiter bezieht sich die Kammer auf das Urteil des BSG (11.10.17, B 6 KA 38/16 R) wonach zweifelsfrei zwei Gesellschafter dergestalt ein MVZ gründen können, dass sie ihre Zulassungen auf ein neu zu gründendes MVZ übertragen. Das BSG spreche insoweit von mehreren vordergründig selbstständigen Entscheidungen, die in einem Akt die Übertragung der Anstellung und die Gründung des MVZ in einem Termin ermöglichten. Gegenstand des vorgenannten Urteils des BSG waren verschiedene MVZ, die durch eine GmbH betrieben wurden. Das BSG versagt im Ergebnis die Gründung eines neues MVZ durch Verlegung von Angestelltenarztstellen aus bisher schon genehmigten MVZ an einen neuen Standort.

Zivil-, gesellschafts-, steuer-, arbeits- oder sozialversicherungsrechtliche Aspekte hinderten die Erteilung der Genehmigung nicht, da sie vertragsärztlichen Belangen nicht entgegenstünden. Vielmehr seien diese Fragestellung im jeweiligen Rechtskreis unabhängig von zulassungsrechtlichen Fragestellungen zu beurteilen.

1.2 Die Argumentation des BSG

Auf die Sprungrevision des Berufungsausschusses folgte das BSG (26.1.22, B 6 KA 2/21 R) der Argumentation des SG Magdeburg nicht. Die Gründe sind sehr ausführlich, der Senat setzt sich intensiv mit der Entstehungsgeschichte des MVZ und der sich wandelnden Regelungen auseinander.

Zunächst prüft der Senat, ob sich aus den vertragsarztrechtlichen Regelungen schon ergibt, dass eine Anstellungsgenehmigung nicht erteilt werden darf, wenn das Dienstverhältnis im sozialversicherungsrechtlichen Sinn als selbstständiges ausgestaltet ist. Das ergebe sich nicht eindeutig aus dem Wortlaut des § 103 Abs. 4a SGB V, sodass jedenfalls nach dem Wortlaut der Norm eine Anstellungsgenehmigung ausschließlich im vertragsarztrechtlichen Sinn nicht ausgeschlossen sei.

Jedoch sei aus der Entstehungsgeschichte, dem Regelungssystem und dem Regelungszweck abzuleiten, dass der Begriff der „Anstellung“ in enger Anlehnung an die Rechtsprechung des 12. Senats zu der Auslegung des Begriffes der Beschäftigung in § 7 Abs. 1 SGB IV auszulegen sei.

Auch wenn der Begriff der Anstellung im deutschen Recht nicht einheitlich und ausschließlich auf Tätigkeiten in einem abgängigen Beschäftigungsverhältnis bezogen werde, ergebe sich aus der Systematik, Entstehungsgeschichte und Zweck der vertragsarztrechtlichen Regelungen, dass der Begriff im Vertragsarztrecht nicht in einem weiten zivilrechtlich geprägten, sondern im sozialversicherungsrechtlichen Sinne der Beschäftigung zu verstehen sei. Seit Eröffnung der Möglichkeit für Vertragsärzte, angestellte Ärzte dauerhaft und regulär zu beschäftigen, habe nie ein Zweifel daran bestanden, dass die bei einem Vertragsarzt angestellten Ärzte Beschäftigte im sozialversicherungsrechtlichen Sinne seien. Der Senat sehe auch im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte dafür, dass der Begriff der Anstellung im MVZ anders auszulegen wäre. Vielmehr spräche der Umstand, dass Ärzte in ein MVZ auch die Möglichkeit hätten, als Vertragsärzte tätig zu werden und dass ein Arzt nicht dieselbe Tätigkeit sowohl in der Rolle des angestellten Arztes als auch in der Rolle des Vertragsarztes verrichten kann, gerade gegen ein erweitertes Verständnis des Begriffs des angestellten Arztes speziell im MVZ.

Es sei im Sozialversicherungsrecht anerkannt, dass Gesellschafter zugleich abhängig Beschäftigte „ihrer“ Gesellschaft sein könnten. Das setze aber voraus, so die Rechtsprechung des zuständigen 12. Senats, dass diese Gesellschafter nicht die Rechtsmacht besäßen, durch Einflussnahme auf die Gesellschafterversammlung die Geschicke der Gesellschaft zu bestimmen und damit die eigene Weisungsgebundenheit als Angestellte der Gesellschaft aufzuheben. In dem zu beurteilenden Fall sei die Positionen der beiden Ärzte und Gesellschafter der MVZ GbR dadurch geprägt, dass beide zu gleichen Teilen an der Gesellschaft beteiligt sind und beide jeweils eine Stimme besäßen. Daraus folge, dass beide Gesellschafter-Geschäftsführer die Rechtsmacht besäßen, ihnen nicht genehme Beschlüsse und Weisungen verhindern zu können. Das schließe auch zulassungsrechtlich die Genehmigung der Anstellung der Gesellschafter in ihrer eigenen MVZ GbR aus.

2. Zur Bedeutung der Beschäftigung i. S. d. § 7 Abs. 1 SGB IV

Gemäß § 7 Abs. 1 SGB IV ist eine Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für die Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisung und die Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

Bekanntlich wurden diese Kriterien durch die Rechtsprechung des 12. Senats des BSG bei Diensten höherer Art (wie hier bei Ärzten) dahingeht verfeinert, dass man von einer funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess spricht. Entscheidendes Merkmal ist die Frage der Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Schon der Wortlaut von § 7 Abs. 1 S. 2 SGB IV spricht von einer Eingliederung und von einem „Weisungsgeber“.

Prägendes Merkmal für die Beschäftigung im sozialversicherungsrechtlichen Sinne ist also die Fragestellung, ob das zu beurteilende Verhältnis durch Über- und Unterordnung, Eingliederung in einer Organisation und Weisungsgebundenheit gekennzeichnet ist. Die Frage, wann freiberufliche Tätigkeiten im Bereich der ambulanten Versorgung möglich sind, hat das BSG in einem Entscheidungsmarathon im Juni 2019 geklärt und seine Entscheidungen dabei in die lange Tradition der Rechtsprechung des 12. Senats gestellt.

Beleuchtet man den der BSG-Entscheidung zugrunde liegenden Fall nach den Kriterien Weisungsgebundenheit und Einbindung ergibt sich folgendes Bild:

  • Weisungsgebundenheit: Beleuchtet man den der BSG-Entscheidung zugrunde liegenden Fall, kann von einer Weisungsgebundenheit der beiden zu gleichen Teilen an der GbR beteiligten Gesellschafter nicht gesprochen werden. Vielmehr haben beide die Rechtsmacht, Beschlüsse der Gesellschafterversammlung und damit auch Anweisungen, die jeweils der anderen Gesellschafter in seiner Funktion als Geschäftsführer der GbR gibt, zu verhindern. Man könnte also sagen, dass die Gesellschafter der MVZ GbR zur Einigkeit verpflichtet sind, aber damit ist eine Weisungsgebundenheit denknotwendig auf Ebene der Gesellschafterposition und auch auf Ebene der Tätigkeiten im MVZ ausgeschlossen. Der eine Gesellschafter kann nicht dem anderen Gesellschafter eine Weisung erteilen. Da der andere Gesellschafter über die notwendigen Anteile und Stimmen verfügt, um in der Gesellschafterversammlung ihm unangenehme Beschlüsse zu verhindern, besteht keine Weisungsgebundenheit.
  • Einbindung: Möglicherweise ist das Merkmal der Eingliederung in den Betrieb bzw. der funktionsgerechten dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess für beide Gesellschafter zu bejahen, da die ärztliche Leistung nur am Standort der Praxis und unter Beachtung zeitlicher und terminlicher Notwendigkeiten sowie dem Behandlungsbedarf der Patienten erbracht werden kann.

Die Einbindung allein reicht aber nicht aus, da beide Gesellschafter im Sinne des Sozialversicherungsrechts gemäß § 7 Abs. 1 SGB IV nicht weisungsgebunden gegenüber dem Arbeitgeber sind. Sie sind selbst diejenigen, die in der Lage sind, Weisungen zu erteilen. Von daher dürfte unter sozialversicherungsrechtlichen Gesichtspunkten der vorliegende Fall so zu beurteilen sein, dass beide Gesellschafter nicht sozialversicherungspflichtig sind. Das wäre anders, wenn ein Gesellschafter nur Minderheitsbeteiligter ist und auch nicht in der Lage ist, ihm unangenehme Beschlüsse in der Gesellschaftsversammlung zu verhindern. Insoweit legt das BSG für Personengesellschaften wie auch für juristische Personen dieselben Kriterien an. Es ist also sehr wohl denkbar, dass ein an einer GbR beteiligter Gesellschafter, der weder eine Mehrheit der Stimmrechte noch die Kapitalmehrheit hat, sehr wohl Angestellter seiner GbR im sozialversicherungsrechtlichen Sinne ist, weil er sich gegen ihm unangenehme Beschlüsse der Stimmenmehrheit in der Gesellschaftsversammlung nicht zur Wehr setzen kann. Dies gilt auch für die Gesellschafter einer GmbH.

3. Konsequenzen aus der Entscheidung des BSG

3.1 Zulassungs- und sozialversicherungsrechtliche Fragestellungen

Droht damit das Ende des Ein-Mann-MVZ und solcher Gestaltungen, in denen die Gesellschafter-Geschäftsführer sozialversicherungsfrei sind?

Die Frage lässt sich nicht so einfach beantworten. Der Senat hat sich offensichtlich auch Gedanken gemacht über bereits bestehende MVZ, die einen oder mehrere Gesellschafter haben, von denen jeder beherrschenden Einfluss auf die Gesellschafterversammlung und die Geschäftsführung hat. Anders sind die Ausführungen zum Bestandsschutz und zu der Tatbestandswirkung der Statusentscheidung nicht zu erklären. Nach alledem gäbe es – theoretisch – drei Möglichkeiten.

  • Also gilt es, wenn weiter MVZ mit einem oder zwei Gesellschaftern gegründet werden sollen, deren Zulassung nicht auf die MVZ-GmbH zu übertragen. Damit scheidet die Möglichkeit aus, die Versorgungsaufträge der Gründer, deren Zulassung nicht auf die GmbH übertragen wurden, durch einfache Erklärung gegenüber dem Zulassungsausschuss entsprechend den Grundsätzen des BSG (15.6.16, B 6 KA 21/15 R) mit einen Versorgungsgrad von ¼, ½ oder ¾ mit angestellten Ärzten zu besetzen (§ 58 Abs. 2 S. 4 Bedarfsplanungsrichtlinie). Es muss stets ein formelles Nachbesetzungsverfahren gemäß § 103 Abs. 3a SGB V durchgeführt werden.
  • Alternativ dazu kann das MVZ so gestaltet werden, dass die Gesellschafter keinen beherrschenden Einfluss auf die Gesellschaft haben, sodass sie im sozialversicherungsrechtlichen Sinn gemäß § 7 Abs. 1 SGB IV beschäftigt sind. Damit geht einher die grundsätzliche Versicherungspflicht in allen vier Zweigen der Sozialversicherung. Tatsächlich verbleibt in aller Regel allein die Versicherung in der Arbeitslosenversicherung. Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI werden selbstständig Tätige von der Versicherungspflicht befreit, wenn sie Mitglied einer berufsständigen Versorgungseinrichtung und Kammermitglied sind. In aller Regel entfällt auch die Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung, weil die Jahresarbeitsentgeltgrenzen überschritten werden (§ 6 SGB V, § 20 SGB XI).
  • Auch der Gesellschafter eines „Ein-Mann-MVZ“ in der Rechtsform der GmbH könnte u. U. Angestellter sein, wenn er nicht Geschäftsführer ist. Denn dann unterliegt er den Weisungen des Geschäftsführers der GmbH. Möglicherweise verhindert das alleinige Stimmrecht in der Gesellschafterversammlung dennoch die Einstufung als Angestellter, da der „Angestellte“ jederzeit den Geschäftsführer abberufen kann. Wenn ein solcher Fall gestaltet werden sollte, müsste ein nicht an der Gesellschaft beteiligter Arzt Geschäftsführer sein, da gemäß § 23a Abs. 1a MBO Geschäftsführer einer solchen GmbH zwingend ein Arzt sein muss. Es erscheint vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des 6. und 12. Senats des BSG zweifelhaft, ob eine derartige Gestaltung die Billigung der Zulassungsgremien findet.

3.2 Auswirkungen auf die steuerliche Beurteilung?

Im Steuerrecht spricht man von der Mitunternehmerschaft (§ 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG). Eine Legaldefinition des Begriffs Mitunternehmerschaft enthält das Gesetz nicht. Das Gesetz spricht von Gewinnanteilen, die einem Gesellschafter zustehen aus der Tätigkeit der Gesellschaft, bei der er als Unternehmer (Mitunternehmer) anzusehen ist. Diese Regelung gilt entsprechend für selbstständige freiberufliche Einkünfte; denn § 18 Abs. 4 S. 2 EStG nimmt auf § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG ausdrücklich Bezug. Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft sind stets als Arbeitnehmer in steuerrechtlichen Sinn zu qualifizieren, auch dann, wenn sie alleiniger Eigentümer aller Anteile an der Kapitalgesellschaft sind. Das Steuerrecht beurteilt diese Fälle anders als das Sozialversicherungsrecht. Auf das Steuerrecht hat das Urteil keine Auswirkungen.

3.3 Arbeitsrechtliche Betrachtungsweise

In § 611a BGB wird der Arbeitnehmer als durch den Arbeitsvertrag im Dienst eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit Verpflichteter definiert. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen. Weisungsgebunden ist, wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Arbeitsrechtlich anerkannt ist, dass auch ein Gesellschafter einer GmbH Arbeitnehmer sein kann, wenn er weisungsgebunden ist.

Der Begriff des Arbeitnehmers, der auf den ersten Blick klar und deutlich erscheint, ist durchaus komplex, denn der Arbeitnehmerbegriff i. S. d. AEUV ist von dem Arbeitnehmerbegriff i. S. d. § 611a BGB zu unterscheiden.

Weisungsgebundenheit kann auch vorliegen, wenn der Gesellschafter – wie in einem vom BAG (17.9.14, 10 AZB 43/14) entschiedenen Fall – zwar 50 % der Anteile hält, aber nicht Geschäftsführer ist, und mit ihm ein Arbeitsvertrag geschlossen wurde, wonach er den Weisungen der Geschäftsführung unterliegt. Auch nach der Rechtsprechung des BAG ist zwar die Weisungsgebundenheit ein wesentliches Merkmal für die Definition eines Dienstverhältnisses als Arbeitsverhältnis im arbeitsrechtlichen Sinn. Das BAG schließt in dem Urteil nur aus, dass jemand Arbeitnehmer im arbeitsrechtlichen Sinne sein kann, der die Gesellschafterversammlung dergestalt beherrscht, dass er durch seine Stimmanteile Weisungen der Geschäftsführung aussetzen kann. Also auch nach arbeitsrechtlichen Gesichtspunkten ist die Weisungsgebundenheit ein wesentliches und prägendes Merkmal für die Beurteilung der Tätigkeit als abgängig beschäftigter Arbeitnehmer.

Im Urteilsfall ist es so, dass auch bei der GbR beide Gesellschafter über 50 % der Anteile verfügen und die Gesellschaftersammlung zwei Stimmen hat. Es liegt zwar keine Prägung der Gesellschaftsversammlung vor, wie das BAG es für GmbH-Gesellschafter entschieden hat, der mehr als 50 % der Anteile und mehr als 50 % Stimmrechte hat, aber auch hier ist eine Weisungsgebundenheit nicht gegeben, weil, wie schon zum sozialversicherungsrechtlichen Begriff der Beschäftigung ausgeführt, eine Unterwerfung unter Weisung der Geschäftsleitung gerade nicht gegeben ist. Im arbeitsrechtlichen Sinne wird man wohl sagen müssen, dass die beiden Gesellschafter im hier zu entscheidenden Fall jedenfalls keine Arbeitnehmer i. S. d. Arbeitsrechts waren. Für die GmbH ist allgemein anerkannt, dass deren Geschäftsführer keine Arbeitnehmer sind.

4. Eigene Auffassung

Für die Zulässigkeit einer Anstellung der Gesellschafter-Geschäftsführer der MVZ GbR als Angestellte des MVZ ausschließlich auf die vertragsarztrechtliche Sicht abzustellen spricht, dass der Begriff des MVZ ein originärer zulassungsrechtlicher Begriff ist, der ausschließlich im Vertragsarztrecht existiert und nur dort auch mit Inhalt gefüllt wird. Außerhalb des Vertragsarztrechts existiert der Begriff des MVZ innerhalb der Rechtsordnung nicht. Das SG Magdeburg setzt sich intensiv mit den Regelungen zum MVZ in den §§ 95 ff. SGB auseinander und führt unter Nennung fast aller einschlägiger Normen auf, dass für ein MVZ eigenständige Regelung im SGB V und im Vertragsarztrecht enthalten sind. So entfällt z. B. die Begrenzung der Zahl der angestellten Ärzte im BMV-Ä und es entfällt auch die Begrenzungsregelung zur Begründung von Zweigpraxen. Unter Bezugnahme auf die Sonderregelungen für das MVZ hat das SG Magdeburg die Ansicht vertreten, dass eine Anstellung von Gesellschaftern-Geschäftsführern, die je 50 % der Anteile und der Stimmen halten, im zulassungsrechtlichen Sinne möglich ist.

Nach der hier vertretenen Auffassung ist der Auffassung des SG Magdeburg zuzustimmen, da, wie oben dargelegt, der Begriff des MVZ nur im Vertragsarztrecht vorkommt. Es ist schon lange geklärt, dass ein und derselbe Rechtsbegriff in unterschiedlichen Regelungszusammenhängen unterschiedlich ausgelegt werden kann. Das räumt der Senat des BSG in seiner Entscheidung ausdrücklich ein und diskutiert die Frage, ob der Begriff der Anstellung in § 103 SGB V im vertragsarztrechtlichen Kontext eigenständig auszulegen sei. Wollte man sich der Auffassung des SG Magdeburg anschließen, würde das auch zu mehr Gleichheit führen. Schon jetzt ist nicht einzusehen, warum Ärzte und BAG maximal vier vollzeitbeschäftigte Ärzte je Arzt mit einem vollen Versorgungsauftrag anstellen dürfen, für MVZ aber keinerlei Beschränkungen gelten.

Mehr Rechtssicherheit wird durch das Urteil des BSG auch nicht erreicht, im Gegenteil. Es steht zu befürchten, dass es zu weiteren Rechtsstreitigkeiten kommt, da die Beratungspraxis mit Sicherheit an Gestaltungen arbeiten wird, deren Zulässigkeit dann durch die Zulassungs- und Berufungsausschüsse aufwendig zu prüfen sein wird. Zudem dürften sich bei Änderungen im Gesellschafterbestand bei unter den Bestandsschutz fallenden MVZ, vielleicht auch bei der Nachbesetzung von Arztsitzen, erhebliche Rechtsunsicherheiten ergeben, ob bei derartigen Veränderungen der Bestandsschutz fortwirkt oder die Zulassung oder der Arztsitz entzogen werden darf oder muss.

FAzit | Der Terminsbericht des BSG scheint für große Unruhe in der Fachwelt gesorgt zu haben. Es war zu hören, dass die Zulassungsausschüsse teilweise die Entscheidungen über die Zulassungen von MVZ bis zur Veröffentlichung der Entscheidungsgründe vertagt haben. Zum Teil wurde vermutet, dass das Ein-Mann-MVZ nicht mehr möglich sei. Diesen Befürchtungen hat das BSG zumindest für genehmigte MVZ eine Absage erteilt. Denn der Zulassung komme Tatbestandswirkung zu. Die Rechtsgrundlagen für einen Widerruf der Zulassung, die auch das BSG bei Täuschung des Zulassungsausschusses für möglich erachtet, sei in all den Fällen nicht gegeben, in denen die Beteiligten im Vertrauen auf die rechtmäßige Anwendung der Normen unter Darlegung des realen Sachverhaltes die Zulassung beantragt und erhalten haben.

AUSGABE: PFB 11/2024, S. 310 · ID: 49964914

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